Robert DeNiro zählt zu den begnadetsten Schauspielern der Welt. Das dürfte kaum jemand in Frage stellen, doch sein altes Problem der scheinbar beliebigen Rollenauswahl wird der gebürtige New Yorker einfach nicht los. Nach seiner Flopserie „City By The Sea“, „Reine Nervensache 2“ und „Godsend” landete die Legende mit dem „Meine Braut, ihr Vater und ich“-Sequel „Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich“ den größten Kassenhit der Karriere. Nach diesem Highlight geht es mit „Hide And Seek“ wieder bergab. John Polsons lahmender Mystery-Thriller bietet neben schöner Optik so herzlich wenig Neues und Interessantes. Der Film besteht lediglich aus altbekannten Versatzstücken des Hollywood’schem Drehbuchbaukastens für 08/15-Horror-Thriller und ist zudem noch erschreckend spannungsarm. Viel gewollt, wenig erreicht – „Hide And Seek“ wirkt wie eine Schmalspurversion von „The Sixth Sense“.
Die kleine Emily Callaway (Dakota Fanning) erleidet nach dem Selbstmord ihrer Mutter Alison (Amy Irving) ein Trauma. Sie spricht kaum noch mit ihrem Vater David (Robert DeNiro), dem sie unbewusst die Schuld am Freitod ihrer geliebten Mutter gibt. Der Psychiater schlägt den Rat der befreundeten Kinderpsychologin Katherine (Famke Janssen) aus und zieht mit seiner Tochter von New York in ein kleines Dorf eine Stunde Fahrt außerhalb. Emilys Zustand verschlechtert sich zusehends. Sie erfindet einen imaginären Freund namens Charlie. Der ist alles andere als harmlos, wie David am Anfang noch vermutet. Es häufen sich schockierende Ereignisse. Die Katze der Callaways liegt eines Tages ertränkt in der Badewanne, über der eine mysteriöse Botschaft an die Wand geschrieben ist - und Emily steht direkt daneben, als David dies entdeckt. Sie beteuert jedoch, dass Charlie es getan habe. Als sich ihr Vater mit der hübschen Elizabeth (Elisabeth Shue) anfreundet, ist Emily eifersüchtig und der wahre Albtraum beginnt erst. Denn Charlie spielt gern Verstecken (Hide And Seek), was für einige tödlich endet...
Eigentlich hätten beim Namen John Polson alle Alarmglocken Sturm läuten müssen. Das Schaffen des Australiers beschränkte sich auf der großen Leinwand bisher lediglich auf den miserablen Teenie-Thriller „Swimfan“ und die Indie-Produktion „Siam Sunset“. Begonnen hat Polson seine Karriere als Schauspieler, sein Höhepunkt war eine Nebenrolle in John Woos erfolgreicher, aber missratener Action-Kirmes „Mission: Impossible 2“. Was Polson nun letztendlich für „Hide And Seek“ qualifizierte, ist für Außenstehende unklar. Leider belehrt er die Nörgler nicht eines Besseren. Die Hauptschuld am Scheitern des Films darf sich der Regisseur allerdings mit Drehbuchautor Ari Schlossberg („Lucky 13“) teilen. Zwar ist die Exposition, die Einführung der Charaktere, sehr sauber und ausführlich, dafür aber bereits sehr langatmig und komplett spannungsfrei. Doch wer nach Art von „The Sixth Sense“ darauf wartet, dass Polson die Spannungsschraube langsam anzieht, um den Zuschauer immer tiefer in den Kinosessel zu drücken, wird bitter enttäuscht.
Optisch ist „Hide And Seek“ sehr schick und recht stimmungsvoll, doch das bringt beim Abspulen der bekannten Klischees im Endeffekt wenig. Wer in den vergangenen Jahren das ein oder andere Mal im Kino war, wird sich früh ausrechnen können, wer im Laufe der Handlung ins Gras beißen muss. Überraschungen? Keine. Der große Storytwist, auf den der Film im Stil von „Das geheime Fenster“ eine gute Stunde lang unbeirrt zusteuert bzw. eher langsam zutrottet, ist nicht halb so clever, wie es sich die Macher gewünscht hätten. So what? Aha, so ist das also. Das verbirgt sich hinter Charlie, wird der Zuschauer denken, ohne auch nur ansatzweise so begeistert zu sein, wie bei „The Sixth Sense“, bei dem Regisseur M. Night Shyamalan mit der Schlusspointe für den wohl größten Abfall von Zuschauer-Kinnladen in der Filmgeschichte sorgte. Da „Hide And Seek“ seine gesamte Storykonstruktion auf diesen Twist auslegt und der nur halbherzig funktioniert, erleidet der Film damit gleichfalls Schiffbruch. Auch „The Sixth Sense“ war bei exaktem Nachdenken nicht wirklich logisch, aber beim ersten Gucken funktionierte es grandios. Davon kann bei „Hide And Seek“ keine Rede sein, der Film weist ganz offensichtlich eine Fülle von logischen Ungereimtheiten auf.
Die Plumpheit des Doppels Polson/Schlossberg zeigt sich auch beim Auslegen der falschen Fährten. Die sind so überdeutlich zu erkennen, dass sie niemals zum Mörder führen können. Diese Holzhammerfiligranität kennzeichnet den ganzen Film. Was haben exzellente Darsteller wie Robert DeNiro („Heat“, „Der Pate II“), Dakota Fanning („Mann unter Feuer“, „Uptown Girls“, „Ich bin Sam“), Famke Janssen („X-Men“, „X-Men 2“, „Sag´ kein Wort“), Elisabeth Shue („Leaving Las Vegas“, „Hollow Man“, „Harry außer sich“), Dylan Baker („Kinsey“, „Spider-Man 2“, „Thirteen Days“) und Amy Irving („Traffic“, „Harry außer sich“) eigentlich in so einem Film zu suchen? Diese Frage lässt sich nicht zufriedenstellend beantworten. DeNiro liefert eine Standardvorstellung, ohne großartig zu glänzen. Diese Rolle hätte auch jeder andere halbwegs talentierte Schauspieler übernehmen können. Dakota Fanning ist dagegen schon ein bisschen mehr gefordert und zeigt einmal mehr, wie hochbegabt sie ist. Ihr Charakter ist mit Abstand am interessantesten und gibt die meisten Rätsel auf. Mit dunklen Rändern unter den Augen wandelt Fanning fast schon apathisch durch den Film und schafft es dadurch, so etwas wie Atmosphäre und Nervenkitzel aufkommen zu lassen. Die restliche Starrriege erfüllt solide ihre Klischeefunktion im Storykonstrukt.
Was fehlt „Hide And Seek“ zu einem guten, mitreißenden Film? Besonders eklatant fällt die Spannungsarmut und Vorhersehbarkeit der Abläufe ins Gewicht. Keine Idee ist wirklich neu oder auch nur clever variiert. So schleppt sich das Star-Vehikel leidlich unterhaltsam über die Runden. Angesichts des interessanten Grundthemas und der exzellenten Besetzung war von „Hide And Seek“ wesentlich mehr als ein Mystery-Thriller zu erwarten, der sogar das Minimalziel verfehlt, dem Publikum auf passablem Niveau das Fürchten zu lehren… Und Robert DeNiro? Der macht sich um seine Rollenauswahl auch weiterhin keine Sorgen und dreht trotz seiner Prostatakrebserkrankung wie ein Besessener. In Spanien stand er für das Drama „The Bridge Of San Luis Rey“ vor der Kamera, im Moment ist er mit seiner Regiearbeit (plus Hauptrolle) „The Good Shepard“ beschäftigt und danach dreht er mit Jonathan Glazer („Birth“, „Sexy Beast“) das Crime-Drama „Chaos“.