Lange mussten die Kinozuschauer auf einen neuen Film mit Superstar Harrison Ford warten. Seit Hollywood Cops im Jahr 2003 hat Ford erstmal keinen Film mehr gemacht. Bis nun der Thriller „Firewall“ in die Kinos kommt, in dem der Schauspieler unter der Regie von Richard Loncraine seine Fähigkeiten wieder voll einsetzt.
Der Computer-Sicherheitsexperte Jack Stanfield (Harrison Ford) arbeitet seit 20 Jahren für die Landrock Pacific Bank und kann eine steile Karriere und eine blütenweiße Weste vorweisen. Nun steht die Fusion von Landrock mit einer größeren Bank an, deren Sicherheitschef Gary Mitchell (Robert Patrick) mit Jack auf Kriegsfuß steht. Jacks Freund und Kollege Harry (Robert Forster) organisiert daraufhin ein Treffen mit einem Vertreter der Konkurrenz (Paul Bettany), um andere Angebote auszuloten. Pech für Jack: Der angebliche Unternehmer entpuppt sich als der abgebrühte Ganove Bill, der mit seinem Team Jacks Frau Beth (Virginia Madsen) und die beiden halbwüchsigen Kinder Sarah (Carly Schroeder) und Andy (Jimmy Bennett) gekidnappt hat. Jack soll ihnen helfen, seinen Arbeitgeber um 100 Millionen Dollar zu erleichtern. Nur durch einen virtuellen Einbruch ist diese Summe zu beschaffen. Während die resolute Beth versucht, ihre Kinder zu retten, muss Jack nach Bills Regeln spielen. Die pfiffige Assistentin (Mary Lynn Rajskub) muss entlassen werden, weil Bill ihr suspekt vorkommt, die Computeranlagen werden ausspioniert. Leider entpuppt sich der virtuelle Diebstahl als nicht so einfach. Aber Jack läuft die Zeit davon, denn die Gangster werden immer nervöser und machen auch vor Übergriffen auf seine Familie nicht mehr halt.
Die Rolle des gehetzten Familienmenschen, der in einer Extremsituation über sich hinauswachsen muss, ist Harrison Ford einfach auf den Leib geschrieben. Seit „Air Force One“ und Auf der Flucht stellt diese Art der Figureninterpretation keine Herausforderung mehr für den inzwischen 63-jährigen Schauspieler dar – und das Publikum sieht ihm immer gern dabei zu. So fährt Ford auch als Jack Stanfield alles auf, was ihn zu einem so beliebten Star macht: sein intensives Spiel, die stets unruhig umherwandernden Augen, seine Ausbrüche und seine Bereitschaft, viele Stunts selbst zu machen. Wie schon in „Das Kartell“ bleibt die Kamera auf Fords Gesicht, wenn er in den Dreck geschleudert wird oder sich vor einer Explosion duckt. Er ist immer präsent und lässt seine Figur so einiges einstecken, für das er auch persönlich seinen doch nicht mehr ganz so jungen Körper hinhält. Diese ständige Leinwandpräsenz macht ihn zum unangefochtenen Träger von „Firewall“, der dem Zuschauer zum Bezugspunkt wird und trotz aller Computerszenen am Ende in einer ordentlichen Schlägerei selbst Hand anlegt. Ihm gegenüber steht mit Paul Bettany (Wimbledon, Ritter aus Leidenschaft, A Beautiful Mind, Master And Commander) ein guter Schauspieler mit hervorragenden Qualitäten für die Verkörperung des Bösewichts: Die Kälte, Abgeklärtheit und überhebliche Art des stereotypischen Antagonisten bringt der junge Brite mit viel Elan auf die Leinwand, so dass man sich schon auf seine Darstellung des mörderischen Mönchs im „The DaVinci Code“ im kommenden Sommer freut. Bis in die letzte Nebenrolle hat sich ein gutes Ensemble gefunden. Von Virginia Madsen (Sideways, „Der Regenmacher“) bis hin zum Schauspiel-Urgestein Alan Arkin (Gattaca, Glengary Glen Ross) fügen sich die positiven Eindrücke nahtlos aneinander.
Diese Eindrücke leiden allerdings unter der Entwicklung der Story. Was auch filmisch als guter Thriller beginnt, wird spätestens ab der Hälfte der Laufzeit zu einem stumpfen, nach konservativstem Strickmuster fabriziertem Filmchen. Dabei beginnt alles ganz viel versprechend. Der Vorspann unterlegt unscharfe Überwachungskameraaufnahmen der Stanfield-Familie mit dumpfen Rhythmen, die an einen Herzschlag erinnern und Beobachtung und Spannung suggerieren. Die Szene, in der Beth und die Kinder brutal gekidnappt werden, wird kontrastreich mit den Sequenzen von Jacks After-Work-Drink mit Kollegen gemischt. Danach hingegen werden solche kreativen filmischen Elemente zur Mangelware. Regisseur Loncraine (Wimbledon, „Mein Haus in Umbrien“, Richard III) lässt kurz aufblitzen, was möglich ist, und verfällt dann in einen platten Erzählstil. Die Geschichte entwickelt sich leider nach allzu bekanntem Muster: Alle Fluchtversuche der ersten Filmstunde scheitern, die Entführer erscheinen übermächtig und immer einen Schritt voraus. Das wirkt in der Umsetzung von „Firewall“ zwar noch relativ spannend, sobald Jack aber doch etwas mehr Initiative übernimmt, verhalten sich seine Gegenspieler plötzlich unvorsichtig und teilweise dumm, entwickeln aus dem Nichts ein Gewissen, und Kollege Zufall greift dem ehrbaren Sicherheitschef hin und wieder mal unter die Arme. Zum Ende hin wird dieser Stil quasi überstrapaziert, der Schlussakt verkommt zu einer pathetischen Lobpreisung der konservativen Familientradition und einer Inszenierung des anständigen amerikanischen Do-it-yourself-Geistes, ganz im Sinne von Krieg der Welten – und führt beim deutschen Publikum eher zu müdem Lächeln als übertragenem Stolz.
Zusätzlich zu diesem Spannungsabfall wird der Schauwert noch durch erstaunlich schlechtes Product Placement gemindert. Wer Jessica Biels Auftritt in Blade: Trinity für die Krone auffällig-mieser ipod-Werbung hielt, könnte bei „Firewall“ eines Besseren belehrt werden – oder besser gesagt: eines Schlechteren, denn das gute Stück speichert ärgerlicherweise „10.000 Songs oder 10.000 Kontonummern“. Auch ein namhafter Computerhersteller platziert seine Geräte mit dem Markennamen voraus auf jeden Schreibtisch. Aber irgendwie muss das Produktionsgeld ja wieder hereingeholt werden. Schade, dass sich dieser Film für solch plattes Sponsoring hergibt. Die schönen Landschaftsaufnahmen und sorgfältig ausgewählten Sets (allen voran das Haus der Familie Stanfield) fallen in ihrem Aufmerksamkeitswert leider etwas hinter die Produktaufnahmen zurück. Dennoch bringen sie einen angenehmen Teil der Atmosphäre zurück, die in einen echten Thriller gehört. Der Regen, die Straßenschluchten, die Bürogebäude und das abgelegene Haus am See erzeugen ein schönes Maß an wohlig-schauriger Stimmung.
Dennoch reichen das ausgezeichnete Schauspiel und die schönen Bilder nicht aus, um „Firewall“ vor der Mittelmäßigkeit zu retten, was bei dieser Ansammelung von Talent eine herbe Enttäuschung ist. Natürlich kann ein Star wie Harrison Ford die Menschen fast aller Altersgruppen ins Kino locken und mit seinem Namen für einen guten Thriller werben. Ob diese Zuschauer das Kino zufrieden verlassen, liegt aber noch mehr am Drehbuch und der Geschichte, die es erzählt. Im Fall von „Firewall“ bedeutet das, dass gerade in der zweiten Filmhälfte die Anzahl der Zufriedenen erheblich sinken wird. Für alles andere entschädigt ein starker Harrison Ford.