Über 800.000 Besucher in einem kleinen Land mit 4,2 Millionen Einwohnern, eine Oscar-Nominierung als bester ausländischer Film und Hauptdarsteller, die in ihrem Heimatland wie Volkshelden verehrt werden: Was ist dran an „Elling“, dem erfolgreichsten Film aller Zeiten in Norwegen? Die Tragikomödie um zwei psychotische Seelen auf der Suche nach ihrem Platz in der Gesellschaft ist menschlich, aber nicht tränenrührend - witzig, aber nicht lachhaft - und dabei angenehm unprätentiös und kurzweilig.
Der schmächtige, zerbrechlich wirkende Giftzwerg Elling (Per Christian Ellefsen) hat zwei Feinde: die Angst und den Schwindel. Angst bekommt er schon, wenn er nur einen Raum voller Menschen durchqueren muss. Diese Furcht führt zuweilen zu Schwindelattacken, die dem Selbstwertgefühl nicht gerade förderlich sind. Sein Kumpel Kjell Bjarne (Sven Nordin), ein riesiger, stämmiger Kerl von einem Mann, ist um einiges einfacher gestrickt. Im Wesentlichen hat er nur zwei Interessen: Mit knapp 40 will er endlich das erste Mal mit einer Frau schlafen - und ansonsten zählt nur ein möglichst üppiges Mahl, in jeder Lebenslage ist er bereit, alles dafür zu geben. Doch die beiden müssen sich zusammenreißen. Frisch aus der Psychiatrie entlassen, hat ihnen das Sozialamt Oslo eine schöne Drei-Zimmer-Stadtwohnung besorgt und den lockeren Sozialarbeiter Frank Asli (Jörgen Langhelle) an die Seite gestellt. Er soll aufpassen und helfen, dass sich die beiden wieder in die Gesellschaft eingliedern. Und nach Anfangsschwierigkeiten machen Elling und Kjell Bjarne kleine Fortschritte...
Diese Ausgangssituation hätte leicht in einem tränenreichen Rührstück mit hohem Mitleidsfaktor enden können. Das weiß Regisseur Petter Naess zu verhindern. Als Vorlage diente der Roman „Blutsbrüder“, einer der vier „Elling“-Werke von Ingvar Ambjörson, die in Norwegen Kultstatus haben. Wie in der Theateradaption spielen Per Christian Ellefsen und Sven Nordin die Hauptrollen. Für die beiden skurrilen Außenseiter ist das Duo exakt und treffend besetzt.
Im Kampf mit dem mitunter tückischen Alltag ist schon das Telefonieren mit einem Partner am anderen Ende der Leitung für Elling eine Qual. Bei Telefonsex-Hotlines tun sich beide leichter, aber auf die Dauer wird der Spaß zu teuer. Ellefsen und Nordin schaffen das Kunststück, dass das Publikum mit ihnen lacht und nicht über sie und die Figuren. Es ist immer die Situation über die geschmunzelt wird, niemals die Person. Die Sonderlinge, die charakterlich sauber gezeichnet sind, haben auch Ecken und Kanten. Elling neigt zu Tobsuchtsanfällen, wenn er in einem Streit überfordert ist und Kjell Bjarne lässt Dampf ab, indem er seinen dicken Schädel gegen die nächste Wand donnert.
Bei allen Spleens und Sonderbarkeiten, die die beiden pflegen, bleiben die Figuren zutiefst menschlich, authentisch und liebenswert - der Zuschauer fiebert mit ihrem Schicksal mit, nimmt Anteil. Wenn Elling beispielsweise seine Erfüllung in der Lyrik sucht, und sie als „Untergrund-und Sauerkraut-Poet“ findet, ist das berührend, aber eben nicht rührselig. Das ist der Verdienst von Regisseur Naess, der „Elling“ immer im richtigen Gleichgewicht aus Komödie und Drama, aus Humor und Ernsthaftigkeit, aus Skurrilität und Realität hält. Und das mit einer Leichtigkeit, die einfach sympathisch ist.