Regisseur Takeshi Kitano ist ein Workaholic. In seiner Heimat Japan gilt er als eine der wichtigsten Medien-Persönlichkeiten. Zeitweise war er pro Woche in fast zehn Programmformaten auf den Fernsehbildschirmen unterwegs. Er ist Erfinder von „Takeshi’s Castle“, eine abgedrehte Comedy-Show, in der Japaner durch ein Art Jump-And-Run-Parcour geschickt werden und dabei meist gnadenlos auf die Schnauze fallen. Mit „Zatoichi“ nimmt er sich einer Thematik an, die bereits über zwanzig Mal verfilmt wurde: Der blinde Masseur, der sich als grandioser Führer seines im Blindenstock versteckten Schwertes erweist. Kitano macht daraus eine wilde Mischung der unterschiedlichsten Genres und fügt Slapstick, brutale Action, Drama und Parodie zu einem merkwürdigen Ganzen zusammen, das die einen hassen und die anderen lieben werden.
Zatoichi (Takeshi Kitano) stößt auf seinen Wanderungen auf ein Dorf, in dem sich verschiedene Gangs um die Macht und das Recht zum Einziehen von Schutzgeld bekriegen. Da er blind ist, sehen ihn die meisten anfangs als wehrlos, doch er beweist meist schnell das Gegenteil. Im Kampf mit dem Schwert scheint er trotz fehlendem Augenlicht unbesiegbar zu sein und beim Würfelspiel gewinnt er dank seinem feinen Gehör jede Runde. Mit seiner freundlichen, ruhigen Art und seinem Geschick macht er sich schnell einige Freunde, aber auch ebenso Feinde. Es beginnt ein blutiger Kampf, den letztlich Zatoichi allein entscheiden muss...
Bei der Story ist bereits schon das Hauptproblem von „Zatoichi – Der blinde Samurai“ anzusetzen. Sie ist etwas akzentlos, über die verhältnismäßig lange Spielzeit von knapp zwei Stunden dümpelt sie zum großen Teil vor sich hin. Es braucht sehr viel Geduld, um tatsächliches Interesse am Ausgang der Geschichte zu entwickeln - zu viel, um am Ende mit den Charakteren richtig mitzufühlen. Die Protagonisten dienen entweder dem Spannungs- oder Dramatikaufbau, der reinen Belustigung oder sind bloße Statisten, die oft einfach den Body-Count erhöhen sollen. Vielschichtigkeit ist hier nicht vorhanden – doch auch ohne lassen sich funktionierende Filme drehen, wie jüngst Quentin Tarantino bewies. Bei „Zatoichi“ jedoch verkommt alles ein wenig in der Belanglosigkeit und die viele Zeit, die sich Kitano für einzelne Szenen nimmt, zahlt sich am Ende nicht aus. Zwar werden so die schönen Kulissen gezeigt, aber auf die Dauer schützt auch das nun mal nicht vor Langeweile.
Klasse geworden ist der Soundtrack, der dem Film viel von seiner ganz eigenen Atmosphäre spendet und über einige Längen auch hinweghilft. Die bunte Genre-Mischung ist gewöhnungsbedürftig, es werden Slapstick und brutale Tötungsszenen aneinandergereiht. Das Blut ist als animiert deutlich zu erkennen, die Treffer werden dagegen nie richtig gezeigt. Dennoch ist die gezeigte Gewalt nicht für jeden zu empfehlen. Erstaunlich gut klappt der Stil-Mix, auch wenn einiges zuerst sehr irritiert. Den Darstellern wird nicht allzu viel abverlangt, sie müssen vor allem wahlweise ernst, pseudo-cool oder belustigend ausschauen, nur in wenigen Szenen gibt es tatsächliches schauspielern. Das fällt dann allerdings nie ab und bleibt immer über dem Durchschnitt - hier gibt es nichts zu meckern, aber auch nichts übermäßig zu loben.
Den Film schließt Kitano mit einer großen Tanzeinlage mit ausgefallener Musik ab. Alle Darsteller des Films tanzen gemeinsam in aufsehenserregenden Farben und Kostümen. Das macht stutzig, da er damit dem Film jegliche ansatzweise aufgebaute Ernsthaftigkeit nimmt. Ein Abschluss, bei dem Gut und Böse gemeinsam feiert ist vielleicht in einem Kinderfilm gut aufgehoben, aber hier wirkt es unangebracht und etwas lächerlich. Der Parodie im Film kann es auch nicht zugeordnet werden, obgleich Ironie eine große Rolle spielt. Der von Kitano selbst verkörperte blinde Samurai ist ihm zwar abzunehmen, aber nur, weil er ihn nie mit vollem Ernst spielt. Besonders die Tötungsszenen mit Zatoichi strotzen nur so voll solcher Brutalität, dass sie nicht mehr ernst zu nehmen ist. Hier wird jedoch erneut gemixt, so dass der Zuschauer oft nicht weiß, ob er sich jetzt erschrecken oder lachen soll.
„Zatoichi“ ist am Ende eine etwas unausgewogene Reise durch die verschiedenen Genres, die sich vielleicht am treffendsten als Eastern bezeichnen lässt. Westernartige Muster in fernöstlichen Gefilden bilden den Hauptschwerpunkt. Viel mehr als Mittelmaß kommt dabei nicht heraus – wobei ein großer Teil der Zuschauer den Film am Ende entweder hassen oder lieben wird. Da allerdings zu viele langwierige Szenen und langweilige Passage auftauchen, ist der Film vom großen Unterhaltungskunstwerk weit entfernt. Es gelingt ihm gut, den Zuschauer in einem Moment zum Lachen zu bringen, im anderen zum Nachdenken und im nächsten erschreckt er ihn mit brutaler Gewalt. Am Schluss kann der Besucher jedoch nicht komplett erkennen, woran er ist. Soll er die Geschichte ernst nehmen oder als Beiwerk abhaken? Das Abhaken bietet sich leider am ehesten an.