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    Peter Hase
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Peter Hase
    Von Antje Wessels

    Man mag es kaum glauben, aber selbst ein (vermeintlich) harmloser Familienfilm über eine flauschige Hasenfamilie hat heutzutage das Zeug dazu, eine Kontroverse auszulösen. So starteten einige besorgte Zuschauer nach dem US-Kinostart von Will Glucks „Peter Hase“ eine Petition gegen den Film, weil die Langohren im Film den bösen, an einer Brombeerallergie leidenden Nachbarn absichtlich so lange mit ebendiesen Früchten beschießen, bis der von Domhnall Gleeson gespielte Schurke einen allergischen Schock erleidet und fast selbst den Löffel abgibt. Eltern und Lebensmittelexperten sahen darin eine Verharmlosung des Themas und riefen zum Boykott auf. Tatsächlich entschuldigte sich der US-Verleih Sony Pictures daraufhin beim Publikum und appellierte im selben Moment daran, mit Kindern im Nachhinein über die Ernsthaftigkeit von Lebensmittelunverträglichkeiten zu sprechen. Im Film selbst (zumindest in der deutschen Synchronfassung) wird mit der Kontroverse hingegen sehr viel offensiver umgegangen, wenn die von Christoph Maria Herbst gesprochene Hauptfigur nämlich mit Augenzwinkern darum bittet, bloß keine „bösen Briefe“ zu schicken und sowieso solle man sich nicht so anstellen und über jede Kleinigkeit aufregen. Dieser schön böse Metahumor zieht sich durch „Peter Hase“ genau wie ausgiebige Slapstick-Sequenzen und temporeiche Action-Einlagen – aber am Ende ist es vor allem die für einen Familienfilm erstaunliche moralische Ambivalenz, die den Film auch für erwachsene Zuschauer so sehenswert macht.

    Das schelmische Langohr Peter Hase (Stimme im Original: James Corden / im der Synchro: Christoph Maria Herbst) hat den lieben langen Tag nichts anderes zu tun, als gemeinsam mit seinen drei Schwestern Mopsi (Jessica Schwarz / Elizabeth Debicki), Flopsi (Margot Robbie / Heike Makatsch) und Wuschelpuschel (Anja Kling / Daisy Ridley) den Garten des mürrischen Mister McGregor (Sam Neill) zu plündern. Dabei liefern sich die Vierbeiner regelmäßig erbitterte Kämpfe mit dem hasenhassenden alten Mann, der einst Peters Vater zu einer Pastete verarbeitete. Als McGregor schließlich stirbt, scheinen die Tiere des Waldes das alte Anwesen endlich ganz für sich alleine zu haben, bis plötzlich sein Neffe Thomas (Domhnall Gleeson) auf der Matte steht. Dieser steht seinem grantigen Onkel in nichts nach und beschließt, den Hasen mithilfe von Elektrozäunen und Sprengstoff den Garaus zu machen. Als sich Thomas allerdings in seine bezaubernde Nachbarin Bea (Rose Byrne) verliebt, geraten seine Pläne ins Wanken. Bea ist nämlich ganz verzückt von ihren geliebten Häschen und kann es gar nicht leiden, wenn ihnen jemand an die Puschelschwänzchen will…

    Wir geben es offen zu: Nach den ersten 15 Minuten hatten wir die Verfilmung von Beatrix Potters Kinderbuch „Peter Hase“ eigentlich schon abgeschrieben! Trotz den überzeugenden CGI-Effekten sind diese hektisch gefilmten, permanent von pseudocoolen Sprüchen der Hauptfigur unterbrochenen, von ständig wechselnden Radiopop- und Sommerhits untermalten Jagdszenen nämlich ein Paradebeispiel dafür, wie man einen solchen Kinderbuchklassiker eben gerade nicht für die Leinwand adaptieren sollte – nämlich um zeitgemäße Hipness bemüht und vorbei an jeglichem zeitlosen Charme. Aber dieser erste Eindruck bestätigt sich im weiteren Verlauf des Films zum Glück nicht, ganz im Gegenteil: Kommt „Peter Hase“ erst einmal zur Ruhe, entfaltet sich eine erstaunlich komplexe Erzählung darüber, was Freundschaft bedeutet und wie wichtig es ist, Kompromisse einzugehen und zu seinen Fehlern zu stehen.

    Das Besondere an der Verfilmung, die sich nur sehr lose an der viel knapperen Buchvorlage orientiert, ist nämlich, dass hier nicht bloß der klassische Kampf zwischen Gut (=die Häschen) und Böse (=McGregor) im Zentrum steht, stattdessen erweist sich der Plot als sehr viel offener und ambivalenter. Tritt nämlich erst einmal die voller natürlichem Enthusiasmus aufspielende Rose Byrne („Spy – Susan Cooper Undercover“) aufs Parkett, lotet das Skript von Will Gluck („Annie“) und Rob Lieber („Die Coopers – Schlimmer geht immer“) die moralischen Grauzonen so weit aus, dass sich „Peter Hase“ für allzu junge Zuschauer womöglich sogar als zu komplex erweisen könnte.

    Als Peter und seine Familie dabei zusehen müssen, wie sich ihre Menschenfreundin Bea in den ja eigentlich so bösartigen Thomas McGregor verliebt, sind plötzlich auch die Hasen zu jedem Mittel bereit, die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. Ohne das völlig enthemmte, grandios überzeichnete Spiel eines Domhnall Gleeson wüsste man wohl ab etwa der Hälfte gar nicht mehr, wem man in diesem absurden Kampf um Beas Gunst eigentlich die Daumen drücken soll. Schließlich haben beide Seiten ganz schön fiese Tricks auf Lager, um ihrem Widersacher das Leben zur Hölle zu machen.

    Will Gluck packt jede einzelne dieser Szenen mit einer gehörigen Portion absurdem und dabei immer auch extrem kreativem Slapstick voll. Wenn Peter das Haus seines Feindes mit allen möglichen Fallen präpariert, sodass dieser es nicht einmal fertig bringt, heile aus seinem Bett aufzustehen, ist das an Timing und Einfallsreichtum kaum zu übertreffen. Und wenn die Figuren zwischendurch immer wieder die vierte Wand durchbrechen und trocken das aktuelle Leinwandgeschehen kommentieren („Deadpool“ lässt grüßen), dürfte auch bei weniger slapstickaffinen Zuschauern kaum ein Auge trocken bleiben.

    Aber auch in den ruhigeren Momenten kann „Peter Hase“ punkten. Wenn Peter und seine Freunde plötzlich erkennen, dass sie der Konfrontationskurs auf Dauer nicht weit bringen wird und deshalb den verbalen Austausch suchen, um so nicht nur sich selbst, sondern vor allem Bea glücklich zu machen, dann wird die schöne Botschaft, dass man sich nicht selbst zwingend in ein besseres Licht rückt, nur weil man den anderen schlecht macht, angenehm subtil und stimmig rübergebracht. Und bei dem Bild der sich entschuldigenden Hasen, die ihre Köpfe bei dieser Geste aneinanderreiben, steckte uns plötzlich ein ganz schön großer Kloß im Hals.

    Fazit: Nach einer anstrengenden ersten Viertelstunde entpuppt sich der toll animierte „Peter Hase“ als unkonventionelles Familienabenteuer mit kurzweiligem Slapstick, viel Metahumor und einer alles andere als abgegriffenen Botschaft, die Groß und Klein begeistern dürfte. Nur für ganz junge Zuschauer gestaltet sich der moralische Konflikt, in dem die Einteilung von Gut und Böse zeitweise ziemlich verschwimmt, womöglich noch einen Tick zu komplex.

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