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    Naked Lunch – Nackter Rausch
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    Dmitrij Panov
    Dmitrij Panov

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    4,5
    Veröffentlicht am 25. Februar 2010
    Wenn die Verfilmung eines Buches so etwas wie das Malen eines Bildes von einem Haus ist, dann ist David Cronenbergs "Naked Lunch"-Adaption eine Ausstellung von Bildern des Fundamentes, vom Kauf der Steine, vom Bauprozess selbst, mit eingespielten Fotos vom fertigen Werk selbst. Was der Zuschauer hier zu sehen bekommt, ist keine simple Darstellung der Buchereignisse, es ist eine Reise zu dem Ursprung des Buches, eine Mischung aus der Realität, in der der Autor existiert, und seiner durch den Drogenkonsum verursachten Wahnvorstellungen, die er - unwissend - in einem Buch namens "Naked Lunch" verarbeitet. Eine durchgehend nahezu organische Mischung, wohlgemerkt, die niemals klare Grenzen zwischen den beiden Ebenen zeichnet und somit stets streng subjektiv bleibt.



    Bill Lee ist ein Autor, doch er schreibt nichts (noch nicht), er verdient seinen Lebensunterhalt als Kammerjäger. Doch was den Insekten ihr Tod, ist seiner Frau die liebste Droge. Als er bemerkt, dass ihm der Giftstoff zu schnell ausgeht, stellt es sich heraus, dass sie diesen als Droge missbraucht. Wie die Frau, so der Mann, und spätestens nach dem versehentlichen Töten seiner Frau bei einer "Wilhelm-Tell-Nummer" sind für Bill jegliche Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit verloren, seine Schreibmaschine mutiert zu einem sprechenden Insekt, welches ihm wie einem geheimen Agent begegnet, der Berichte über seinen Aufenthalt in "Interzone", einer orientalisch anmutenden Welt, verfassen muss. Der Rausch, der jetzt dem Zuschauer begegnet, ist ein vollkommener, nahtlos gehen Konversationen mit "normalen" Menschen und reale Begebenheiten in surreale Situationen über, das Insektenpulver wird zum Reiseticket, die Schreibmaschine zum Ratgeber, das Gegenüber zu einem geheimnisvollen Agenten, alles ist vollkommen verwirrt und verdreht und ergibt selten einen richtigen Sinn. Aber was erwartet man schon von einem Drogenrausch? Eine faszinierende Reise ins Unterbewusstsein, der Wechsel von realen Kleinigkeiten zu surrealen Manifesten der Angst und der Verwirrung, die Verschmelzung von Erlebtem und Gedachtem. Und diese bekommt man auch, auf eine etwas spezielle Art und Weise.



    David Cronenberg ist bekannt für seine Werke des sogenannten "Body Horror", einem Subgenre, welches aus der Angst des Menschen vor dem Unbekannten und Grausamen in seiner Umgebung, welche den meisten "normalen" Horrorfilmen zugrunde liegt, eine Angst vor Veränderungen des eigenen Körpers macht und somit den Ekel viel näher und extremer vermittelt und auch vor einer charakterlichen Ebene der Veränderungen nicht zurückschreckt (man schaue sich nur "Die Fliege" an). Ähnlich wie Stanley Kubrick, der in "The Shining" die Angstquelle in den eigentlich sichersten gesellschaftlichen Hort des Menschen, nämlich die eigene Familie, versetzte, tut Cronenberg im Grunde dasselbe, nur auf der körperlichen Ebene. "Naked Lunch" enthüllt eine weitere Facette des großartigen Regisseurs, nämlich die Fähigkeit, etwas Ähnliches auf geistiger Ebene zu vollbringen. Er zeigt hier weniger die Außenwelt des Protagonisten, sondern dessen eigene, streng subjektive Auffassung dieser Außenwelt, projeziert seine wirren Gedanken auf die Realität und erschafft somit eine Welt, die jenseits jeglicher Konventionen liegt, eine Mischung aus dem realen Leben des Autors, dessen Werk sowie einer eigenen Interpretation des Ganzen. "Nichts ist wahr, alles ist erlaubt" war sein Motto beim Drehen dieses Filmes und das sieht man seinem Werk auch an, welches oftmals wirklich nichts scheut und einige äußerts ekligen, Cronenberg-typischen Sequenzen enthält, die jedoch hervorragend in die Gesamtstimmung passen und dieser einen zusätzlichen morbiden Charme verpassen. Jedoch werden gerade die eindringlichsten Dinge nicht gezeigt, sondern vom Protagonisten erzählt, sind jedoch wohl sogar für Cronenberg etwas zu extrem gewesen und erfüllen ihren Zweck auch rein verbal hervorragend. Das vom Regiesseur so geliebte Thema des Fleisches findet ihr Pendant auch in der Geschichte selbst, in der vom "Schwarzem Fleisch" die Rede ist - man ahnt schon, dass hier blutige Elemente nicht fehlen, welche dafür in Verbindung mit der Drogenthematik neue, surreale Züge annehmen und durch das ständige Auftauchen von Insekten manchmal nahezu eine kafkaeske Stimmung erschaffen - "Die Verwandlung" lässt grüßen, wenn diese hier auch auf geistiger Ebene stattfindet.



    Am Ende ist es ein wenig wie bei einem Film von einem anderen Regie-David, nämlich Lynch: Viel gesehen, wenig verstanden, der Schluss sehr seltsam, der Eindruck zwiespältig. Doch "Naked Lunch" ist so etwas wie ein so oder so ähnlich tatsächlich geschehenes "Lost Highway", eine Reise ins Unterbewusstsein, die an sich wenig Sinn ergibt. Doch hier gibt es diesen Sinn doch, wenn auch auf einer anderen Ebene: Die Niederschrift von "Naked Lunch", einem Kultbuch, aus den gedanklichen Wirrungen eines Autors, welcher alle bisherigen Konventionen der Literatur einfach ignoriert hat. Und so ignoriert auch David Cronenberg, wie so oft sein Kollege Lynch, die Konventionen von dem Medium Film und bietet dem Zuschauer eine reine Rauscherfahrung, die durch die strenge Subjektivität eine starke Intensität entwickelt und bei der am Ende mehr der Eindruck denn eine klare Bedeutung zählt. Vielleicht muss man selbst schreiben, um den Film einigermaßen verstehen zu können, und zwar wirklich aus dem Inneren heraus schreiben, sein Unterbewusstsein schreiben lassen. Doch in diesem Falle sollte man sich den Film besser nicht zu sehr als Vorbild nehmen, die Exzesse sind, wenngleich förderlich fürs Schreiben, so doch nicht unschädlich, auch was das Leben anderer angeht. Aber als reine Inspiration kann einem Bills (oder soll ich doch eher sagen: William S. Burroughs´?) Erfahrung, so brilliant von Cronenberg dargestellt, durchaus dienen.



    Der Film ist natürlich sehr stark Geschmackssache. Wem schon "Fear And Loathing In Las Vegas" zu krank war, sollte um diesen hier am besten auch einen längeren Bogen machen. Wer Insekten nicht nur eklig, sondern ganz und gar abstoßend findet und sich diese in keiner Ästhetik vorstellen kann, der wird bei diesem Film auch mehr als nur einmal in blankem Schrecken wegschauen müssen. Doch wer für außergewöhnliche Experimente stets offen ist oder einfach nur Cronenbergs Werk mag, wird hiermit eine teils etwas sperrige, aber dennoch faszinierende und unvergessliche Erfahrung machen, die fern von gewöhnlichen Drogen - oder Horrorfilmerfahrungen liegt. Eine Reise zum Ursprung von Kunst, ein einziger Rausch aller Sinne, ein surreales Fest für Cineasten.
    Kino:
    Anonymer User
    4,5
    Veröffentlicht am 19. März 2010
    Cronenberg hat nicht das Buch verfilmt (er hat auch selbst gesagt: die einzige Möglichkeit ein Buch zu verfilmen wäre, seine Seiten abzulichten), sondern seine Entstehungsgeschichte.

    Wenn man um Burroughs Reisen in östliche Länder weiß erkennt man auch, welche Szenen in der Realität spielen. Alle nämlich, in denen seine beiden Freunde vorkommen. Sämtliche Handlungen in Tanger/"Interzone" sind Heroin und andere Substanzen-/"Wanzenpulver"induziert.



    In seinem Surrealismus jedenfalls ein hervorragend komponierter Film, was sich hauptsächlich in einer überzeugend absurden Symbolwahl niederschlägt (Kafkaesken in der Welt der Homosexualität und der Drogen als Quantitätskontrast zu staubigen Landschaften und ebenso abnormen Dialogen und Charakteren)
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