Nach 8 (!) Jahren endlich wieder auf der großen Leinwand!
Von Stefan GeislerMehr als 1,8 Milliarden Dollar haben die bisherigen drei Teile der „Kung Fu Panda“-Reihe weltweit an den Kinokassen eingespielt. Aber auch wenn die Animations-Abenteuer bis zuletzt extrem lukrativ gewesen sind, haben sich dennoch erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar gemacht: Nach dem Rekord-Einspielergebnis von 665 Millionen für „Kung Fu Panda 2“ brachte es der dritte Teil „nur noch“ auf immer noch starke 521 Millionen Dollar. Nach einer Zwangspause von geschlagenen acht (!) Jahren meldet sich der Martial-Arts-Bär nun zurück. Eine lange Zeit – gerade im Animations-Kino, wo die jungen Kinobesucher*innen von damals inzwischen doch selbst (fast) schon groß sind. Aber zum Glück ist das Kernpublikum von „Kung Fu Panda“ längst nicht so starr definiert wie bei anderen Familien-Franchisen:
Der bisweilen sehr ernste Subtext – wie etwa der angedeutete Panda-Genozid im zweiten Teil – machen die Filme auch für Erwachsene interessant. Und dem chaotischen Charme der rasanten Action-Einlagen kann sich wohl ohnehin keine Altersklasse entziehen. Es ist bemerkenswert, dass die Reihe selbst im vierten Anlauf noch immer so gut funktioniert und dabei Pos Werdegang sogar konsequent weiterdenkt. Zwar erreicht der neueste Leinwand-Ausflug des gemütlichen Drachenkriegers nicht ganz die Klasse seiner direkten Vorgänger, dennoch gibt es auch diesmal wieder ein launiges Abenteuer, das sein Herz (genau wie der plüschige Protagonist) definitiv am rechten Fleck trägt.
Wieder einmal soll Po (Stimme im Original: Jack Black; in der deutschen Fassung: Hape Kerkeling) den nächsten Schritt in seiner Heldenreise antreten: Meister Shifu (Dustin Hoffman) offenbart dem knuddeligen Drachenkrieger, dass es an der Zeit ist, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin auszuwählen – und damit zugleich selbst in den Rang eines spirituellen Führers aufzusteigen. Po soll also jenen Titel tragen, den einst der Schildkrötenmeister Oogway innehatte. Doch Po hat viel zu viel Spaß mit seinem Dasein als Drachenkrieger. Warum aufhören, wenn es am schönsten ist? Und so findet er immer wieder Ausflüchte, um die Wahl hinauszuzögern.
Als Gerüchte die Runde machen, dass der gefürchtete Tai Lung (Ian McShane) wieder gesehen wurde, ist für Po klar, dass auch dies ein Job für den Drachenkrieger ist. Eine diebische Füchsin namens Zhen (Awkwafina) verrät ihm, dass es sich bei de Sichtungen gar nicht um den echten Tai Lung handeln würde – sondern lediglich um das gefürchtete Chamäleon (Viola Davis), das in der Lage ist, jede Gestalt anzunehmen. Gemeinsam brechen Po und Zhen auf in die Großstadt Juniper City, wo die Schurkin bereits fast die gesamte Unterwelt kontrolliert. Kann das ungleiche Duo gegen die Verwandlungsfähigkeiten des Chamäleons ankommen?
In der „Kung Fu Panda“-Reihe wurde von jeher nicht nur kräftig zugelangt, es gab auch immer ein emotionales Gegengewicht zu all der Action. Gerade der Begriff der Familie wurde in seinen verschiedensten Ausformungen behandelt. Bereits der Auftakt der Serie machte dabei deutlich, dass Blutsverwandtschaft kein Gütesiegel für Fürsorge sein muss, sondern ein Gänse-Vater sein adoptiertes Bären-Kind ebenso lieben und unterstützen kann. Nachdem in „Kung Fu Panda 3“ erstmals Pos leiblicher Vater in Erscheinung getreten ist, bekommt die Vater-Vater-Sohn-Beziehung nun noch mal eine ganz eigene Dynamik – wobei sich in „Kung Fu Panda 4“ sogar einige queere Untertöne herauslesen lassen, die angenehm unaufgeregt in die Geschichte eingebunden sind.
Nudel-Gans Ping (James Hong) und Bären-Vater Li (Bryan Cranston) sorgen sich so sehr um ihren Sprössling, dass sie sich gemeinsam auf den Weg begeben, um ihren geliebten Po bei seinem Kampf gegen die fiese Gestaltwandlerin zu unterstützen – was zu einigen wirklich herzerwärmenden Momente für das Doppelvater-Gespann führt. Selbst die Frage, wer denn der „wirkliche“ Vater von Po sei, beantwortet der Film auf seine grundsympathische Art und Weise – und macht dabei unmissverständlich klar: Es ist egal, ob Panda-Vater oder Gänse-Papa – wichtig ist nur, dem eigenen Kind in schwierigen Lebensphasen uneingeschränkt den Rücken zu stärken. Und wenn es danach geht, dann sind Ping und Li wirklich die Leinwand-Eltern des Jahres.
Ein weiteres Highlight sind die Schauplätze: Po zieht es aus dem Tal des Friedens in die große Welt – und die verschiedenen Sets haben visuell nicht nur eine Menge, sondern auch viel Abwechslungsreiches zu bieten. Gemeinsam mit Po erkunden die Zuschauer*innen nicht nur die Mega-Metropole, sondern auch das unterirdische Versteck der Diebesgilde, die von allerhand (liebenswert-)schrägen Figuren bevölkert wird. Teilweise gleichen die neuen Ortschaften kleinen Wimmelbildern, so belebt geht es hier zu. Monty-Pythons-Fans dürfen sich darüber hinaus über eine liebevolle Anspielung an eine der größten Schreckensfiguren aus „Die Ritter der Kokosnuss“ freuen, denn das blutrünstige Killer-Kaninchen hat wohl Nachwuchs bekommen – und der sorgt nun in der Diebesgilde für jede Menge Turbulenzen.
Apropos turbulent: Auch die Action macht wieder richtig Laune. Die wunderbar rasanten Martial-Arts-Einlagen ziehen das Tempo ordentlich an und sind zugleich wunderschön chaotisch choreografiert. In einer rustikalen Spelunke kommt es beispielsweise zu einer deftigen Prügelei mit einigen äußerst zwielichtigen Gestalten, während eine wilde Flucht vor dem Gesetz zu einer „Kung Fu Panda“-Instrumental-Version des Ozzy-Osbourne-Klassikers „Crazy Train“ zu einem wild-spaßigen Ritt durch die engen Gassen von Juniper City ausartet.
Leider kann ausgerechnet der Kampf gegen die gefürchtete Gestaltwandlerin da nicht mithalten. Zuvor als skrupellos-verschlagene Schurkin eingeführt, die selbst die härtesten Hunde der Stadt locker in die Tasche steckt, werden die Fähigkeiten des Chamäleons im großen Finale darauf beschränkt, ein Best-of bisheriger „Kung-Fu-Panda“-Protagonisten zu präsentieren. Und so muss sich Po noch einmal gegen Tai Lung, Lord Shen und General Kai erwehren, bevor diese letztlich zu einem gigantischen Blob mutieren, der alle bisherigen Endgegner in sich vereint.
Erstaunlicherweise ist es Po selbst, der dieses Monstrum am treffendsten kommentiert: Der Drachenkrieger zeigt sich von den Mutantenwesen zwar durchaus beeindruckt, stellt aber zugleich fest, dass es womöglich auch ein bisschen zu viel des Guten sei. Immerhin bekommt Po während des Schaulaufens der beliebtesten „Kung Fu Panda“-Bösewichte noch einmal die Gelegenheit, sich als echter Fanboy zu outen, der sich mit voller Freude in den Kampf mit seinen abgöttisch verehrten Kampfkunst-Meister*innen stürzt. Und genau für diesen Positivismus haben wir ihn doch schon in „Kung Fu Panda“ ins Herz geschlossen.
Fazit: „Kung Fu Panda 4“ fühlt sich nach jahrelanger Pause wie ein Wiedersehen mit einem alten Freund an. Dabei muss sich das verspätete Sequel vor seinen Vorgängern nicht verstecken, denn auch hier gehören die schwungvollen Action-Einlagen zu den besten und kreativsten, die es aktuell im Animationsbereich zu bestaunen gibt. Da ist es nur schade, dass sich ausgerechnet das Finale ein wenig zu stark auf den ikonischen Schurken der vorangegangenen Teile ausruht und dem Chamäleon somit verwehrt wird, selbst einen tieferen Fußabdruck im Franchise zu hinterlassen.
PS: Noch ein kleiner Hinweis zum Schluss: Wer auf einen erneuten Auftritt der Furiosen Fünf wartet, der dürfte etwas enttäuscht sein. Diese bekommen lediglich einen kurzen und wortlosen Cameo-Auftritt. Das ist zwar schade, aber durchaus notwendig, um der Geschichte um Po und Zhen genügend Platz zur Entfaltung zu verschaffen (und einiges an Honoraren für die sehr prominenten Sprecher*innen wie Jackie Chan oder Angelina Jolie einzusparen).