„In der gesamten Historie des Boxens
wird sich keine Geschichte finden,
die sich mit dem Leben von
James J. Braddock vergleichen lässt.“
Damon Runyan (Sportjournalist, 1936)
Es ist der amerikanische Traum. Vom Tellerwäscher zum Millionär. Aus der Gosse hinein in die edelsten Penthäuser. Heute ein Niemand, morgen ein gefeierter Star. Nun ist es heute mit dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht mehr all zu weit hin. Heute ist Amerika – wenn überhaupt – ein Land wie jedes andere auch. Aber der gemeine Amerikaner schwelgt eben gerne in der eigenen, ruhmreichen Vergangenheit. Auch Hollywood nimmt sich regelmäßig dieser Themen an. Einer dieser ruhmreichen Helden ist der Boxer James J. Braddock, der mit Ron Howards „Das Comeback“ nun seine eigene Leinwand-Bio bekommt.
In den späten 20er Jahren zählt der irischstämmig Schwergewichtler James J. Braddock (Russell Crowe) zu den kommenden Sternen am Box-Himmel. Er ist sicherlich nicht der eleganteste Boxer, aber er hat Mumm in den Knochen, einen eisernen Willen und eine knallharte Rechte. Am Höhepunkt seiner Karriere winkt ihm gar ein Kampf um den Weltmeistertitel. Doch dann macht ihm die Weltwirtschaftskrise einen Strich durch die Rechnung. Auf einmal lässt sich mit Boxen nur noch wenig Geld verdienen. Und zu allem Überfluss bricht sich James bei einem Autounfall auch noch die rechte Hand. Er, seine Frau Mae (Renée Zellweger) und die drei gemeinsamen Kinder (Connor Price, Ariel Waller, Patrick Louis) verlieren alles. James verdient durch unterbezahlte Show-Kämpfe gerade genug Geld für das Allernötigste. Doch wegen seiner kaputten Hand kann er seine Gegner nicht mehr ausknocken. Die Kämpfe sind dem mächtigen Box-Promoter Jimmy Johnston (Bruce McGill) zu unspektakulär, so dass er James die Boxlizenz entziehen lässt.
James ist damit am Tiefpunkt angelangt. In einem Land mit 15 Millionen Arbeitslosen findet sich nur schwer ein Job für einen alternden Ex-Boxer mit kaputter Hand. Die Gelegenheitsjobs an den Docks reichen nicht einmal aus, um seine Familie zu ernähren. Doch dann kommt die Wende zum Glücklichen. Sein ehemaliger Manager, Trainer und Freund Joe Gould (Paul Giamatti) unterbreitet ihm ein verlockendes Angebot: Der Herausforderer des Weltmeisterschaftsanwärters John „Corn“ Griffin (Art Binkowski) ist kurzfristig erkrankt – und James soll als Aufbaugegner einspringen. Als Prämie winken satte 250 Dollar. James willigt ein und schickt seinen Gegner zur Überraschung aller frühzeitig auf die Bretter…
Die Entstehungsgeschichte zu „Das Comeback“ beginnt im Jahr 1994 mit dem Gelegenheits-Autor (der Begriff belanglos würde seinem bisher einzig verfilmten Script „Too Good To Be True“ sogar noch schmeicheln) und Boxfan Cliff Hollingsworth. Eher zufällig lernte Hollingsworth Braddocks Söhne Jay und Howard kennen. Die Geschichte des Boxers und Familienvaters James Braddocks zog ihn sofort in seinen Bann. Hollingsworth: „Die Geschichte von Jim Braddock ist aus vielerlei Gründen ungewöhnlich. Er inspirierte eine ganze Nation und war ein nationaler Held – und doch ist er eine weitgehend vergessene Figur. Jay erzählte mir, dass er anderen gegenüber erwähnte, sein Vater sei Schwergewichts-Weltmeister gewesen. Meistens hatten diese Leute aber noch nie von Jim Braddock gehört.“
Ein in Vergessenheit geratener Volksheld, den der große Joe Lewis einst als den mutigsten Mann bezeichnete, gegen den er jemals im Ring gestanden hat? Das kann nicht sein! Also werkelte Hollingsworth zunächst alleine, später unterstützt durch Akiva Goldsman („A Beautiful Mind“, „I, Robot“, „The Da Vinci Code - Sakrileg“, „Memoirs Of A Geisha“) am Drehbuch zu „Cinderella Man“ (so der englische Originaltitel). Herausgekommen ist dabei eine Geschichte, die gekonnt zwischen Sportler-, Charakter- und Familiendrama sowie historischer Kommentierung wandelt. Wer einen Film der Kategorie „Rocky“ erwartet, liegt ebenso daneben, wie alle, die auf ein zweites „Millionen Dollar Baby“ hoffen. Trainieren sieht der Zuschauer James eigentlich kaum. Und von der vielschichtigen Handlung von Clint Eastwoods preisgekröntem Boxer-Drama ist „Das Comeback“ auch eine ganze Ecke entfernt. Stattdessen liegt der Fokus oft auf dem Vater, der einfach nur versucht, seine Familie zu ernähren. Formell beschreitet „Das Comeback“ den selben Weg, den schon Gary Ross mit seinem „Seabiscuit“ eingeschlagen hatte.
Der Film lebt primär von seiner phantastischen Besetzung. Im Mittelpunkt steht dabei (wie sollte es auch anders sein?) Oscar-Preisträger Russell Crowe. Abseits der großen und kleinen Skandale des mittlerweile ruhiger gewordenen Lebemannes (ja, ja… die Ehe) ist der Australier ganz eindeutig einer der talentiertesten Mimen der Gegenwart. Kaum ein anderer Schauspieler ist derzeit in der Lage, gleichermaßen auf physische Präsenz ausgelegte Rollen („Gladiator“, „L.A. Confidential“) sowie vielschichtige Charaktere („A Beautiful Mind“, „Insider“) zu verkörpern, wie er. Schon allein dadurch ist er die Idealbesetzung für den James J. Braddock. Sowohl den liebevollen Vater, der trotz widrigster Umstände nie von seinen moralischen Werten abweicht, als auch den zielstrebigen, zu sich selbst gnadenlosen Boxer nimmt man ihm jederzeit ab. Das zweite Highlight von „Das Comeback“ ist Paul Giamatti („Sideways“, „Verhandlungssache“). Die Karriere des lange Zeit unterschätzen New Yorkers (zeitweise musste er sich gar für Mist wie „Big Mamas Haus“ hergeben) ist mittlerweile so richtig ins Rollen geraten. Nach dem introvertierten Weinliebhaber in der Selbstfindungsphase nun also ein extrovertierten Box-Manager auf einer Mission. Gut so. Etwas undankbarer ist hingegen der Part von Renée Zellweger. Im Prinzip hat sie nichts weiter zu tun, als ihren Mann, bei dem was er tut, zu unterstützen und zwischendurch eine kleine Krise zu durchlaufen. Aber da die smarte Texanerin in einigen Closeups traurig in die Kamera schauen darf, hat auch sie sich (wie ihre beiden männlichen Kollegen) schon einmal für die kommende Award-Season positioniert. Dass Craig Bierko („The 13th Floor“, „Kate und Leopold“) da nicht mithalten kann, ist nicht allzu verwunderlich. Aber das liegt auch an seiner Rolle. Sein Schwergewichts-Champion Max Baer ist im Prinzip ein einziges Klischee. Der böse Mann eben.
Regisseur Ron Howard ist ein exzellenter Handwerker, der aus einem starken Drehbuch auch starke Filme wie „Apollo 13“ oder „A Beautiful Mind“ (wo er erstmals mit Russell Crowe zusammenarbeitete) machen kann. Wenn das Drehbuch wie im Falle von „The Missing“ allerdings nicht den Ansprüchen gerecht wird, kann das auch mal derb in die Hose gehen. Doch da Cliff Hollingsworth und Akiva Goldsman ihre Hausaufgaben gemacht haben, darf sich „Das Comeback“ zu ersterer Kategorie zählen. Wobei es Howard hier schon recht einfach hatte. In den ruhigeren Passagen sind Großaufnahmen in Anbetracht der hochkarätigen Besetzung natürlich nicht die allerschlechteste Idee. Und in der schäbigen Kellerwohnung der Braddocks bietet sich natürlich das Spiel mit Licht und Schatten an. Ausgesprochen gut gelungen sind die diversen Boxkämpfe. Diese sind überraschend flott inszeniert und lassen eigentlich keine Wünsche offen. Einige Dinge hätte sich Howard aber durchaus verkneifen können. Dass während den Ringschlachten in prekären Situationen immer wieder Frau und Kind vor James innerem Auge vorbei ziehen, ist mitunter recht eintönig.
An den Produktionswerten des 88 Millionen Dollar teuren Films lässt sich natürlich nichts aussetzen. Auch nicht am pompösen Score von Thomas Newman. Der große Schwachpunkt von „Das Comeback“ liegt auf der Hand: Der gesamte Film ist einfach sehr, sehr vorhersehbar. Dass James seinen WM-Kampf am Ende bekommen wird, ist klar. Dass er diesen auch gewinnen wird ebenso. Aber daraus macht der Film auch nie einen Hehl. Am Besten nimmt man „Das Comeback“ als das, was er ist und auch sein möchte: Ein routiniert inszeniertes Stück Schauspieler-Kino mit exzellent aufgelegten Darstellern und marginalen (weil zu erwartenden) Schwächen in der Handlung…