Einige Sätze zu diesem großartigen Film muss ich an dieser Stelle loswerden, wird die Kritik von Andreas R. Becker diesem nämlich in keinster Weise gerecht.
Der entscheidende Satz - vom Rezensent genannt - ist: "„A laughing jury is not a hanging jury".
Lumets Ansatz, das Gerichts-Drama (in diesem Genre verortet der Regisseur seinen Film) in unterhaltendem und humorigem Stil darzustellen, ist ein kongenialer Einfall. Denn will Lumet den Zuschauer nicht selbst auf die Geschworenenbank setzen und ihm die charismatische Kraft, die sympathische, witzige Art des Schwerverbrechers aufzeigen, die das Rechtsempfinden, die Moral und Werte der Geschworenen korrumpiert? Der Brechtsche Fingerzeig, die in Moralin getränkte Empörung des Rechtschaffenen erklärt diesen Film, dieses Urteil, skandalöse Freisprüche UND Verurteilungen durch Geschworenengerichte nicht!
Andreas R. Becker wirft dem Film die "gezielte (Ab-)Lenkung der Emotionen des Zuschauers und Verklärung von Sachverhalten dient" vor. Meiner Meinung nach hat er damit den Film und das Anliegen Lumets dramatisch missverstanden.
Denn dessen Erzählweise deckt doch genau - und das auf sehr subtile Art und Weise - die Ungerechtigkeit eines solchen Justizsystems auf. Jackie Dee´s Instrument ist die (Ab-)Lenkung der Emotionen des Zuschauers (also des Geschworenen) und die Verklärung von Sachverhalten (die Verbechen von Jackie und den anderen Gangstern). So wie Jackie Dee nur als Gagstar die Jury erreichen kann, macht Lumet dies logischerweise zum Leitprinzip von "Find Me Guilty". Schließlich war es Lumets Ziel, die Geschichte möglich autentisch zu erzählen und den Freispruch zu erklären:
"A laughing jury is not a hanging jury".
Insofern ist "Find Me Guilty" die sehr gelungene Fortsetzung von "Die 12 Geschworenen" und eine überdeutliche Kritik am amerikanischen Rechtssystem dazu.
Fahrlässig ist überdies folgende Aussage des Rezensenten: "Wieviel auch immer von den Geschehnissen im Film nun wahren Begebenheiten entspricht oder zu Unterhaltungszwecken leicht angepasst wurde, sei dahingestellt."
Um dem Regisseur dann aber vorzuwerfen, er würde durch die "Art der Charaktere" den Zuschauer manipulieren.
Mal abgesehen davon, dass ein Großteil der Dialoge quasi per copy&paste von den Gerichtsakten ins Drehbuch übertragen wurden. Woher kennt der Rezensent die wahre "Art der Charaktere" der realen Vorbilder des Films? Weckte nicht der reale Jackie Dee vielleicht dieselben Sympathien beim Gerichtszuschauer wie Vin Diesel beim Filmzuschauer? Vermutlich. Die Jury entschied sich binnen 14 Stunden (!!!) für nicht schuldig in einem Prozess, der zwei Jahre ihres Lebens bestimmt hatte.
War der Staatsanwalt vielleicht ein Unsympath wie im Film und führte dieser paradoxe Antagonismus (sympathischer, liebenswerter Schwerverbecher versus unsympathischer, verzweifelt aggressiver Staatsanwalt)zum gefühlsbeladenen 14 Stunden Urteil? Möglich.
Jedenfalls darf man sich über die Darstellung der Charaktere nicht echauffieren und im gleichen Atempzug den Vorwurf der Manipulation aussprechen, wenn man dies erstens nicht durch Wissen über die realen Charaktere widerlegen und zweitens die genaue Faktenlage als hinfällig abtut.
Um mal zum Punkt zu kommen: Ich ärgere mich über die 4 Punkte und die Einstufung als "Mainstream-Produkt". Denn das wird - um den Kreis zu schließen - dem vielschichtigen Film einfach nicht gerecht.