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    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
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    gut
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    Jetzt darf man bei Bully endlich wieder lachen!

    Von Karin Jirsak

    Im Jahr 2018 erschütterte der Fall Claas Relotius die Medienwelt: Der junge Spiegel-Starreporter hatte unzählige seiner gefeierten Reportagen zum Teil oder sogar komplett frei erfunden. Initiiert wurde die Enthüllung von Juan Moreno, einem Kollegen von Relotius, der als freier Journalist ebenfalls für den Spiegel arbeitete und 2019 den Bestseller „1000 Zeilen Lüge“ über die Geschehnisse im Rowohlt Verlag veröffentlichte*. Regie führt bei der Kinoadaption mit Michael „Bully“ Herbig nun ein ausgewiesener Comedy-Experte, der sich mit „Ballon“ aber schon einmal einen realen historischen Stoff inszeniert hat und diesmal auf den Spuren von Adam McKay wandelt, der in „The Big Short“ und „Vice“ ja ebenfalls schon potenziell trockene Themen als überhöhte, augenzwinkernde Meta-Satiren umgesetzt hat. Das Ergebnis ist „Tausend Zeilen“ – ein Hybrid aus die vierte Wand durchbrechender Mediensatire und lockerer Familienkomödie, der als solcher streckenweise ein wenig holpert, im Großen und Ganzen aber zündet. Nach den drei extrem erfolgreichen „LOL: Last One Laughing“-Staffeln, wo es unter der strengen Aufsicht von Herbig ja gerade darum ging, möglichst keine Mine zu verziehen, darf man hier also endlich wieder herzhaft über die Arbeit des „Der Schuh des Manitu“-Masterminds lachen – selbst wenn es sich auf dem Papier eigentlich um eine ernste Angelegenheit handelt.

    Bei der gemeinsamen Arbeit an einem Artikel für Die Chronik, das größte journalistische Magazin Europas, bemerkt der freie Journalist Juan Romero (Elyas M’Barek) Unstimmigkeiten in den blumigen Beschreibungen seines Kollegen Lars Bogenius (Jonas Nay). Romero beginnt auf eigene Faust zu recherchieren und stößt dabei auf einen potenziellen Skandal innerhalb des eigenen Blattes. Als er die Redaktion in seine Vermutungen einweiht, um so das Erscheinen der mit Bogenius gemeinsam verfassten Story noch irgendwie zu verhindern, tut die Chefetage (schön schmierig: Jörg Hartmann & Michael Maertens) seinen Verdacht als bloße Eifersüchtelei unter Kollegen ab. Romero hat nur eine Chance: Er muss alles aufs Spiel setzen und Bogenius mit journalistischen Mitteln das Handwerk legen…

    Juan Romero (Elyas M’Barek) setzt zur Ehrenrettung des Journalismus alles auf eine Karte – selbst wenn ihn das seine gesamte Karriere kosten kann.

    Die Wahrheit. Sonst nichts.“ Wer mit einem solchen Slogan wirbt, muss liefern. Heißt, sich an die journalistische Grundregel Nr. 1 halten: Die Fakten der Realität entsprechend wiederzugeben. Auf die Fahnen geschrieben hat sich diese Worte das fiktive Nachrichtenmagazin Die Chronik, das hier ziemlich leicht als Spiegel zu identifizieren ist. Ins Haus geholt hat sich das renommierte Blatt allerdings Lars Bogenius. Einen genialen Schreiberling, der es mit der Wahrheit, gelinde gesagt, nicht so genau nimmt. Ein Charakter, der mit seinen ganz selbstverständlichen Lügengebäuden schockiert, aber in seiner an Narrentum grenzenden Selbstsicherheit auch fasziniert. Die perfekte Besetzung für diesen Eulenspiegel der Medienwelt hat Michael Herbig mit Jonas Nay („Deutschland 83“) gefunden, der mit kerzengerader Haltung und minimalistischer Mimik die freche Pseudoseriosität des hier lustigerweise Bogenius genannten Schelms hervorragend zum Ausdruck bringt.

    Auf der Seite der „Wahrheit“ steht mit Juan (hier) Romero ein Gegenspieler, mit dem sich jeder Mensch identifizieren kann, der schon mal in einer beruflichen Extremsituation eine wichtige E-Mail an die Chefetage schreiben musste, während die Kinder im Nebenzimmer aufs Klavier eindreschen. In der Rolle dieses Helden sehen wir Leinwand-Superstar Elyas M'Barek so, wie wir ihn seit „Türkisch für Anfänger“ kennen: Ein liebenswerter Chaot, der die Sache schon irgendwie hinbiegen wird, auch wenn es erst mal nicht danach aussieht.

    Gerade weil er so zurückgenommen spielt, ist der Casting-Abteilung mit der Besetzung von Jonas Nay ein echter Coup gelungen!

    Im Verlauf des Enthüllungsplots gerät Romeros entgleisende Work-Life-Balance womöglich sogar etwas zu sehr in den Vordergrund. Dass Herbig dafür die viel spannendere Ermittlungsarbeit ein wenig aus dem Fokus verliert, ist auch deshalb schade, weil sein Film gerade in den Szenen besonders stark ist, wenn es wirklich ums journalistische Handwerk geht: Etwa wenn Bogenius in der Redaktion in bester Adam-McKay-Manier die vierte Wand durchbricht und uns die für ihre Gründlichkeit berüchtigte Dokumentationsabteilung der Chronik erklärt – und wie er sie unter anderem mit Hilfe von Süssigkeiten-Geschenken überlisten konnte. An anderer Stelle taucht auch Romero plötzlich für einen erklärenden Kommentar in der Redaktionssitzung auf – und zwar im Bademantel, womit wir zumindest schon mal auf dem halben Weg zur schaumbadenden Margot Robbie in „The Big Short“ angelegt wären.

    Genial auch, wie die Reportagen von Bogenius inklusive seiner ihnen vorausgehenden dichterischen Überlegungen filmisch zum Leben erweckt werden. Großen Spaß dürften vor allem Nicht-Leser*innen der Buchvorlage beim Rätselraten rund um die Frage haben: Was hat sich (wirklich?) so ereignet, was haben Bully und sein Team sich ausgedacht? Wie im Vorspann angekündigt, vereinfacht und verfremdet das Skript von Erfolgs-Produzent und Drehbuch-Debütant Hermann Florin die von Juan Moreno niedergeschriebenen Ereignisse und Sachverhalte hier und da, findet in der Akte Relotius aber dennoch auch erstaunliche viele Tatsachen, die man glatt auch für Erfindung halten könnten: Zum Beispiel, dass Relotius für seine Fake-Reportage über das Graffiti eines Jungen, das angeblich den Syrienkrieg auslöste, noch im Jahr seiner Entlarvung mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet wurde...

    Fazit: Wahrheit und Fake in der Medienwelt – Michael „Bully“ Herbig erkennt den Geist der Zeit und erzählt den Fall Relotius, pardon, Bogenius in „Tausend Worte“ als unterhaltsamen Mix aus Satire und Familienkomödie. So hält er nicht zuletzt auch uns Medienkonsument*innen den (Eulen-)Spiegel vor – und wir haben auch noch mächtig Spaß dabei.

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