Als „Brain-dead and character-less“ bezeichnete James Berardinelli in seiner Besprechung des Lil’-Bow-Wow-Promotion-Films „Like Mike“ Handlung und Figuren – „a cynical attempt to lure children into theaters.“ So ganz daneben liegt Berardinelli mit dieser Wertung des Films nicht. Nach Britney Spears (Not A Girl, 2002) hatte nun auch Rapper Lil’ Bow Wow seinen Kino-Auftritt, und niemand lüge sich selbst und anderen in die Tasche: Auch hier geht es vor allem um Werbung. Aber nicht nur, denn auch das jugendliche Publikum hat zumeist einen gewissen Geschmack, den man mit absolutem Blödsinn allein – in aller Regel jedenfalls – nicht in die Kinos locken kann. Paramount und die anderen mächtigen Produktionsfirmen können davon ein Lied singen: Nur jeder zwölfte Film aus Hollywoods Reich der Fiktion wird ein wirklicher Kassenschlager.
Calvin (Lil’ Bow Wow) ist Waise. Er und seine beiden besten Freunde Murph (Jonathan Lipnicki, „Jerry Maguire“, 1996) und Reg (Brenda Song) haben es in Bittlemans (Crispin Glover) Waisenhaus nicht leicht. Bittleman ist vor allem ein hintertriebener Geschäftsmann. Zudem macht Waisenknabe Ox (Jesse Plemons) Calvin das Leben schwer. Calvin ist begeisterter Basketball-Fan und träumt von einer Karriere als Spieler. Eines Tages schleppt Schwester Theresa (Anne Meara) gespendete Kleider, Schuhe und anderes an, u.a. auch ein Paar Sneakers, in denen sich die Initialen eines bekannten Basketballspielers (M.J., M für Mike) befinden. Die passen Calvin natürlich, doch Ox wirft sie auf eine Stromleitung vor dem Haus. Als Calvin sie des nachts dort herunterholen will, schlägt der Blitz in die Schuhe und „verzaubert“ sie. Von und an geht’s bergauf, denn Calvin kann mit Hilfe der Turnschuhe plötzlich Basketball spielen, als wenn er mit dieser Fähigkeit auf die Welt gekommen wäre.
Als Wagner (Robert Forster), der Coach der Los Angeles Knights, ihm einige Freikarten für das nächste Spiel des nicht sehr erfolgreichen Basketballteams verschafft, zieht Calvin das nächste Glückslos: In der Pause des Spiels darf er gegen den Star der Knights, Tracey Reynolds (Morris Chestnut), antreten. Und was geschieht wohl jetzt? Klar, er trifft dreimal den Korb. Tracey ist wenig angetan davon, dass ihm – dem Star – ein Rotzlöffel die Show gestohlen hat. Aber er kann nicht verhindern, dass der Manager der Knights Bernard (Eugene Levy) mit Bittleman einen Vertrag aushandelt, um Calvin als Werbemittel für das Team zu verpflichten. Bittleman ist natürlich vor allem auf das dafür gezahlte Geld scharf.
Wunder Nummer 3: In einer aussichtslosen Situation lässt Wagner im nächsten Spiel Calvin ins Spiel – und die Knights und vor allem Calvin werden zu Stars des verwöhnten NBA-Publikums. Als Ox allerdings Bittleman davon erzählt, dass Calvin wahrscheinlich nur wegen der Sneakers so gut spielen könne, heckt der Heimleiter einen Plan aus: Er will die Schuhe an sich bringen, um durch eine Wette – immerhin 100.000 Dollar Einsatz – auf den nächsten Gegner der Knights reich zu werden.
Und auch Calvin hat im Team seine Probleme: Tracey scheint ihn überhaupt nicht zu mögen. Er besucht ihn in dessen Villa, versucht, sein Vertrauen und seine Freundschaft zu gewinnen. Aber Tracey scheint ein Sturkopf zu sein. Was Calvin überhaupt nicht versteht: Tracey hat einen Vater und jeglichen Kontakt mit ihm abgebrochen. Und Calvin wünscht sich nichts sehnlicher als eine Familie...
Der Glaube versetzt ja angeblich Berge. Und wenn man an diese Geschichte, sprich an dieses Märchen in der Zone von Basketball und Rap glaubt, ist es wunderschön. Die Geschichte ist natürlich hanebüchen, und alles läuft so mehr oder weniger glatt über die Bühne, dass es einen manchmal grausen könnte – bis zum alles über alles überglücklichen, Happy-Hour-Happyend. Der Trick der Geschichte ist simpel und amerikanisch-einleuchtend: Man mixe ein Märchen mit der berühmt-berüchtigten US-Life-Style-Maxime „Wenn Du nur an Dich glaubst, kannst Du alles erreichen“. Durch diese Maxime lösen sich die Probleme wie von selbst und stehen einem über und über positiven Ausgang der Geschichte nicht im Weg. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Werbung hat eben doch sehr viel mit Märchen zu tun – und in „Like Mike“ ist es nicht anders, allerdings nicht schlecht, wenn auch durchschaubar verpackt. Rapper Lil’ Bow Wow spielt die moderne, männliche Cinderella. Alle sind versammelt: der böse „Stiefbruder“ Ox, der böse „Stiefvater“ Bittleman, die Schuhe sowieso – und der zunächst unwillige, aber dann doch begeisterte neue Papa Tracey. Mit dem muss Lil’ Bow Wow zwar nicht tanzen, dafür aber Basketball spielen.
Und trotz alledem: „Like Mike“ entfaltet überwiegend einen enormen Schwung und besticht durch Humor, der das moderne Märchen zu einem – zumindest mehr als halbwegs – winterlich-weihnachtlichen Genuss werden lässt. Sicher, die Charaktere sind in der Regel schwach. Robert Forster muss sich nicht besonders anstrengen; er spielt einfach den allseits aus anderen (Sport-)Filmen bekannten Coach. Eugene Levy und Crispin Glover konnten mich in ihren Rollen als Team-Manager und Heimleiter nicht gerade vom Hocker reißen. Lil’ Bow Wow ist zwar nicht der geborene Kinderstar, spielt sich allerdings vor allem selbst, was über einige Schwächen in seiner Darstellung hinwegtrösten kann. Zudem gibt es einige Szenen, besonders mit Morris Chestnut, in denen beide Mimen engagiert und relaxed ihr Bestes geben. Jonathan Lipnicki und Brenda Song sind durch das Drehbuch eher unterfordert. Allein Morris Chestnut konnte mich fast vollständig überzeugen, weil seine Charakterdarstellung Entwicklung zeigt.
Abseits gewisser Schwächen in Besetzung und Geschichte und der allzu offensichtlichen Promotion für den Rapper Lil’ Bow Wow und die NBA (National Basketball Association) ist mir ein solches (Weihnachts-)Märchen immer noch lieber als das süßlich-verschrobene Image eines Films wie „Santa Clause 2 – Eine noch schönere Bescherung“. Schön sind auch die Szenen, in denen Calvin – 140 cm groß / klein – mit seinen NBA-Kollegen – um die zwei Meter oder größer – über das Spielfeld saust, wie sie ihn in das Team aufnehmen, wie er mit Tracey eine Farbtopfschlacht veranstaltet oder ihn – der am Steuer eingeschlafen ist – auf einem Ersatzreifen, den er auf den Fahrersitz gelegt hat, nach Hause fährt und dabei einiges „mitgehen“ lässt.
Ein zur Vorweihnachtszeit in den Kinos präsentierter Movie für kalte Tage, mit allen Promotion-Film-Schwächen, die man sich vorstellen kann, und doch ein Film mit Verve, mit Temperament und teilweise gut aufgelegten Schauspielern. Allemal etwas für Kids um die zehn Jahre herum. Und selbst ich als „großes Kind” konnte ich mich amüsieren. Watch it if you like – Mike.