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    Stage Beauty
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Stage Beauty
    Von Alina Bacher

    Nachdem das Kinojahr 2005 vor allem durch große Science-Fiction-Spektakel und Comicverfilmungen auf sich aufmerksam gemacht hat, kommt nun mit „Stage Beauty“ ein Genre an den Start, das seit Shakespeare In Love von der Kinoleinwand fast gänzlich - von Vanity Fair und Der Kaufmann von Venedig einmal abgesehen - verschwunden gewesen ist: Das kostümreiche Historien-Drama ist zurück. Bunte Edelgewänder, abgedrehte Monarchen und eine wunderschöne Altstadtkulissen sind die Grundlagen für einen solchen Film. „Stage Beauty“ bietet zwar herausragende Schauspielleistungen, ähnelt allerdings ein wenig zu oft dem Vorgänger „Shakespeare in Love“.

    London um 1660: Die strenge Herrschaft der Puritaner ist vorüber und King Charles II als rechtmäßiger Herrscher aus seinem Exil zurück auf den Thron gekehrt. Endlich kann das Volk wieder in den Genuss des Theaters kommen. Der Star seiner Zeit ist Ned Kynaston (Billy Crudup). Aus dem einstigen Gossenjungen ist eine Schauspieldiva voller Starallüren geworden. Das Besondere an Ned: Er ist auf Frauenrollen abonniert, denn Frauen war es damals strikt untersagt, auf der Bühne zu stehen. Doch auch hinter der Bühne ist sich Ned nicht so ganz sicher, was er denn nun wirklich ist. Sein Liebhaber, der Duke of Buckingham (Ben Chaplin), liebt ihn nur als Frau und auch seine weiblichen Fans schwärmen für den weiblichen Ned. Die Einzige, die Ned so liebt, wie er ist, ist seine Garderobiere Maria (Claire Danes). Doch Ned ist viel zu sehr in sich selbst verliebt, als dass er Marias wahre Gefühle erkennt. Mitten in dieser Identitätskrise und auf den Höhepunkt seiner Karriere bricht Neds Scheinwelt im Rampenlicht plötzlich zusammen. Maria, die heimlich Neds Rolle in Othello geprobt hat, spielt selbst in einer kleinen Aufführung. Als König Charles (Rupert Everett) davon erfährt, ändert er das Gesetz: Sämtliche weiblichen Theaterrollen dürfen und müssen mit Frauen besetzt werden. Über Nacht wird Maria zum Star und Ned verschwindet in der Versenkung. Doch Maria gibt ihre große Liebe nicht so leicht auf und macht sich auf die Suche nach der einstigen Schauspiellegende…

    „Gut ist ein Film erst dann, wenn er selbst zum Leben erwacht ist“, sagt Regisseur Richard Eyre über die Kunst des Filmemachens. Dass diese Aussage stimmt, hat Eyre bereits mit Iris bewiesen. Auch mit „Stage Beauty“ konnte der Theaterguru einmal mehr zeigen, dass er sein Handwerk versteht. Die Liebe zur Bühne ist dem Film anzumerken, denn Eyre setzt, neben einer wunderschönen Kulisse, besonders auf die Schauspielleistung seiner beiden Hauptdarsteller. Und die haben einiges zu bieten.

    Obwohl mit Claire Danes und Billy Crudup zwei Amerikaner als „Briten“ an den Start gehen, ist im englischen Original davon fast nichts zu hören. Viel wichtiger als der Akzent ist jedoch die wahre Ausdruckskraft der Darsteller. Claire Danes, die bereits in „Romeo und Julia“ ihr Shakespeare-Können unter Beweis gestellt hat, bringt die Rolle der jungen Maria Hughes voller Leidenschaft und jugendlichem Charme auf die Leinwand, wird allerdings von Billy Crudups Performance in den Schatten gestellt. Ohne Zweifel ist die Rolle des Ned Kynaston keine einfache, denn Crudup muss sowohl als Frau, als auch als Mann überzeugen. Das gelingt ihm perfekt. Die Darstellung eines bisexuellen Schauspielers in der Identitätskrise könnte nicht besser gewesen sein. Ohne Crudup in der Hauptrolle hätte „Stage Beauty“ schnell zu einer Persiflage seiner selbst werden können, schwebt aber dank Crudups Interpretation des Ned Kynaston immer zwischen Drama und romantischer Komödie. Ohne Zweifel kann „Stage Beauty“ mit zu Crudups besten Auftritten gezählt werden. Rupert Everett, seines Zeichens waschechter Engländer, liefert mit seinem König Charles II eine herrlich übertriebene und komische Darstellung ab und verleiht dem Film eine typisch britische Note. Die Nebenrollen sind gut besetzt (ausschließlich von britischen Schauspielern wie Ben Chaplin und Tom Wilkinson), aber die Charaktere zu oberflächlich und zweidimensional angelegt.

    Da „Stage Beauty“ auf einem Theaterstück („Compleat Female Stage Beauty“) beruht, ist es interessant zu wissen, dass der Autor des Stücks, Jeffrey Hatcher, auch für das Drehbuch verantwortlich war. Die Handlung ist einfach gestrickt und orientiert sich an „Shakespeare In Love“. In manchen Szenen stellt sich der Zuschauer sicher die Frage, ob er nun wirklich in „Stage Beauty“ oder wohl doch im Vorgängerfilm „Shakespeare in Love“ sitzt. Schon einmal beim Thema angekommen: Kann „Stage Beauty“ den Vergleich mit „Shakespeare In Love“ standhalten? Ja, kann er, denn trotz der vielen Gemeinsamkeit, sind die beiden Filme vom Themenschwerpunk verschieden. Während Gwyneth Paltrow und Joseph Fiennes eher um ihre Liebe gekämpft haben, dreht sich „Stage Beauty“ um den Kampf nach Anerkennung und die Suche nach der wahren Identität. Wann ist ein Mann ein Mann, eine Frau eine Frau und vor allem, sind wir nicht alle ein wenig von beiden? Auf diese Frage sucht Ned Kynaston eine Antwort und muss einsehen, dass es nicht so einfach ist genau diese zu finden. Die Kostüme sind, wie in vielen anderen Historienfilmen, farbenprächtig und fantasievoll. Besonders Billy Crudup in Frauenkleidern, mit Make-Up und Lockenperücke, ist wunderbar gestaltet und um ehrlich zu sein, manch heutiger Travestiekünstler könnte es nicht besser. Dass die Kostüme denen aus „Shakespeare In Love“ ähneln, ist kein Zufall, denn sie stammen aus der Schneiderei von Lisa Westcott, die für „Shakespeare In Love“ 1998 bereits mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

    Inwiefern „Stage Beauty“ nun wirklich historisch korrekt ist, ist schwer zu sagen. Tatsache ist, dass Margaret „Maria“ Hughes von Historikern für eine der ersten Schauspielerinnen auf englischen Bühnen gehalten wird. Belegt ist auch, dass es Ned Kynaston tatsächlich gegeben hat. Doch ob die beiden sich jemals getroffen haben, ist unbekannt. Die historischen Hintergrundfakten, wie König Charles II Vorliebe für Theater und das 18 Jahre dauernde Auftrittsverbot, das unter der strikten puritanischen Herrschaft Oliver Cromwells verhängt wurde, können in Geschichtsbüchern nachgeschlagen werden. Trotzdem stört irgendetwas bei „Stage Beauty“. Was das genau ist, dass ist schwer zu sagen. Vielleicht liegt es wirklich einfach daran, dass die Geschichte im Wesentlichen schon mal da gewesen zu sein scheint. Auch wenn „Shakespeare In Love“ grundsätzlich einen anderen Themenschwerpunkt hat, in beiden Filmen geht es um das Leben auf und hinter der Bühne, in beiden Filmen haben wir ein Schauspielerpärchen, die Kostüme sind fast identisch, auch die Filmmusik klingt gleich und Shakespeare ist allgegenwärtig.

    Letztendlich bleibt zu sagen, dass „Stage Beauty“ zwar ein auf allen Ebenen gelungener Film ist, allerdings neben „Shakespeare in Love“ wie eine Kopie wirkt. Zwar eine etwas ernstere, in der die Romantik nicht im Mittelpunkt steht, sondern die Identität und sexuelle Zweideutigkeit, aber dennoch eine Kopie. Wer „Shakespeare In Love“ gemocht hat, der wird auch an „Stage Beauty“ Gefallen finden. Für Billy-Crudup-Fans ist der Film ein Muss, denn er liefert ohne Zweifel mit eine seiner besten Performances ab. Schlussendlich: Unter all den Comicverfilmungen, Horrorstreifen und Science-Fiction-Epen des Kinojahrs 2005 ist „Stage Beauty“ eine willkommene Abwechslung mit historischem Hintergrund, die allerdings auch unter dem Titel „Shakespeare In Love 2“ hätte laufen können.

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