Die Action-Vehikel, die Michael Winner in den Siebzigern mit Charles Bronson gedreht hat, sind immer ein wenig anders und manchmal ein wenig mehr als das, was man erwartet. So ist „Ein Mann geht über Leichen" die verstörend fragmentarisch gehaltene Variation eines Cop-Films im Kielwasser des „Dirty Harry"-Erfolges und „Chatos Land" ein Rache-Western, der seinen Helden immer wieder für längere Zeit aus den Augen lässt und seinen Blick auf die Gruppendynamik der Bad Guys richtet. Die Meisterwerke ihrer Zusammenarbeit sind jedoch das eisig kalte, auf Melvilles Spuren wandelnde Killer-Kleinod „Kalter Hauch" und der Selbstjustiz-Hit „Ein Mann sieht rot". Letzterer wurde, obwohl weitaus klüger und vielschichtiger als sein Ruf, zu Winners Waterloo, als er sich von den Cannon-Studios für die Regie bei den Fortsetzungen anheuern ließ. Während der zweite Teil zu jener Art Film gehört, die ein Lebenswerk nachhaltig beschädigen können, war sein dritter „Death Wish"-Film wieder ein echter Winner: Radikal und subversiv. „Death Wish III – Der Rächer von New York" wirkt wie ein Film über den sich selbst der eigene Regisseur lustig macht.
Nachdem er seinem alten Hobby Selbstjustiz eine Zeitlang an der Westküste der USA gefrönt hatte, verschlägt es den Rache-Experten Paul Kersey (Charles Bronson) wieder in seine Heimat New York, wo er seinen alten Freund Charley besuchen will. Dieser haust in der miesesten Gegend des Stadtteils Brooklyn, das von gewalttätigen Gangs kontrolliert wird. Als er ankommt, findet Kersey seinen Kumpan aus Korea-Krieg-Zeiten nur noch sterbend vor, nachdem dieser von ein paar Rowdys fertig gemacht wurde. Als die Polizei eintrifft, verdächtigen diese erst einmal Kersey und lassen ihn eine Nacht hinter schwedischen Gardinen verbringen. Dann jedoch ahnt der Polizeichef Shriker (Ed Lauter), mit wem er es hier zu tun. Begeistert davon, den legendären Selbstjustizler Kersey vor sich zu haben bietet er dem rüstigen Freizeitkiller einen Freibrief an, in der Nachbarschaft nach Herzenslust Punks und Gangmitglieder zu erledigen. Das lässt sich der Vigilant aus Leidenschaft nicht zweimal sagen und beginnt prompt unter den Asozialen aufzuräumen. Was ihm schnell den Zorn des Gangleaders Fraker (Gavan O'Herlihy) einbringt, der einen Kleinkrieg gegen Kersey anzettelt.
Was Winner und Bronson hier abziehen spottet jeder Beschreibung und funktioniert sowohl als Krone reaktionärer Action-Blödheit als auch als eigene Parodie. Spätestens mit diesem Teil bestand die Dramaturgie der „Death Wish"-Film nur noch daraus, Bronson mit dicken Wummen in Szenarien zu verfrachten, in denen der betagte Star für Recht und Ordnung sorgen konnte. Ausgerechnet als Action-Film wirkt der Film heutzutage ein wenig altbacken: Bieder werden die Dialogszenen abgehandelt, die Figurenkonstellationen ist arg durchschaubar und lässt mit einem Blick erkennen, welche Figur gut oder böse ist. Positiv gesagt ist das ökonomisch erzählt, negativ gesagt schlicht platt. Wenn da Fraker das Bild betritt weiß man, dass er sadistischer, gewaltbereiter, feiger und gemeingefährlicher Abschaum ist. Ganz im Gegensatz dazu die betulichen jüdischen Nachbarn, die selbstverständlich ebenso nett sind, wie das puertoricanische Ehepaar, dass auf Amerika schwört, wo man sein Glück machen kann. Ein Blick auf die Frau macht jedoch klar, dass sie früher oder später von den Horden um Fraker zu Tode vergewaltigt werden wird.
Wahre Qualitäten entfaltet „Death Wish III – Der Rächer von New York" als Satire – Sofern sie denn als solche gemeint war. An schwer unterhaltsamen Szenen herrscht dabei kein Mangel: Wenn Bronson eine Nacht im Gefängnis verbringen muss, nutzt er die Gelegenheit, sich unter dem Abschaum der Stadt ein paar Freunde zu machen. Einen korpulenten Fiesling, der sich ihm auf nicht sehr tugendhafte Art und Weise nähert drückt er die dicke Birne bei dieser Gelegenheit erst einmal durch die Gitterstäbe. Damit ist der Startschuss für eine Privatvendetta gegen die Freaks des Bezirks gelegt, bei dem beide Seiten sich mit stetig brutaler werdenden Scharmützeln zu übertreffen versuchen. Brooklyn wird zum Kriegsgebiet. Kersey kann sich bei seinen Aktionen jedoch immer der Rückendeckung und des Desinteresses der Polizei sicher sein, die längst vor der Gewalt der Gangs kapituliert hat. Der einsame Platzhalter polizeilicher Ordnung – der hart gesottene Polizeichef Shriker – sympathisiert offen mit Kerseys Methoden und steht ihm am Ende sogar loyal zur Seite. Das Weltbild gleicht einem Western mit rechter Schlagseite, wobei die Indianer hier wildgewordenen Punks gewichen sind. Wir lernen: im Zweifelsfall ist verweichlichter Humanismus nur im Weg, am Besten lässt man gleich den Vollstrecker ran.
Ob Winner hier endgültig am geistig-moralischen Tiefpunkt angekommen ist oder sich einen Spaß daraus macht, den Irrsinn der Materie in seiner fragwürdigen Botschaft bloßzustellen, ist eine Frage, die nur schwer zu beantworten ist. Die Produzentenversuchten bei der Erstaufführung des Films jedenfalls vom Hype um den damals in den Medien sehr präsenten realen Vigilanten Bernhard Goetz zu nutzen, um ein Maximum an Aufmerksamkeit auf ihren Film zu lenken. Ein möglicher Subtext interessierte sie also nicht. Drehbuchautor Don Jacoby wiederum distanzierte sich vom Film und versteckte sich hinter dem Pseudonym Michael Edmonds. Und auch Winner distanzierte sich später von der Reihe und inszenierte keinen weiteren Teil mehr, doch es war zu spät. Sowohl er als auch Bronson hatten ihren bis dahin guten Leumund mit nur zwei Filmen endgültig ruiniert.
Besonders Bronson wirkt in den Gegensätzen seiner Rolle mehr als befremdlich: In einem Moment pustet er in Rambo-Pose Menschen weg, um gleich darauf zu lächeln, als wäre nichts gewesen. Im Gegensatz zum killenden Biedermann Kersey ist „Death Wish 3" alles andere als nett. Auch nach 27 Jahren weiß man immer noch nicht, was man von diesem irren Streifen halten soll. Vermutlich sollte man ihn als Lehrstunde sehen, um die Doppelmoral und die Kaltschnäuzigkeit des 80er-Jare-Sleaze-Kinos zu begreifen. Besser und gefährlicher als zeitgenössicher, auf hip und postmodern getrimmter Möchtegern-Trash wie „Machete" oder „Hobo with a Shotgun" ist er allemal.
Fazit: Ob „Death Wish III – Der Rächer von New York" ein ultrarechtes Action-Massaker sondergleichen oder die eigene Dekonstruktion ist, beschäftigt die Trash-Forschung bis heute. In jedem Fall handelt es sich bei der siebten und letzten Winner/Bronson Kollaboration um ein zwar etwas betagtes doch schamlos unterhaltsames Stück Action-Irrsinn. Ob der Film zum Lachen oder doch eher zum Weinen animiert, muss jeder für sich entscheiden.