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    Invisible Waves
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Invisible Waves
    Von Andreas R. Becker

    Der Japaner Kyoji („Tadanobu Asano“, „Zatoichi – Der blinde Samurai“, „Electric Dragon 80.000 V“) arbeitet als Koch im Restaurant seines Bosses Wiwat (Toon Hiranyasup) in Macao, einer ehemaligen portugiesischen Kolonie in der Nähe von Hong Kong. Allerdings wird der Gourmetchef nicht nur für das Zaubern von Suppen und Desserts von seinem Brötchengeber angeheuert. Ein Auftragsmord steht zwischen den Zeilen der Speisekarte geschrieben, und zwar an Wiwats Angetrauter Seiko (Tomono Kuga), mit der Kyoji eine heimliche Affäre hat. Nachdem der Job erledigt ist, flieht der Nebenbuhler vor Justiz und Gewissen mit einem Kreuzfahrtschiff nach Phuket, in die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in Thailand. Seinen Gedanken kann er jedoch nicht davonlaufen und so wird er auf der Reise von allerlei merkwürdigen und rätselhaften Ereignissen verfolgt. Auch lernt er an Bord die mysteriöse Schönheit Noi (Gang Hye Jung) kennen, mit der er ein schuldgefühlstillendes Techtelmechtel anfängt. Nach der Ankunft trennen sich die Wege der beiden zunächst wieder und als sie sich wenig später erneut kreuzen, muss der Koch unerwartet eine alt-eingebrockte Suppe auslöffeln...

    Würde man nur das Drehbuch zu „Invisible Waves“ lesen, käme man möglicherweise auf die Idee, es handele sich dabei um eine Art Gangsterfilm. Schaute man wiederum vor allem auf den Mittelteil des daraus entsprungenen Filmes, wähnte man sich eher in einer Art Geistergeschichte, ebenso lassen sich eine Prise Lovestory und Slapstick entdecken. In erste Linie aber besticht die mit thailändischem und holländischem Geld produzierte Vision von Pen-ek Ratanuarang, der schon 1997 die Premiere seines Erstlingswerks „Fun, Bar, Karaoke“ auf der Berlinale feierte und nun dorthin zurückkehrte, nicht mit ihrer Geschichte, sondern durch eine hoch ästhetische Kameraarbeit. Der australische Kameragott Christopher Doyle, der bereits an der Seite von Wong Kar-Wai für 2046 und In The Mood For Love verantwortlich zeichnete und mit Hero ein unvergessliches Farbfeuerwerk hinterließ, macht auch diesmal mit seiner knapp 25-jährigen Erfahrung die Bilder zum zentralen Element des Films. Die uhrwerkartige Zusammenarbeit von Regisseur und Kameramann bei ihrem zweiten gemeinsamen Projekt (nach „Last Life In The Universe“) wird übrigens eine vermutlich geringe Ausbeute an geschnittenen Szenen auf einer DVD zur Folge haben: Letztlich sind rekordverdächtige neunzig Prozent der gemachten Filmaufnahmen auch im fertigen Film zu sehen. „That’s ‚Production Value’.“ (Christopher Doyle)

    In der Tat: Jede Einstellung, so hat man das Gefühl, gehört an ihre Stelle und ist bis ins Detail durchkomponiert nach den klassischen Regeln ästhetischen Bildaufbaus, der goldene Schnitt lässt herzlich grüßen. Wie schon in 2046 findet sich auch hier eine Szene in Phuket, in der über zwei Drittel der Bildfläche verdeckt sind und sich das eigentliche Geschehen in einem kleinen Fenster in der Ferne abspielt. Generell wird auch die Spannung von „Invisible Waves“ hauptsächlich visuell, wie z.B. durch eine auffällige Trennung von Vorder- und Hintergrund, erzeugt und viel weniger durch die eigentliche, stark zurückgenommene Handlung. Ratanaruang: “I don’t consider the story to be the most important thing.“ Gut so.

    Das geheimnisvoll-monotone Thema, mit dem gedämpfte Xylophonklänge diese Bilder untermalen, trägt sein Übriges zu der psychedelischen Stimmung bei, die in der Episode auf dem Kreuzfahrtschiff eine besondere atmosphärische Dichte und sinnliche Nähe zum Zuschauer entwickelt. Nachdem Kyoji feststellen muss, dass sich seine schäbige Kabine auf dem Luxusdampfer in unmittelbarer Nähe zum leise säuselnden Maschinenraum befindet, setzt er sich den vom Zimmerservice in freundlicher Voraussicht bereitgestellten Gehörschutz ein. Plötzlich ist auch die Tonspur des Films gedämpft und leise und das Gefühl, Kyoji auf dem scheinbar ausgestorbenen Schiff ganz dicht auf den Versen zu sein, erfährt eine instantane Verstärkung – der Kill Bill Vol. 2-Sarg für die Ohren.

    Trotz dieser temporären Nähe entwickelt man für den Protagonisten weder wirkliche Sympathien noch Antipathien. Asano spielt seine Rolle mit einer solch kontinuierlichen Emotionslosigkeit, dass er tatsächlich wie der von Selbstzweifeln geplagte Geist wirkt, als den er sich am Ende des Films selbst beschreibt. Kein gruseliger Geist, sondern ein schwacher und durchsichtiger, der von seinem moralischen Verstoß gegen das Verbot des Tötens immer wieder heimgesucht wird und der gewissermaßen gleichzeitig mit seinem Opfer selbst schon seelisch verstorben ist. So beobachtet ihn die Kamera dabei, wie er die pool- und palmengesäumte Urlaubslandschaft eines Edelhotels in Phuket ebenso wie die beklemmende, grau-grüne Leere eines Maschinendecks gleichgültig und geistesleer durchschreitet. Ein gleichsam neckisches wie funktionales Detail lässt sich in diesem Zusammenhang in einer kleinen Hommage an Stanley Kubricks King-Verfilmung „The Shining“ finden, denn sogar in seinem Hotelzimmer in Phuket wird Kyoji an seine Taten erinnert: Das Wort „Redrum“ ist in bekannter Manier an die Wand geschmiert. Es gibt kein Entrinnen vor der Vergangenheit: „Invisible Waves is about, among other things, how it serves you right to be miserable when you’ve done a bad thing. [It] is a story that goes against the mentality that supports the license to kill.” (Drehbuchautor Prabda Yoon)

    Letzteres wird auf subtile Weise vermittelt, denn vom Töten an sich ist über 115 Minuten nichts zu sehen oder zu hören: Kein Blut, keine Schreie. Lediglich geredet wird darüber und auch das nicht viel, sodass auch einige Teile der Handlung bis zuletzt nicht ganz klar werden und der Kombinationsgabe des geneigten Zuschauers obliegen.

    „Invisible Waves“ ist die asiatische Ausgabe eines modernen Film Noirs, der durch seine Unbestimmtheit vielerlei Lesarten zulässt. Eine Geister- und Gangstergeschichte über Tod und Töten, über Schuld und innere Selbstbestrafung – gibt es doch für die merkwürdigen Ereignisse auf dem Wasser keine logische, äußere Ursache. Am Ende, so scheint es, beschreibt Kyojis Reise den Stillstand in der Bewegung, der sich auch in der Gleichheit von Farbgebung und Architektur der Handlungsorte spiegelt: Ebenso wie Macao zu Beginn des Films, wird auch Phuket von einem Mix aus chinesischem und portugiesisch-kolonialistischem Baustil dominiert. Zusammen mit dem vielen Grün der Pflanzen, das an beiden Orten auffällt, verstärkt dies den Eindruck eines Teufelskreises, in dem Kyoji gefangen ist und aus dem er nicht auszubrechen vermag: Unzählige Kilometer Reise und doch sieht alles aus wie zuvor.

    Was es ist, das „Invisible Waves“ schließlich zum letzten Schliff fehlt, bleibt ungewiss. Zum einen macht das unverhoffte Brechen mit gewohnten Genregrenzen und den damit verbundenen Erwartungen zwar sicher eine Qualität von Pen-ek Ratanaruangs neuem Film aus, bildet jedoch paradoxerweise gleichermaßen einen Makel. Slapstickartige Szenen, in denen die bekannten Tücken von alltäglichen Gebrauchsgegenständen im Vordergrund stehen, mögen manch einem im Kontext des Films trotz oder gerade wegen ihrer Skurillität befremdlich erscheinen, auch kann sich hier und da mangels Handlungsfülle ein wenig Langeweile ausbreiten. Ein Ritt auf den unsichtbaren Wellen lohnt sich aber allein schon wegen der atmosphärischen Erfahrung einer ungewöhnlichen Schiffsreise allemal und wer sich in stillen Wassern treiben zu lassen liebt, wird bestimmt auch noch mehr darin finden.

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