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    Tierisch wild
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tierisch wild
    Von Christoph Petersen

    Nach den Vertragsquerelen mit den Pixar-Studios und der folgenden Schließung der 2D-Zeichentrickabteilung zu Gunsten der Computeranimation, ist die Abenteuerkomödie „Tierisch wild“ nun der zweite computergenerierte Film, den Disney aus der eigenen Produktion in die Kinos bringt. Aber dachte man nach dem ersten Ausflug ins neue Genre – mit dem unterirdischen Himmel und Huhn – noch, Disney hätte besser bei seinen erfolgreichen Wurzeln bleiben sollen, ist mit „Tierisch wild“ nun zumindest ein äußerst unterhaltsamer Spaß für Groß und Klein gelungen. Und auch wenn Disney qualitativ noch immer eine ganze Ecke von den Genre-Highlights „Toy Story 2“, Die Unglaublichen oder Shrek entfernt ist, ist ein erster gewaltiger Schritt in die richtige Richtung gemacht.

    Wenn abends die Lichter im New Yorker Zoo ausgeschaltet werden, übernehmen die Tiere das Terrain. Allen voran der Star des Zoos – der legendäre Löwe Samson. Aber der Ruhm hat auch düstere Seiten: Samsons rebellischer Sohn Ryan, der nie aus dem Schatten seines Vaters heraustreten konnte, kommt einfach nicht damit klar, dass er nicht wie sein fabelhafter Vater aus der Wildnis stammt und auch nicht so gut brüllen kann wie sein großes Vorbild. Als Samson und seine Freunde – das draufgängerische Eichhörnchen Benny, der Merchandise-Superstar-Koala-Bär Nigel, die 21-Fuß-lange Anakonda Larry und die zickige Giraffe Bridget – sich zu einer wichtigen Partie Schildkröten-Curling gegen die Pinguine ins Stadion aufmachen, geht Ryan, um sich und seinem Vater zu beweisen, wie wild er ist, auf Gazellenjagd. Dabei löst er eine Stampede aus, die alle Tiere des Zoos in große Gefahr bringt.

    Zwar bringt sein Vater wieder alles ins Lot, aber trotzdem zieht Ryan sich aus Scham in einen merkwürdigen grünen Container zurück, der auf einmal anfängt, sich zu bewegen und auf einen Lastwagen verladen wird. Sofort machen sich Samson und sein Team auf, um Ryan zurückzuholen. Dazu müssen sie zunächst einmal die Wildnis, die sich New York nennt, durchqueren, um dann mit einem Schiff auf eine wirklich wilde, von einem Vulkanausbruch bedrohte Insel zu schippern. Dort angekommen, stellt sich ihnen Kazar, der religiöse Führer einer Gnu-Sekte, der durch die Verspeisung eines Löwen an die Spitze der Nahrungskette aufsteigen möchte, entschlossen in den Weg. Aber auch ein dunkles Geheimnis aus Samsons Vergangenheit droht die Versöhnung mit seinem Sohn zu gefährden…

    Man muss es zumindest mal ansprechen: Das Ganze klingt doch sehr nach dem Animations-Erfolg Madagascar, in dem sich auch ein Löwe und eine Giraffe aufgemacht haben, um die Wildnis zu erobern. Aber zu Disneys Verteidigung muss man doch anmerken, dass die Produktionszeiten bei computeranimierten Filmen elend lang sind und deshalb das Drehbuch von „Tierisch wild“ schon lange fertig war, bevor Madagascar seinen Siegeszug durch die Kinos startete. Auch der visuelle Stil st ein komplett anderer: Wo bei Dreamworks auf ein comichaftes Aussehen der Charaktere gesetzt wurde, legt Disney mehr Wert auf ein realer wirkendes Erscheinungsbild – sprich feiner detailliertes Fell und weniger große Flächen. Weil man solch eine Herangehensweise bisher eher von solchen Real-Trickfilmen wie Stuart Little 2 oder „Cats & Dogs“ als von komplett animierten Filmen gewohnt ist, wirkt der Stil die ersten paar Minuten – wie ja eigentlich alles Neue – gewöhnungsbedürftig, entwickelt dann aber ohne Frage seinen ganz eigenen Charme.

    So wunderbar in „Tierisch wild“ die Sidekick-Charaktere gelungen sind, so schwach sind seine Hauptfiguren, das Vater-Sohn-Löwen-Gespann. So lustig, charmant, unterhaltsam es auch ist, wenn das kleine Eichhörnchen Benny versucht, seiner angebeteten Giraffenliebe Bridget eine Kette aus Zuckerbonbons umzulegen und diese nur kühl erwidert: "Starr nicht so auf meine Punkte, meine Augen sind hier oben.", so langweilig und spannungsarm ist der Konflikt zwischen Samson und Ryan geraten. Nicht nur, dass man die gleichen Charaktere in Disney-Filmen schon hundert mal gesehen hat, zudem werden ihre gefühlvollen Szenen auch noch unnötig mit übertrieben-schmalzigen Songs (am schlimmsten: „Good Enough“ von Lifehouse) verkitscht.

    Ist die Ausarbeitung der Figuren von unterschiedlicher Qualität, sind die Sprecher – zumindest in der englischen OV-Fassung – durchgehend erste Klasse. Kiefer Sutherland (Eine Frage der Ehre) gibt den König der Tiere Samson genau mit der richtigen Mischung aus heroischer Größe und leisem Selbstzweifel in den ruhigeren Momenten. Für das liebenswert-optimistische Eichhörnchen Benny ist die Wahl von Komiker James Belushi (Thief), der mit einem leichten New Yorker Ghettoslang operiert, schlicht und einfach perfekt. Auch der englische Stand-Up-Comedian Eddie Izzard, der den herrschsüchtigen Koala Nigel mit einem Londoner Straßen-Slang spricht, und Jeneane Garofalo (Stay, Dogma), die Giraffe Bridget den für all ihre Rollen typischen harschen Charme verpasst, leisten ganze Arbeit. Absoluter Geheimtipp bleibt aber der ehemalige Captain-Kirk-Darsteller William Shatner, der als Musical-Choreograph-Gnu Kazar an seine superlustige Rolle als schwuler Schönheitswettbewerbs-Veranstalter in den Miss Undercover-Filmen anknüpft.

    Wirklich gute Animationsfilme funktionieren, wie Pixar es seit Jahren vormacht, auf zwei Ebenen – eine für die Kinder, eine für die Erwachsenen. Für die Kleinen gibt es in "Tierisch wild" körperlichen Humor en masse. Dabei geht der Film mit vom Lastwagen fallenden Eichhörnchen, wegen einem Eimer über dem Kopf orientierungslos umherirrenden Koala-Bären oder Musical-Nummern tanzenden Gnus nicht unbedingt neue Wege, für reichliches Kinderlachen und unterhaltsame eineinhalb Stunden reicht es aber allemal. Für die Erwachsenen gibt es unerwartet intelligenten Wortwitz. Vor allem die ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Benny und Bridget sowie die religiösen Hintergründe der Gnu-Sekte bieten allerlei Anlass für sehr lustige und gar nicht mal so dumme Gags. Wie gesagt, gehört „Tierisch wild“ nicht zu den ganz Großen seiner Zunft, aber für Animations-Fans oder Familienausflüge ins Kino ist der Film bestens geeignet.

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