Filme der Regie-Ikone Robert Altman haben seit seinem großen Comeback 1992 jedes Mal auf’s Neue einen wahren Wundertütencharakter. Grandiosen Meisterwerken wie „The Player“ (1992) oder „Short Cuts“ (1993) stehen Unwichtigkeiten wie „Cookie’s Fortune“ oder „Dr. T And The Women“ (2000) gegenüber. Und auf den superben „Gosford Park“ (2001) folgt nun wieder der Abschwung. Warum sich Altman der Primaballerina-Story „The Company“ angenommen hat, erschließt sich auf den ersten Blick nicht zwingend. Optisch ansprechend, krankt der Film an seiner zu dünnen Dramaturgie.
Ein Jahr mit dem Chicago Joffrey Ballet: Im Mittelpunkt stehen der berufliche Alltag, der fast unmenschliche Leistungsdruck und das private Leben der Künstler, die sich mit jeder Faser von Herz, Körper und Geist ihrer Leidenschaft widmen, der Welt des Tanzes. Unter ihnen die junge Ballerina Ry (Neve Campbell). Mit Mut, Talent und Ausdauer erkämpft sie sich ihren Platz in der weltweit berühmten Company. Für einen Moment des Ruhms im Rampenlicht und den Applaus des Publikums nimmt sie vieles, fast alles auf sich. Aber es geht auch um mehr als nur äußeren Glanz, es geht um die Sache selbst: Das Tanzen allein rechtfertigt alle Mühen, Tränen und persönlichen Opfer. So lassen sich die Ballett-Eleven und erfahrenen Tänzer vom autoritären Chef der Company, „Mr. A“ (Malcolm McDowell) herumkommandieren und bis an die körperliche Grenze treiben. Der fantasiereiche Macher und kühle Rechner wählt Ry aus für eine Open-Air-Aufführung des romantischen Pas de Deux „My funny Valentine“ von Lar Lubovitch, ein Riesenerfolg und Karrieresprung. Und als Ry den sympathischen Elite-Koch Josh (James Franco) kennen- und lieben lernt, findet sie auch privat einen Halt. Währenddessen bereitet die Truppe „The Blue Snake“ vor, ein innovatives und märchenhaftes Ballett unter Leitung des Choreographen Robert Desrosiers. Für die ehrgeizige Ry die Chance, ganz nach oben zu kommen.
Während der Otto-Normalbürger darum kämpft, mit 60 oder spätestens 63 Jahren in den Ruhestand zu gehen, hat Regie-Star Robert Altman („M*A*S*H“, „Nashville“) im Alter von 67 erst seinen zweiten Frühling eingeleitet. Doch das ist nun schon zwölf Jahre her. Mit 79 ist Altman immer noch nicht müde geworden, auch wenn seine aktuelle Regiearbeit diesen Schluss zumindest latent zulässt. Mit „Paint“ ist der Meister aber bereits mit seinem nächsten Projekt (mit Salma Hayek und James Franco) beschäftigt. Trotz des fremden Sujets ist „The Company“ dennoch kein Altman-untypischer Film. Der Großmeister des Ensemblefilms wendet sich auch hier nicht von seiner bevorzugten Betrachtungsweise ab.
Die Geschichte um das Chicago Joffrey Ballet besitzt nahezu schon dokumentarischen Charakter. Scheinbar wahllos reiht Altman Szenen aus dem Leben der Tänzerinnen und Tänzer aneinander. Dabei versucht er erst gar nicht, einen Spannungsbogen aufzubauen. Die von Neve Campbell („Scream 1-3“) verkörperte Ry begegnet in einer Bar einem Mann. Sie tauschen Blicke aus. Schnitt. Am nächsten Morgen wacht er bei Ry auf. Ende. Eine flüchtige Begegnung. Keine Dramatik. Dieses Konzept der Entdramatisierung hält Altman konsequent bei. Die großen und kleinen Konflikten innerhalb der Gruppe werden ohne viel Aufsehen ausgetragen und beigelegt. Da es sich jedoch immer noch um Robert Altman und nicht um einen x-beliebigen Durchschnitts-Regisseur handelt, sollte der Zuschauer schon genau hinsehen. Die kleinen Geschichten spielen sich zum Teil zwischen den Szenen in den Köpfen der Zuschauer ab.
Die Idee zu „The Company“ hat Neve Campbell entwickelt. Auch an der frühen Phase des Drehbuchs, das schließlich Barbara Turner („Pollock“) schrieb, wirkte die Scream-Queen mit. Zudem tritt sie als Co-Produzentin auf. Logisch, dass sie auch die Hauptrolle übernimmt – auch wenn dies nicht immer hundertprozentig zum Film passt. Während alle anderen Ballett-Tänzer realistisch, also dürr und drahtig, daherkommen, ist Frau Campbell für eine Ballerina doch ein bisschen zu muskulös. Aber sei’s drum. Die Kohlen muss sowieso Malcolm McDowell („Uhrwerk Orange“) aus dem Feuer holen. Als Ballettmeister Mr. A wird er zur zentralen Figur mit den größten Angriffsflächen.
Dass „The Company“ als Gesamtes nicht voll überzeugen kann, liegt größtenteils an der Entscheidung, eine Mischform aus Dokumentation und Spielfilm zu wählen. Dem Werk hätte mehr Dichte und Intensität spürbar gut getan – von einem Spannungsbogen ganz zu schweigen. Der Klasse Altmans ist es zu verdanken, dass seine neueste Betrachtung zum großen Thema Show Business nicht vollends in der Bedeutungslosigkeit versinkt...