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    Handling The Undead
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Handling The Undead

    Was machen mit all den wiederauferstandenen Toten?

    Von Jochen Werner

    Der Zombie ist unter den Monstren der Kinogeschichte schon immer dasjenige, das uns Menschen am nächsten steht. „They’re us“, heißt es einmal im Zombiefilm aller Zombiefilme, George A. Romeros „Zombie – Dawn of the Dead“, auf die Frage, um was für Kreaturen es sich bei den lebenden Toten denn handle. Und tatsächlich ist die Grenze, die die Lebenden von den Toten trennt, nicht nur dünn und jederzeit durchlässig, sondern auch absolut und unausweichlich. Nicht nur kann uns der Tod jederzeit und ohne Vorwarnung ereilen, er steht auch ohne jede Ausnahme jedem von uns unweigerlich bevor. Wenn die Toten zurückkehren, sind sie nicht mehr unser Anderes, sondern unsere eigene Zukunft.

    Die Frage nach dem menschlichen Umgang mit dem Unvorstellbaren – der Rückkehr verstorbener, geliebter Menschen aus dem „unentdeckten Land“, wie Shakespeares Hamlet den Tod einst benannte – wurde bereits zuvor im Kino gestellt. Zumeist in Filmen, die aus dem Horrorgenre ausbrechen und sich den großen philosophischen Fragen in eher unblutiger Form zuwandten. Robin Campillos „The Returned“ etwa stellte 2004 zunächst einmal ganz pragmatische Fragen: Wo sollen all die Rückkehrer wohnen? Und wie ist es mit der Wiedereingliederung in ihre alten Jobs? Auch an der ganz großen Frage nach dem Menschlichen an sich kam er dann aber doch nicht vorbei: Was macht der Tod mit denen, die aus ihm zurückgekehrt sind? Sind sie noch die, die wir kannten, oder etwas ganz Anderes geworden?

    Neon
    Norwegens absoluter Schauspiel-Shooting-Star der letzten Jahre, Renate Reinsve aus „Der schlimmste Mensch der Welt“, ist auch dabei.

    Alles Fragen, die die populäre Kultur in den folgenden zwei Jahrzehnten nie mehr so recht losgelassen habe. So wurde der Stoff anschließend gleich zweimal in Serienform weitergesponnen, einmal in französischer Produktion (zwei Staffeln ab 2012) und einmal als englischsprachiges Netflix-Remake, das 2015 nach nur einer Staffel direkt wieder abgesetzt wurde. Aus Norwegen kommt nun mit „Handling The Undead“ eine weitere Variation des Themas, das in der Zwischenzeit wenig von seiner Faszinationskraft eingebüßt hat. Für die narrativen Versatzstücke des Horrorgenres interessiert sich auch Regisseurin Thea Hvistendahl in ihrem Untoten-Drama wenig – jedenfalls zunächst einmal. Denn los geht es zunächst einmal sehr, sehr langsam und meditativ.

    In drei Handlungssträngen werden die Protagonist*innen des Films in verschiedenen Stadien von Verlust und Trauer eingeführt. Die betagte Tora (Bente Børsum) betrauert den Tod ihrer Lebensgefährtin Elisabet (Olga Damani). Anna (Renate Reinsve) wird nach dem Tod ihres kleinen Sohnes von ihrem Vater (Bjørn Sundquist) daran gehindert, sich das Leben zu nehmen. Und Eva (Bahars Pars), die Frau des Stand-Up-Comedians David (Anders Danielsen Lie), ist gerade erst nach einem Unfall verstorben, um dann noch auf dem Operationstisch wieder aufzuwachen. Bei aller Irritation sind sie alle auf ihre Art glücklich über das Wiedersehen mit ihren geliebten Menschen – aber was ist von diesen tatsächlich noch übriggeblieben? Denn kommunikativ sind diese lebenden Toten nicht, eher wirken sie in ihren verfallenden Leibern katatonisch bis zunehmend bedrohlich.

    Neon
    Die Toten kehren zwar zurück – allerdings in halbverfallenen Körpern.

    Mit böser Zunge könnte man behaupten, dass dieser Kontrast in „Handling The Undead“ nicht so recht funktioniert, weil auch alles Lebendige schon von Anfang an ohnehin so leblos wirkt. Tatsächlich ist dies zwar ein visuell oft atemberaubender Film, in dem jede Einstellung wie ein präzise arrangiertes Tableau funktioniert. Leider handelt es sich bei diesen Tableaus aber durchweg um Stillleben, graue Menschen in grauen Bildern unter grauen Himmeln in grauen Landschaften und grauen Innenräumen. Es wird viel geschwiegen in diesem Film und viel geschaut, mit Vorliebe schwermütig ins Nichts. Selbst Telefone klingeln ins Leere, und über all dem Leiden und Schauen und Sinnieren vergeht die bleierne Zeit. Verhandelt wird dabei aber am Ende sehr wenig, denn unter den hübschen Bildarrangements, den eleganten Kamerafahrten und dem dräuenden Streicher-Soundtrack ist „Handling The Undead“ im Grunde ziemlich leer.

    Paradoxerweise wird der Film dann zum Ende hin gerade dadurch ein bisschen besser, dass er um diesen etwas betrüblichen Umstand – dass er bei aller aufgefahrenen Prätention und Preziosität zur Conditio Humana eigentlich gar nichts zu sagen hat – möglicherweise sogar selbst weiß. Denn wenn man schon längst niemand mehr damit rechnet, verdichten sich plötzlich die Anzeichen, dass „Handling The Undead“ am Ende vielleicht doch einfach nur die langsamste aller Slowburn-Zombie-Apokalypsen präsentieren wollte. Natürlich ist das dann längst zu wenig zu spät. Aber dass dann doch zumindest noch irgendetwas passiert, was zu diesem Zeitpunkt nicht mehr komplett erwartbar war, versöhnt auf den letzten Metern noch ein wenig und lässt den Film vielleicht auch ein kleines bisschen cleverer erscheinen, als er vermutlich tatsächlich ist.

    Fazit: „Handling The Undead“ ist nicht komplett uninteressant und sehr hübsch anzuschauen. Über Leben, Tod, Verlust, Trauer und die Conditio Humana weiß das norwegische Zombiedrama jedoch nur wenig zu erzählen – auch wenn es formal allerlei auffährt und visuell opulent und elegant daherkommt. Unter teils wunderschön komponierten Kinotableaus gähnt jedoch allzu oft die Leere.

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