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    Yes
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Yes
    Von Deike Stagge

    Es ist relativ einfach, einen Film durch eine komplexe, mit Wendungen gespickte Geschichte oder ansehnliche digitale Effekte zum Gesprächsstoff zu machen. Dass es auch anders geht, beweist Regisseurin Sally Potter, die in ihrem Liebesdrama „Yes“, um gesellschaftliche und moralische Fragen anzusprechen, auf das einfachste aller Themen zurückgreift: Mann trifft Frau.

    „Sie“ (Joan Allen) ist eine erfolgreiche Wissenschaftlerin, die ihre ganze Erfüllung im Beruf findet. Ihr Privatleben liegt dafür in Scherben. Ihr Mann (Sam Neill), ein wichtiger und erfolgreicher Politiker, hat Affären am laufenden Band, das Paar selbst spricht kaum noch miteinander. Als sie mal wieder auf einem Empfang zutiefst gelangweit in der Ecke steht, wird „Er“ (Simon Abkarian) auf sie aufmerksam. Fast verlegen werden Nummern ausgetauscht, es kommt zu einem ersten Treffen. Die Affäre beginnt. Doch auch in der Beziehung zueinander gibt es scheinbar unüberwindliche Differenzen. Er musste aus seiner Heimat Beirut im Krieg fliehen und darf nun in England nicht als Arzt arbeiten. So schlägt er sich als Kellner und Koch durch. Am Arbeitsplatz diskutiert er mit seinen Kollegen über alle möglichen Themen und kann die ihm dort entgegengebrachten Vorurteile nicht verarbeiten. Als er feststellt, dass auch sie wenig über seine Heimat und seine Wertvorstellungen weiß (und scheinbar wissen will), wird die Beziehung auf eine ernste Probe gestellt. Sie hat ganz andere Probleme. Ihre Ehe driftet jetzt endgültig dem Abgrund entgegen, die Nichte kämpft mit pubertären Krisen und ihre geliebte Tante in Irland (Shirley Hancock) liegt im Sterben. Über diesen Ereignissen stellt sie fest, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse und damit einen Teil ihrer Identität lange unterdrückt hat. Langsam wird ihr klar, dass sie ihr Leben vollständig neu ordnen muss, um doch noch glücklich zu werden, ohne sich ständig verbiegen zu müssen. Aber den ersten Schritt in diese Richtung zu machen, ist nicht so einfach.

    Zugegeben, die Geschichte liest sich vielleicht etwas wie das exzessive Ausleben der Midlife-Crisis gut betuchter Briten. Aber „Yes“ ist nicht nur für ältere Zielgruppen ein interessanter Film. Drehbuchautorin und Regisseurin Sally Potter („Orlando“, „In stürmischen Zeiten“, „The Gold Diggers“) gelingt es, viele gesellschaftlich relevante Fragen kunstvoll anzusprechen. In ihrem neuesten Werk geht es um kulturelle Vorurteile und Zusammenleben nach dem 11. September 2001, die Suche nach Sinn und Identität im eigenen Leben, die Furcht vor gesellschaftlichen Zwängen und die Angst, mit den Konsequenzen wichtiger Entscheidungen leben zu müssen. Daneben finden Überlegungen zu Rivalität im Freundeskreis ebenso ihren Platz wie die Probleme von Teenagern, in der bunten Werbewelt der Supermodels mitzuhalten. Dass „Yes“ trotz dieser Fülle an schwer zu beschreibenden Themen zu keinem Zeitpunkt überladen, moralisierend oder gar anklagend wirkt, verdankt er der subtilen und vorurteilsfreien Herangehensweise seines Drehbuchs und dem herausragenden Schnitt. Dieser verleiht der Handlung eine Art von Rhythmus, in dem die verschiedenen Konfliktebenen geschickt miteinander verknüpft werden. Es bleibt zu jedem Zeitpunkt dem Zuschauer überlassen, sich mit den Themen auseinander zu setzen und sich ein Urteil zu bilden.

    Doch nicht nur die Themenwahl macht „Yes“ zu einem herausragenden Filmereignis, auch die Art der Gestaltung und Umsetzung ist etwas Besonderes. Sämtliche Dialoge werden in jambischen Pentametern geführt, einer Versform, die durch ihren eleganten Fluss seit der Antike ein beliebtes Stilmittel im Theater ist. Dadurch erhält der Film die Atmosphäre eines Kunstwerks oder Bühnenstücks. Dieser Eindruck wird durch die Figur der Putzfrau (Shirley Henderson) im Haus des Ehepaars noch verstärkt, die das Publikum im Sinne eines Pro- und Epilogs direkt anspricht und ihre erstaunlichen Weisheiten über Schmutz Preis gibt und intelligente Parallelen zum Zusammenleben zieht. Unterstützt wird diese Inszenierung ebenfalls durch die Wahl der Kameraperspektiven. Neben ungewöhnlichen, fast schon schrägen Perspektiven wandert die Kamera viel um die agierenden Personen und beleuchtet alle ihre Seiten. Die Darsteller nehmen diese Herausforderung an und präsentieren sich als ein ansehnliches Ensemble, welches nicht nur mit, sondern auch gegeneinander agiert.

    Möglich wurde die Realisierung dieses außergewöhnlichen Projektes nur, weil sämtliche Darsteller und die Crew zustimmten, unterhalb des Mindestlohns zu arbeiten und einige Strapazen in Kauf zu nehmen. Die Finanzierung hätte ohne diese Kompromisse nicht funktioniert. Aber diese Eingeständnisse zeigen deutlich, wie sehr sich das Team von diesem Projekt angesprochen fühlte und um eine Realisierung kämpfte. Fünf Minuten habe sie sich in den Gehirnen ihrer Mitmenschen umgeschaut und diese Themenvielfalt in einen Film gepackt, behauptet Sally Potter von ihrem Drehbuch. Genauso wirkt ihr Film. Sie erzählt von den Dingen, die alle Menschen irgendwann beschäftigen. Es gibt keine endgültige und allgemein verträgliche Lösung für die Probleme. Aber das heißt nicht, dass die Figuren aufgeben. Und so ist „Yes“ dann ein Film, wie der Titel es verspricht: einfach, zum Nachdenken anstoßend und grundsätzlich absolut lebensbejahend.

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