Ich sah den Film im Fernsehen. Der Titel zog mich an: Maria, voll der Gnade: das klang katholisch und erinnerte mich an das Fest Mariä Empfängnis oder an die Verkündigung durch den Erzengel Gabriel, dass Maria ein Kind empfangen wird. Zur Symbolik gehört, dass die Maria im Film tatsächlich schwanger ist und diese Tatsache ihr Leben völlig verwandelt. Als sie die Plastikampullen mit Drogen schluckt, erinnert dies an die Einnahme der Hostie durch den Priester, obwohl dies natürlich eine blasphemische Parallele ist. Dazu kommen die rund 60 kleinen Säckchen ganz nah neben das werdende Kind zu liegen, was ihre naive Freundin später im Streit zu dem Ausruf veranlasst, wie Maria Drogen schlucken könne, wenn sie schwanger sei. Die Schwangerschaft bewirkt letzlich, dass sie nicht auffliegt, da man keine Röntgenaufnahme von ihr macht. Dagegen wir später eine Ultraschalluntersuchung gemacht, die den Embryo deutlich zeigt und Maria vor Freude die Tränen in die Augen treibt. Faszinierend an diesem Film ist vor allem die Hauptdarstellerin, die eine Art von Schönheit besitzt, die etwas von der Würde der Mariengestalt besitzt. Dies wird u. a. deutlich, als sie außer dem eigenen Honorar auch das Honorar der umgekommenen Freundin verlangt und der abgebrühte junge Händler vor ihr steht und sie mit dem Gassenausdruck des weiblichen Geschlechtsorgans beschimpft. Es ist, als wenn er an ihrer Würde und unnahbaren Schönheit abprallt. Ohne dass je die kriminelle Handlung als solche gerechtfertigt wird, nämlich Drogen zu transportieren, die ungezählten Menschen Leid bringen werden, ist es, als wenn die Trägerin dieser Tod bringenden Kapseln, die zugleich neues Leben im Leib trägt, davon unberührt bleibt. Als sie am Sarg der verunglückten Freundin steht, hat man das Gefühl, dies ist ihr anderes Ich, noch im Tod wunderschön und unschuldig. Maria nimmt gewissermaßen das Vermächtnis dieser "anderen Maria" mit, ohne die sie ihren Weg nicht fast unbeschadet überstanden hätte. Einer der wahrhaftigsten Filme, die ich gesehen habe.