„The Salton Sea“ ist ein wunderbar ausgeklügelter Thriller, der durch seine begnadete Erzählweise nicht nur bis zur letzten Minute interessant bleibt, sondern auch stets weitere intelligente Wendungen parat hat.
Der Jazzmusiker Tom Van Allen (Val Kilmer) führt ein glückliches Leben mit seiner Ehefrau Liz (Chandra West). Doch dieses Glück soll während eines Ausflugs an den malerischen „Salton Sea“ jäh zerstört werden. Als die beiden einen kurzen Zwischenstopp einlegen, um nach dem Weg zu fragen, stürzen zwei maskierte Killer in das Haus, in dem die beiden sich aufhalten. Tom muss mit ansehen, wie Liz ermordet wird; er überlebt zwar, sein Lebenswille jedoch ist gebrochen. Er rutscht schließlich in die Drogenszene von Los Angeles ab, die von einer einzigen Droge dominiert wird: kristallinem Methamphetamin. Diese Droge ist einfach in der Herstellung (in beinahe jedem Haushalt finden sich die nötigen Zutaten), macht stark süchtig und putscht die Süchtigen - die sogenannten Tweakers - dermaßen auf, dass diese oftmals tagelang wach sind. Sie verlieren so nicht nur das Gefühl für sich selbst und ihre Umgebung, sondern auch jegliches Zeitgefühl. Völlig versackt ist Tom im Drogensumpf aber noch nicht; unter der Identität Danny Parker arbeitet er als Spitzel für die zwei Cops Morgan (Doug Hutchison) und Garcetti (Anthony LaPaglia). Der letzte Ausweg aus diesem Doppelleben könnte ein Drogendeal sein, bei dem Danny als Mittelsmann auftritt und mit dem perversen Drogenboss „Pu dem Bären“ (Vincent D’Onofrio) verhandeln muss. Doch nun überspitzen sich die Ereignisse und es wird offensichtlich, dass bisher kaum jemand mit offenen Karten spielte ...
Im Jahr 2000 brachte Christopher Nolans den Überraschungshit „Memento“ an den Start. Hochgelobt wegen seiner intelligent vorgetragene nicht stringente Erzählweise wurde der Thriller zum Meisterwerk. „The Salton Sea“ baut auf ein ähnliches Prinzip, verkommt aber zum Glück zu keiner farblosen Kopie, sondern bleibt eigenständig. In der ersten Szene sehen wir Danny in einem brennenden Apartment sitzen; er hockt resigniert auf dem Boden und spielt Trompete. Plötzlich fragt er den Zuschauer aus dem Off heraus „wer bin ich?“ und beginnt, seine Geschichte zu erzählen. D.J. Caruso liefert mit The Salton Sea’ seinen ersten Spielfilm ab und verfilmte Tony Gaytons fantastisches Drehbuch. Der Film entwickelt seine Geschichte aus den Figuren heraus und gibt stets nur so viele Informationen, wie nötig sind, um im Kopf des Zuschauers ein Bild der momentanen Situation entstehen zu lassen, das im weiteren Verlauf unter Umständen wieder umgekrempelt wird. Geschickt wird der Zuschauer von einer Erwartungshaltung in die nächste getrieben und mit einem unglaublichen Gespür für richtiges Timing platziert Gayton seine Storytwists. Diese Leistung scheint geradezu unglaublich, wenn man bedenkt, dass Gayton ebenfalls für das Drehbuch zu „Mord nach Plan“ verantwortlich zeichnet, dessen Plot fade und vorhersehbar war. Vielleicht geriet der Thriller mit Sandra Bullock aber auch nur deshalb so durchschnittlich, weil Gayton größeren Wert auf „The Salton Sea“ legte und dafür muss man ihm dankbar sein, denn dieser Film bietet ungleich mehr Potential.
Caruso seinerseits ließ es sich nicht nehmen, „The Salton Sea“ einen ureigenen Stil zu geben. Der Regisseur erzählt die Geschichte unglaublich ausdrucksstark mit markanten Charakteren und zusammen mit Kameramann Amir M. Mokri in eigenwilligen Bildern. Er findet dabei den richtigen Rhythmus und kombiniert hier virtuos Suspense und schwarzen Humor. Wenn Danny zusammen mit seinem Freund Jimmy dem „Finnen“ (Peter Sarsgaard) die Haustür öffnet und unerwartet das Tageslicht in die abgedunkelte Wohnung fällt, gerät der Lichteinfall zu einer wahren Welle, die alles mitzureißen scheint und beide greifen gleichzeitig nach ihren Sonnenbrillen. Diese Szene ist ein Paradebeispiel für die scheinbar seichte Darstellung dieses Brockens, den „The Salton Sea“ eigentlich darstellt und wie einfach es dem Zuschauer gemacht wird, in der Story und den Charakteren aufzugehen.
Inmitten der sich langsam entwickelnden Geschichte um Danny Parker kommen immer wieder traumatische Erinnerungen an das Leben von Tom Van Allen hoch; wir nähern uns so in Rückblicken immer mehr der derzeitigen Situation an und allmählich beginnt sich das Puzzle zusammenzufügen, das uns letzten Endes sagt, warum Danny in diesem brennenden Apartment sitzt. Herausragend ist dabei die schauspielerische Leistung von Val Kilmer, der zum letzten Mal im Jahre 2000 mit „Red Planet“ auf der großen Leinwand zu sehen war. Er spielt das Gespann Tom/Danny mit allen Facetten so glaubwürdig aber auch durchsichtig wie undurchsichtig zugleich und ebnet damit Drehbuchautor Tony Gayton den Weg für seine Wendungen in der Geschichte, denn als Zuschauer nimmt man Raubein Kilmer jeden Zustand seines Charakters ab, bis man irgendwann wirklich weiß, wer er ist und hier knüpft Gayton wieder an Christopher Nolans „Memento“-Prinzip an, ohne jedoch schamlos abzuschreiben. Auch der Rest der Schauspielerriege geht in ihren jeweiligen Rollen auf; Vincent D’Onofrio beispielsweise nahm nach eigenen Angaben knappe 20 Kilo für die Rolle des kranken Drogenbosses „Pu dem Bären“ zu und tatsächlich tut man sich anfangs schwer, ihn zu erkennen. Teilweise finden sich unter den Akteuren auch alte Bekannte wieder, die für Milieufilme dieser Art immer wieder gerne gebucht werden; zum Beispiel Danny Trejo (u.a. „Heat“, „Desperado“, From Dusk Till Dawn’) oder Luis Guzmán (u.a. „Boogie Nights“ und „Traffic“).
Mit eben dieser Schauspielerriege erzählt Caruso auf begnadete Art und Weise die fesselnde Geschichte über eine stellenweise groteske Odyssee. „The Salton Sea“ könnte nahezu perfekt sein, fänden sich da nicht einige Sackgassen. So greift der Film das Thema Drogen nur im Vorbeigehen auf; er beginnt zwar mit der bizarr anmutenden Darstellung der Süchtigen, lässt dieses Motiv dann aber versacken. Ebenso bleibt die Entwicklung einiger Charaktere im Dunkeln und wieder andere - wie beispielsweise Dannies Nachbarin Colette (Deborah Unger) - dienen lediglich als leicht inhaltsschwangere Stichwortgeber.