Auch wenn sie den Status des Horror-Exportschlagers Nummer Eins längst an die Franzosen abgetreten haben, halten sich Japan-Schocker hartnäckig in den Beliebtheitslisten von Genrefans hüben (im Raum Europa) wie drüben (in Amerika). Meister im düsteren, supranaturalistischen Horror, der mit spartanischen Mitteln erzeugt wird und auf Blutrünstigkeiten weitgehend pfeift, sollen sie sein, die Ostasiaten. Vielleicht waren sie das auch mal, zu Zeiten von „Ringu“, „A Tale of Two Sisters“ und Co., doch der Nimbus war schnell hin, als erkennbar wurde, dass japanische Horrorfilme einer strengen Codierung unterwürfig sind, mit der die dortigen Filmschaffenden inzwischen keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken können. Ausnahmen wie Takashi Miikes schwer verdaulicher Date-Albtraum „Audition“ bestätigen die Regel. Dagegen hat der zweite Takashi im Bunde, Herr Shimizu, im Jahr 2002 mit „Ju-on: The Grudge“ einmal mehr einen formelhaften und wüst zusammengeschluderten Grusel-Flop produziert, bei dem man wenigstens ab und zu herzhaft lachen darf (wobei das wohl eher nicht so beabsichtigt war).
Wenn jemand in einem Zustand unbändigen Grolls stirbt, dann lastet fortan ein Fluch auf der Stätte des Geschehens, referiert der Untertitel zu Beginn des Films über Ursprung und Folgen einer grausamen Endlosschleife. Doch wie sieht dieser Fluch aus? Ein kleiner Knirps namens Toshio, der nicht mehr ganz so lebendig aussieht, verängstigt die armen Eindringlinge eines biederen Stadthauses mit schrägen Miauz-Tönen, ehe diese von einem weiblichen Geist heimgesucht werden, der schon lange nicht mehr beim Frisör gewesen sein kann, sich mit einem markdurchdringenden Gurgeln bemerkbar macht, und in epileptisch anmutenden Bewegungen die Treppe hinunter und am Boden entlang windet. Die Opfer starren nach dem Rendez-vous mit der bleichhäutigen Zeitgenossin wie paralysiert – mit weit aufgerissenen Augen – ins Nichts.
Und genau dahin steuert auch der Film, der sich in ebendiesem Modell erschöpft und voraussetzt, dass man seine Prämisse ernst nimmt, die verdächtig nach „Filmjunkie funktioniert sein Künstleratelier in ein Filmset um und dreht ein Bewerbungsvideo für die Filmakademie“ schreit. Regisseur und Drehbuchautor Takashi Shimizu frickelte fünf Filme lang an ein- und derselben (alles andere als originellen) Poltergeist-Geschichte, filmte zunächst im zweiteiligen Miniserien-Format „Ju-on: The Curse“ und „Ju-on: The Curse 2“ (2000) ab, dann den hier besprochenen „Ju-on: The Grudge“ (2002) und „Ju-on: The Grudge 2“ (2003), um dann nach Hollywood zu gehen und ein US-Remake seines eigenen Films mit dem schmucken Blondchen Sarah Michelle Gellar (die eben weder japanisch spricht noch so aussieht) in die Wege zu leiten („The Grudge – Der Fluch“, 2005). Und auch von diesem gibt es inzwischen doppelten Nachschlag. Wohl bekomm`s!
Es stellt sich die Frage, warum Shimizu in „Ju-on“ den uninspirierten Plot aus fünf verschiedenen Blickwinkeln erzählt, unter anderem dem des Schulmädchens Izumi und der Altenpfleger-Volontärin Rika (Megumi Okina), die zu einer apathischen alten Frau beordert wird, die bei Ankunft schon mit verwuscheltem Haar an der Schiebetür kratzt und leise von einem Fluch vor sich hin fabuliert (Uiuiui!). Der narrative Mehrwert dieser Herangehensweise ist gleich null, da der Fluch am Ende auf die denkbar schäbigste Art und Weise aufgehoben wird – hierzu muss ein die Ausgangssituation rechtfertigendes und wahllos in das Storykonstrukt eingeflochtenes Eifersuchtsdrama herhalten. Beim Versuch, die einzelnen Vorkommnisse zu fassonieren, stützt sich Shimizu auf die Recherchen der Polizei und ein zerknittertes Foto als Anhaltspunkt, auf dem auch der Junge Toshio abgebildet ist, der allgegenwärtig scheint. Erst darf er es sich im Schrank gemütlich machen, dann lugt er zwischen den Pfosten des Treppengeländers hervor, später ist er gar ungebetener Gast unter dem Tisch in einem Restaurant. Dabei sollte man bis dahin der Behauptung Glauben schenken, dass der Fluch – wie eingangs thematisiert – an den Ort des Grolls gebunden sei. Nicht das einzige Löchlein im Logik-Käse des Films.
Die Figuren agieren ausnahmslos unglaubwürdig. Manche Protagonisten trotteln so schamlos ins eigene Verderben – nachdem sie das obligatorische „Ist da jemand?“ durch den Raum gerufen haben – dass man sich nicht wundern muss, warum der Dachboden eine so reich besiedelte Leichen-Sammelstelle ist. Dabei hat das Grauen viele Gesichter: Mal ist es ein putziges Katzenrudel mitten im Schlafgemach, mal eine als Teleport fungierende Mattscheibe (wie schon in „The Ring“). Und wenn man sich dann unter der Bettdecke verkriecht, weil etwas mit dem Empfang nicht stimmt, lauert der Geist eben dort. Unsere Erkenntnis aus nächster Nähe: Man hätte sich beim Make-up ein bisschen mehr Mühe geben können! Takashi Shimizu dreht übrigens gern im Freundeskreis: Die Kayako-Darstellerin Takako Fuji gab schon in „Ju-on: The Curse“ und später auch im amerikanischen „The Grudge“ das untote Mädel mit den langen schwarzen Haaren.
Bei der Lichtsetzung verlässt sich Shimizu auf ein gekonntes Spiel mit Konturen, dem die Tonspur effektiv Beihilfe leistet. Ja, auch „Ju-on“ hat seine Momente, aber in der Gesamtauswertung ist das einfach zu wenig. Montage- und Kameratechnik sind auf passablem, aber ganz sicher nicht professionellem Niveau, und lassen kaum Platz für Zwischentöne, zumal der japanische Regisseur mit seinen Taschenspielertricks wie verrauschten Überwachungskameraaufnahmen, Türen, die sich von selbst öffnen, oder hinterrücks vorbeihuschenden Schattengestalten kaum etwas anfangen kann. Alles in allem ist „Ju-on: The Grudge“ ein lauwarmer Grusler, der von allen guten Geistern verlassen scheint - und die Erkenntnis bringt, dass J-Horror nichts mehr als eine kurzlebige Modeerscheinung ist.