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    Happy Times
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Happy Times
    Von Ulrich Behrens

    Der alte Bus glänzt in seinem knalligen Rot, nachdem Zhao (Zhao Benshan) – erst widerwillig – dem Vorschlag seines Freundes folgend das ausgediente Fahrzeug zu einem „Hotel Happy Times“ – einem Nest für Liebespaare in einem Park – ausgebaut hat. So will er an das notwendige Kleingeld, immerhin 50.000 Yuan, kommen, um endlich, nach etlichen gescheiterten Versuchen eine Frau heiraten zu können. Seine Verlobte (Dong Lifan), wohl beleibt und Mitglied der Möchte-Gern-Neureichen von Dalian, einer aufstrebenden chinesischen Hafenstadt, will schließlich von einer Ehe (mit ihm oder wem auch immer) etwas haben. Das Rot steht bei Regisseur Zhang Yimou für das Glück, oder besser: für Hoffnung auf ein bisschen Glück. Der pensionierte Fabrikarbeiter Zhao ist so etwas wie ein Stehaufmännchen. So schnell lässt er sich vom Schicksal, sprich: den Folgen der Kapitalisierung Chinas nicht unterkriegen.

    Doch wie das Schicksal (eben der Kapitalismus und seine Staatsbürokratie) so spielt, läuft bei Zhao meistens alles schief. Der Bus wird von den Behörden abtransportiert. Und die beleibte Verlobte mit ihrem noch beleibteren Sohn weiß bald Bescheid, dass die Geschichte von Zhao als Hoteldirektor eine faustdicke Lüge ist. Bevor es jedoch so weit ist, muss Zhao noch mit einem ganz anderen Problem zurecht kommen. Bei der avisierten Braut nämlich lebt die Stieftochter ihres Ex-Gatten, der sich mir nichts dir nichts aus dem Staub gemacht hat, um angeblich in einer anderen Stadt das Geld für eine Augenoperation seiner Tochter zu verdienen. Die 18jährige Wu Ying (Dong Jie) ist nämlich blind und die „Braut“ Zhaos sieht ihre Chance, das ungeliebte Mädchen endlich los zu werden. Zhao soll es in seinem Hotel unterbringen und ihr dort Arbeit verschaffen. Kaum ist Wu aus dem Haus, räumt die Verlobte Wus Zimmer aus und setzt ihren Sohn hinein. Rückweg für Wu ausgeschlossen.

    Leicht gesagt – eine Arbeit für Wu – für einen Mann, der, um zu etwas zu kommen, sein Leben auf lauter Lügen aufgebaut hat. Als ihm seine Verlobte – mehr nebenbei – erzählt, zu einem guten Hotel gehöre auch ein entsprechender Massagesalon, richtet Zhao mit einigen Freunden und Verwandten in einer stillgelegten Fabrik aus Altmaterial einen Schein-Massagesalon her, um Wu dort arbeiten zu lassen. Seine Freunde und Tante Liu wechseln sich als Kunden bei Wu ab. Allerdings wird das Geld, das sie Wu zahlen müssen, immer weniger. Irgendwann wird der Schwindel auffallen. Und zudem hat Wu nur ein Ziel: endlich genug Geld zu verdienen, um zu ihrem Vater zu fahren ...

    „Happy Times“, das klingt nach Hoffnung, Zuneigung, aber auch nach Verzweiflung, Lüge und Betrug, wenn man Yimous Film gesehen hat. Zhao baut seine Hoffnungen auf die Lüge, etwas darzustellen, was er nicht ist. Eine Frau an seiner Seite (die er nicht einmal liebt und die man auch nicht lieben kann) scheint der sehnlichste Wunsch des Lebenskünstlers, der sich durch die Abfallprodukte einer neuen Zeit in China hindurch mogelt. Wie ein Märchen erscheint „Happy Times“, das Märchen von der bösen Stiefmutter mit dem ekelhaften, verzogenen Sohn, der ein Eis etc. nach dem anderen in sich hineinfrisst, und dem armen, blinden Aschenputtel, das Vater und Mutter verloren hat und jetzt bei der verhassten Stiefmutter nicht einmal Eis bekommt, wenn Gäste anwesend sind. Aber das Glück des Märchens ist nicht das Glück dieser Geschichte aus einem sich radikal ändernden China.

    Zhao ist ein Lügner par excellence. Immer neue Tricks und Betrügereien lässt er sich einfallen, um irgendwie nach oben zu kommen – hoffnungslos. Da kommt ihm Wu in die Quere. Und Zhao kann nicht anders, als der 18-Jährigen das Leben mit Lügen so angenehm wie möglich zu machen. Wu hat sehr schnell durchschaut, dass der Massagesalon keiner ist und die Kunden auch keine wirklichen Kunden. Doch sie spielt mit, jedenfalls eine Weile. Yimou schaut auf die Loser, die Verlierer, die zumindest so viel Kraft aufbringen, sich ein bisschen Glück im Unglück zu sichern, auch wenn es auf Betrug aufgebaut ist. Aber wie soll man in einer Welt glücklich werden, die keine Chance auf Glück lässt? „Happy Times“ ist im Unterschied zu früheren Filmen Yimous („Rote Laterne“, „Keep Cool“) kin vordergründig politischer Film. In China selbst, so der Regisseur selbst, wird der Streifen kaum auf Interesse stoßen. Im Ausland dagegen geltend Yimous Filme als kleine Kostbarkeiten über den rasanten Wandel in seiner Heimat.

    Zhao Benshan und besonders Dong Jie als Wu Ying leisten hervorragende schauspielerische Arbeit in einer Tragikomödie, die mehr über das heutige China verrät als jede Dokumentation. Die Annäherung zwischen Wu Ying und Zhao – durch die Umstände hervorgerufen – ist exzellent gespielt und ohne Künstlichkeit inszeniert. Ein kleines Meisterwerk, manchmal leicht übertrieben, aber wirklich nur leicht, das leider nur mit wenigen Kopien in deutsche Kinos kommen wird.

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