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    Eingeschlossene Gesellschaft
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Eingeschlossene Gesellschaft

    Wenn sich Lehrer*innen gegenseitig an die Gurgel gehen

    Von Markus Tschiedert

    Schon beim Filmplakats zur Komödie „Eingeschlossene Gesellschaft“ könnte man leicht auf die Idee kommen, dass es sich hier um eine Fortsetzung von „Frau Müller muss weg“ von 2015 handelt: Beide Filme stammen von Sönke Wortmann und handeln jeweils von sechs Personen, die sich in einem Schulgebäude zanken – dazu sind mit Justus von Dohnányi („Das Experiment“) und „LOL: Last One Laughing“-Dauergast Anke Engelke („Mein Sohn“) sogar zwei der Darsteller*innen dieselben.

    Aber auch wenn der „Der Vorname“-Regisseur nun zum zweiten Mal die abgründigeren Seiten des deutschen Bildungssystems mitverhandelt, haben die Filme nichts miteinander zu tun. „Frau Müller muss weg!“ basierte auf ein Theaterstück von Sarah Nemitz und Lutz Hübner, für „Eingeschlossene Gesellschaft“ bildete nun hingegen das Hörspiel von Jan Weiler die Vorlage. Dieser schrieb auch das Drehbuch für die Verfilmung, die vor allem von wahnwitzigen Wortgefechten und einem erstklassigen Cast lebt – und damit garantiert einige (unschöne) Erinnerungen an die eigene Schulzeit wachruft.

    Klaus Engelhardt (Justus von Dohnányi) lässt sich einfach nicht erweichen, den einen fehlenden Punkt doch noch rauszurücken.

    Feierabendstimmung an einem Freitagnachmittag im Lehrerzimmer eines deutschen Gymnasiums. Aber aus dem Abflug ins Wochenende wird nichts: Ein aufgebrachter Vater (Thorsten Merten) verschafft sich Zugang ins Zimmer, um für seinen Sohn die Zulassung zur Abiturprüfung einzufordern. Als der zuständige Lehrer Klaus Engelhardt (Justus von Dohnányi) den einen noch notwendigen Punkt zur Zulassung verweigert, zieht der Vater eine Waffe und sperrt alle noch anwesende Lehrkräfte ein. Sie sollen den Fall diskutieren und darüber abstimmen, ob die Zukunft eines Jungen tatsächlich von einem einzigen Punkt abhängig gemacht werden darf. Als die Argumente für und wider auf den Tisch kommen, eskaliert die Situation zunehmen und schließlich gehen sich einige sogar buchstäblich an den Kragen…

    Einmal Mäuschen spielen, wenn die vermeintlich Großen über die die Zukunft der Kleinen entscheiden – aus dieser sonst verschlossenen Perspektive beobachtet man mit Wonne das Treiben der sechs Lehrkörper, die sich hier gegenseitig zerrupfen, wenn Fassaden fallen und hinter Arroganz und Affektiertheit plötzlich Dekadenz und Dogmatik zum Vorschein kommen. Sönke Wortmann und Jan Weiler setzen da durchaus auf eine gewisse Schadenfreude, aus der sich ihre angenehm böse Satire nährt. Nicht zuletzt, weil sich die allermeisten Zuschauer*innen sicherlich auch an die eigene Kindheit und Jugend erinnert fühlen: Schließlich steht jede der sechs Figuren für einen anderen Archetypen aus der Lehrerschaft, die die meisten von uns während ihrer Schulzeit kennenlernen durften/mussten.

    So einen oder so eine hatte früher jeder mal

    Justus von Dohnányi gibt mit einer köstlichen Performance den verbohrten und selbstgerechten Pädagogen, der aber letztlich nicht mehr als ein armes Würstchen ist. Eine ebenso konservative und kinderhassende Lehrerin spielt auch Anke Engelke, die das Bild einer schrulligen Schreckschraube auch noch mit ihrem wenig vorteilhaften Outfit unterstreicht. Florian David Fitz („Das perfekte Geheimnis“) hingegen verkörpert einen schwänzelnden Sportlehrer, der sich bei den Schüler*innen als kumpelhafter Typ anbiedert, um sich selbst einreden zu können, er wäre mit seiner lässigen Art besonders beliebt.

    Und dann sind da noch Thomas Loibl („Toni Erdmann“) als Opportunist und Torben Kessler („Contra“) als pornoschauender Lehrer, der zur Verhinderung eines Skandals ein allgemeines Handy-Verbot an der Schule durchsetzen konnte, was ihm allerdings auch im Kollegium wenig Sympathien eingebracht hat. Einzig sympathisch ist eigentlich nur Nilam Farooq („Du Sie Er & Wir“) als junge Referendarin, die schon deshalb auf Seiten der Schülerschaft steht, weil sie selbst in der Hackordnung des Kollegiums ganz unten angesiedelt ist, was sie vor allem Frau Lohmann ständig spüren lässt.

    Peter Mertens (Florian David Fitz) glaubt (fälschlicherweise), dass er mit seinem Eingeschleime bei der Schülerschaft super ankommt.

    Die Kritik am deutschen Bildungssystem ist dabei allerdings eher verklärt nostalgisch als brennend aktuell: Die systemischen Mängel, die vor allem in den Jahren der Pandemie noch einmal deutlicher als je zuvor zutage getreten sind, spielen eher keine Rolle. Stattdessen geht es speziell um das (zweifelhafte) Machtverhältnis zwischen Lehrer*in und Schüler*in. Wie kann es sein, dass willkürlich vergebene oder abgezogene Punkte zum alleinigen Maßstab für den weiteren Bildungs- und damit Lebensweg eines Jugendlichen werden können? Und dürfen sich Lehrkräfte dahingehend wie Götter erheben?

    Fragen, die hier nicht zu Ende verhandelt werden, aber als Katalysator für eine bissige Charakterstudie über die deutsche Lehrerschaft dienen. Zugegeben werden dafür auch einige Klischees herangezogen, manches wirkt überzogen, aber letztlich steckt doch viel Wahres dahinter. Dem Ensemble klebt man ohnehin gern an den Lippen, um keinen der spitzen Dialoge zu verpassen. Das Zusammenspiel der Cast-Mitglieder ist auch über die 100 Minuten hinweg dermaßen garstig und amüsant, dass es sogar ein Vorteil ist, dass der Spielraum zu 90 Prozent auf das Lehrerzimmer reduziert bleibt. So macht Sönke Wortmann nach „Frau Müller muss weg“ und „Der Vorname“ einmal mehr aus einem kleinen Kammerspiel eine echt lustige Kinokomödie.

    Fazit: Mit diesem Schauspielensemble lässt man sich gern einschließen! „Eingeschlossene Gesellschaft“ ist eine kurzweilige Komödie, in der der deutsche Lehrkörper mit entlarvendem Biss ins Visier genommen wird.

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