Wer an das Gangsterkino aus Hongkong denkt, assoziiert damit wohl in erster Linie ultracoole, lakonische Typen, die mit Waffen umzugehen wissen, viel Blei und sensationelle Stunts. Ein von John Woos Bloodshed-Klassikern geprägter Zuschauer denkt vielleicht darüber hinaus ebenso an große Gefühle, Filmplots, die von Ehre, Loyalität und Freundschaft handeln. Wer mit diesen Erwartungen an Johnnie Tos „The Mission“ herantritt, mag begeistert sein – oder gnadenlos enttäuscht. Denn das Action-Drama, das als Nachfolger von Johnny Tos „Running Out Of Time“ in die Kinos kam, erfüllt all diese Erwartungen – und gleichzeitig keine davon.
„The Mission“ beginnt vergleichsweise konventionell: Auf den Gangsterboss Lueng (Eddy Ko) wird ein Attentat verübt; dieser kommt nur knapp mit dem Leben davon. Luengs Bruder engagiert darauf hin eine Gruppe von fünf Bodyguards, ausschließlich Vertraute des Hauses, die aber mittlerweile „normalen“ Berufen nachgehen. Einer arbeitet z. B. als Friseur, ein anderer als Nachtclubbesitzer. Nicht alle der Bodyguards – eine Truppe der unterschiedlichsten Charaktere – kennen sich vorab, so dass ein wesentlicher Bestandteil des Films die Annährung dieser Personen aneinander ist. Die Notwendigkeit einer Annährung oder zumindest der professionellen Kooperation kann nicht ausbleiben, da die fünf Männer von nun jeden Tag und jede Nacht für Luengs Schutz zusammen verbringen müssen. Es vergeht auch nicht viel Zeit, und die Fünf bekommen viel zu tun, da weitere Anschläge auf ihren neuen Boss verübt werden. Mit vereinten Kräften, trotz stellenweise auftretender persönlicher Antipathie, können die Bodyguards alle weiteren Attacken erfolgreich abwehren und kommen schließlich den Hintermännern der Übergriffe auf die Spur.
So erzählt könnte „The Mission“ ein konventioneller Gangsterstreifen aus Hongkong sein. Ist er aber nicht. Zum einen ist der Handlungsstrang des Aufspürens der Hintermänner nach gut einer Stunde erledigt, der Film aber noch nicht vorbei. Die Leibwächter haben im Anschluss ein wesentlich komplizierteres Problem in ihren eigenen Reihen zu lösen. Dem komplexen Geflecht der Beziehungen zwischen den Hauptfiguren, das im Film mit leichter Hand und wie beiläufig inszeniert wird, kommt im letzten Filmdrittel die Hauptbedeutung zu: Einer der Leibwächter hatte eine Liaison mit der Frau des Bosses. Nun sollen die übrigen Leibwächter das schwarze Schaf, ihren Kollegen, liquidieren. Dies wird inszeniert als Konflikt zwischen der Loyalität gegenüber ihrem Auftraggeber einerseits und andererseits der Gruppe, was inhaltlich zwar mit den Genrekonventionen im Einklang steht, durch die Hongkong-untypische Lösung des Problems aber mit leichtem Augenzwinkern präsentiert wird. Hierbei ist die Performance der Schauspieler makellos; sie schaffen es, ihren wortkargen Figuren genügend Tiefe zu verleihen, um die Entwicklung der Charaktere derart voranzutreiben, dass ihr Handeln beim Plot des Films plausibel erscheint. Eine Identifikationsfigur wird der Zuschauer allerdings vergeblich suchen.
Auch konservative Liebhaber des Hongkong-Kinos werden bei „The Mission“ auf ihre Kosten kommen – aber unter Umständen nach Ende des Films gleichzeitig etwas unbefriedigt sein: Es ist ein enormes Maß an Coolness vorhanden – doch diese wird innerhalb des Films immer wieder ironisch gebrochen; es gibt Waffen und Schusswechsel, die aber derart minimalistisch und ruhig in Szene gesetzt werden, dass Zuschauer, die sich auf Bloodshed-Action freuen, enttäuscht sein könnten. Was dem Betrachter allerdings an Stelle dessen geboten wird, ist vergleichsweise interessanter: Es ist ein ruhiges, psychologisch interessantes Mit- und Umeinander der fünf Hauptdarsteller, es sind kurze, äußerst interessante und unterhaltsame ironische Einschübe, es ist der ästhetische Minimalismus jeder Einstellung. Dieser Minimalismus zeigt sich nicht nur in den lakonischen und wortkargen Interaktionen der Figuren, sondern par excellence auch in den „Actionsequenzen“ des Films. Denn der Alltag der Bodyguards wird durchbrochen von spektakulären Momenten, in denen es darauf ankommt, ihren Chef zu schützen. Bei diesen Einschüben wird das ohnehin schon geringe Tempo des Films noch einmal verringert und in eine perspektivisch ausgefeilte, beinahe statisch wirkende Ästhetik einer perfekten Komposition überführt. An dieser Stelle besonders hervorzuheben ist die „Kaufhausszene“, in der die Helden in einer totalen Unübersichtlichkeit ihren Chef schützen müssen. Dabei fällt nur gelegentlich ein Schuss, doch ist diese Sequenz derart intensiv und gekonnt gefilmt, dass eigentlich auch Fans der schnelleren Aktionen mit anderen Sehgewohnheiten ihre Freude haben müssten.
Zum Schluss ist auch der Soundtrack des Films erwähnenswert: eine kaum variierte aber sehr treibende und einprägsame Synthi-Melodie, die dem Zuschauer auch nach dem Film eine zeitlang nicht aus dem Kopf gehen wird und den zentralen Momenten den nötigen „Drive“ verpasst sowie die statischen Actionsequenzen um eine interessante Facette bereichert. Leider ist die Musik gleichzeitig ein Manko: Alles andere als subtil und sehr repetitiv, dürfte sie dem einen oder anderen Zuschauer schnell auf die Nerven gehen.
„The Mission“ ist ein hervorragend komponierter Film über fünf Bodyguards, in dessen Zentrum, trotz Vorhandensein der genretypischen Elemente, die Psychologie der Protagonisten steht. Der Film lebt von seinen fast gelassenen Passagen, in denen auch der größtenteils unspannende „Berufsalltag“ der Protagonisten (der sowohl grandios-komisch als auch die Monotonie ihrer Arbeit auszudrückend in Szene gesetzt wird) eine große Rolle spielt. Trotz ironischer Brechungen haftet dem Film eine gewisse Kühle an, die es manchem schwer machen dürfte, „berührt“ zu werden. Auch bleiben die Charaktere trotz des guten Spiels ihrer Schauspieler dem Zuschauer fremd, doch sind sie nachvollziehbar genug, um den Plot von „The Mission“ zu legitimieren.