DIE BRAUT, DIE SICH NICHT TRAUT
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
„Bella gerant alii, tu felix Austria nube.“ – Wir in Österreich besinnen uns auf eine jahrhundertelange Tradition, die Kriegen zwar auch nicht permanent aus dem Weg gegangen war, die sich aber dadurch auszeichnete, ihre adeligen weiblichen Nachkommen ungefragt auf den Heiratsmarkt zu werfen. Prägendstes Beispiel: Maria Theresias Tochter Marie Antoinette, die Dame mit dem Kuchen und dem Schicksal unter der Guillotine. Doch wenn schon Politik, dann lieber anbiedern. Wurde man als Frau ins Königshaus hineingeboren, war die Zukunft vorbestimmt, die dem Allgemeinwohl und dem Königshaus gewidmet war. Klingt alles nach Zwang und Nötigung, und es wäre nicht verwunderlich gewesen, wäre die eine oder andere heiratsfähige Tochter nicht ganz so schicksalsergeben in den blaublütigen Stammbaum irgendeines fremden Hauses eingegangen. Hätte die eine oder andere gar ein bisschen sowas wie Rebellion an den Tag gelegt oder ordinär gestikulierend die Eltern links liegen gelassen. Allein daran zu denken wäre schon ein Affront gewesen – eigentlich Hochverrat. Womit unsere Heldin hier im actionlastigen Streifen The Princess (nicht zu verwechseln mit der Lady Di-Doku selben Namens, die gerade im Kino läuft) anscheinend keinerlei Probleme hat.
Als selbstbewusste, kampfsporterprobte Dame denkt sie nicht daran, sich vom despotischen König Julius (Dominic Cooper) den Ehering überstreifen zu lassen. Allerdings mobilisiert sie ihren Widerstand spät, vor den Augen der Hochzeitsgäste und zur peinlichen Blamage des Möchtegerngatten. Der lässt das nicht auf sich sitzen und verzichtet darauf, nochmal um Audienz zu bitten. Er überfällt kurzerhand die Burg der Prinzessin, nimmt die Königsfamilie gefangen und sperrt die unwillige Braut in ein Turmzimmer ganz hoch oben. Rapunzel lässt grüßen. Doch hier haben wir es weder mit meterlangem Haar zu tun noch mit fiesen Hexen. Statt sich zu frisieren, lässt sich Joey King lieber von den Schwertern der feindlichen Brigaden kitzeln, die ihr alsbald im Weg stehen, denn das Mädel denkt nicht daran, dem mittelalterlichen Status der Frau Genüge zu tun. Man möchte meinen, Frauen könnten gegen toxisch-männliche Waffengewalt nichts ausrichten. In diesem Film haben all die brüllenden und verzottelten Bartträger falsch gedacht. Das Überraschungsmoment, wenn Frauen den Männern Saures geben, mäht sich durch die Burg wie ein Flächenbrand und köchelt ganze 95 Minuten mal so mal so vor sich hin.
In The Princess will Joey King (u. a. The Kissing Booth, The Lie) nur eines: den eigenen Hofstaat befreien. Also: zurücklehnen, Hirn ausschalten und vergnügt dabei zusehen, wie der weibliche Thronerbe seine Schwerter schwingt. Da geht’s mal lange Zeit den Turm hinunter. Dann in so gut wie jede Kemenate, in der hochgerüstete Harnischträger oder martialische Berserker die wendige junge Dame in ihre Gewalt bringen wollen. Klein und wendig kann hierbei von Vorteil sein. Wie sich Joey King im abgerissenen Hochzeitskleid um die Hünen schwingt und ihnen dabei im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf verdreht, erinnert an Guy Ritchies kecke King Arthur-Interpretation, nur ohne Slow Motion und all dem optischen, allerdings gelungenen Firlefanz. Hier inszeniert der vietnamesische Filmemacher Le-Van Kiet projektillose Action der alten Schule, in geschmeidiger Optik und passgenauen Stunts. Ein bisschen wie The Raid als Gutenachtgeschichte, nur weitaus weniger brutal, auch weitaus weniger virtuos und viel weniger ernst. Die ins Groteske verzerrte, gern tumb dargestellte Männlichkeit unterliegt der geschmeidigen Raffinesse einer akkurat kämpfenden Amazone in rascher Folge. Einzig Olga Kurylenko erpeitscht sich ihren Respekt – sie ist schließlich auch eine Frau, und auch sie plant voraus, während der Mann in seiner Brachialität den Moment gewinnen will.
The Princess ist ein nettes, allerdings sehr simples Stück Actionkino fürs Wohnzimmer. Gut choreographiert, ein bisschen banal und sowieso vorhersehbar. Eine Frau, die das Patriarchat niederringt und den eigenen regierenden Vater so sehr in den Schatten stellt, bis dieser zum Kammerdiener verkommt, ist natürlich so zeitgemäß wie willkommen. Doch Frauen, die dem Schicksal ein Schnippchen schlagen, gabs früher auch schon. Man denke nur an Prinzessin Fanthagirò, die italienische Fantasysaga der frühen Neunziger. Viel anders ist The Princess auch nicht, im Vergleich dazu direkt regressiv, was das ironisch-gesellschaftskritische Understatement angeht, das Alessandra Martinez in dem mehrteiligen Abenteuer stets anklingen ließ. Mehr Dialogwitz und nicht nur hemdsärmeliges Gekloppe hätte den etwas anderen Märchenfilm etwas cleverer, vielleicht sogar satirisch erscheinen lassen.
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