Die Geschichte eines Superstars – aber mit LEGO-Steinen erzählt
Von Michael MeynsBiografische Filme über Popstars, unabhängig davon, ob es Dokumentationen oder Spielfilme sind, folgen meist einem klaren Muster, das von Talking Heads geprägt ist und von Aufstieg und Fall erzählt. Das kann schnell langweilig werden, selbst wenn man den Künstler oder die Künstlerin eigentlich mag. Umso schöner, dass nun eine neue Ära des Musik-Films begonnen zu haben scheint – und im kurzen Abstand gleich zwei Filme erscheinen, die zwar nicht inhaltlich, aber stilistisch neue Wege gehen:
Zum einen das Robbie-Williams-Biopic „Better Man“, in dem der Sänger von einem CGI-Affen porträtiert wird, und zum anderen „Piece By Piece“, eine Dokumentation über den Produzenten und Sänger Pharrell Williams, der als LEGO-Film gedreht wurde. Das mag auf den ersten Blick wie kaum mehr als ein nettes Gimmick wirken, aber unter der Regie von Morgan Neville wird so aus einer potenziell konventionellen Musiker-Biografie ein immer wieder überraschender Film.
Pharrell Williams wurde 1973 im beschaulichen Virginia Beach an der amerikanischen Ostküste geboren. Er wuchs in Mittelklasse-Verhältnissen auf und lernte auf der High School Chad Hugo kennen, mit dem er The Neptunes gründete. Der Erfolgs-Produzent Teddy Riley erkannte schnell das Talent des Duos, das schon bald für Stars wie Justin Timberlake, Gwen Stefani, Missy Elliot oder Snoop Dogg Songs produzierte. Auch als Sänger feierte Pharrell große Erfolge, arbeitete mit dem legendären Elektro-Duo Daft Punk zusammen, war für den Mega-Hit „Happy“ für den Oscar nominiert. Durch seine markante Kleidung wurde er zudem zur Stil-Ikone und arbeitet inzwischen sogar als Chef-Designer von Louis Vuitton.
Ein Leben voller Erfolge, gespickt mit bekannten Songs und noch bekannteren Stars. Kein Wunder, dass Pharrell Williams schon vor Jahren gefragt wurde, ob es nicht Zeit für einen Dokumentarfilm über sein Leben wäre. Aber Williams wäre nicht einer der kreativsten, vielseitigsten Künstler unserer Zeit, wenn er einfach so einem konventionellen Projekt zugestimmt hätte. Da ihm völlige Freiheit zugestanden wurde, traf Williams eine ebenso ungewöhnliche wie kreative Entscheidung: Seine Frau hatte vor ein paar Jahren Drillinge zur Welt gebracht, die intensiv mit LEGO spielten – und so kam er auf die Idee, gleich den ganzen Film in LEGO zu drehen. Natürlich nicht in der klassischen Stop-Motion-Technik, die etwa die White Stripes für ihr berühmtes Video zu „Fell In Love With A Girl“ verwendeten, sondern in der animierten Form der erfolgreichen „The LEGO Movie“-Filme.
Da nun jeder LEGO-Film natürlich auch Werbung für LEGO ist, sträubte sich der Spielzeughersteller nicht, extra für den Film LEGO-Figuren herzustellen, die nicht nur so aussehen wie die vielen Stars, die Williams ständig über den Weg laufen, sondern auch die diversen Hauttöne und Frisuren, wie sie in der Gesellschaft längst Alltag sind, aber eben (noch) nicht in einem LEGO-Karton. Ebenbilder von Gwen Stefani, Jay-Z oder Snoop Dog kann man daher sehen, die in Musikstudios oder auf fetten Yachten abhängen. Allerdings stets in jugendfreier Version, was angesichts des nicht unbedingt subtilen und zurückhaltenden Musikbusiness fast ein wenig schade ist. Solche Exzesse wie etwa beim NWA-Film „Straight Outta Compton“ wird man hier nicht finden. Und auch wenn diverse von Pharrells Musik-Videos auf sehr hübsche Weise in LEGO nachgestellt werden: Die legendäre Ab-18-Version des Mega-Hits „Blurred Lines“ ist dann leider doch nicht dabei.
Immerhin wird der Song angespielt, auch wenn sich Pharrell Williams inzwischen von dem als sexistisch wahrgenommenem Text distanziert hat – einer der ganz wenigen Skandale in einem ansonsten blütenweißen Leben. Das Leben von Williams lief bislang so glatt ab, dass es fast schon ein wenig langweilig wirkt. Ein paar Zweifel angesichts des Erfolges und dem eigenen Perfektionismus, mehr Abgründe tun sich da nicht auf. Umso begrüßenswerter also, dass „Piece By Piece“ durch seine spezielle Form mehr ist als eine typische Aneinanderreihung von Talking Heads bekannter Menschen, die sich euphorisch über den Protagonisten äußern.
Denn für einen Aspekt von Pharrell Williams Wesen eignet sich die bunte LEGO-Welt besonders gut. Er besitzt nämlich die Fähigkeit zur Synästhesie, was bedeutet, dass er Musik sieht: Töne, Melodien, Beats fügen sich für ihn zu Mustern und Farben, die im Raum tanzen. Und genau das lässt sich durch die bunten LEGO-Steine aufs Wunderbarste visuell umsetzen. Besonders schön sind die Momente, in denen Williams Musikern Beats anbietet, die in Form von Edelstein-artigen LEGO-Steinen aus Kisten hüpfen und die Leinwand zum Strahlen bringen. Es sind solche Momente, die aus einer inhaltlich eher konventionellen biografischen Dokumentation einen visuell mitreißenden Film machen, der es schafft, die besondere Qualität von Pharrell Williams Musik nicht nur akustisch, sondern erstaunlicherweise auch visuell erlebbar zu machen.
Fazit: Morgan Nevilles animierter Dokumentarfilm „Piece By Piece“ zeichnet inhaltlich konventionell Leben und Karriere des Produzenten und Sängers Pharrell Williams nach, wird aber durch die kreative Entscheidung, einen LEGO-Film aus der Biografie zu machen, zu einem überraschenden, ungewöhnlichen und visuell überzeugenden Leinwandereignis.