BLONDIE DREHT AM RAD
von Michael Grünwald / filmgenuss.com
So jemanden hätten die Panzerknacker wohl gern in ihrer Runde gehabt – einen wie Ludwig Dieter. Doch womöglich hätten Sie diesen nach dem ersten erfolgreichen Coup wieder über Bord geworfen. Denn dieser Hans Dieter, eigentlich Sebastian Schlencht-Wöhnert, ist ein gerne mal peinlich berührender Exzentriker, mit dem man offenkundig eigentlich nichts zu tun haben will. Einzig: er kann Tresore knacken. Und um Tresore zu knacken, ist jedes Mittel, und auch jeder Menschentypus, ganz recht. Das war Dave Bautista in Zack Snyders Army of the Dead schon klar. Da zeigt sich wieder, dass es sich lohnt, wenn man eine Sache wirklich gut kann. Da kann man sonst sein wie man will. Auch Matthias Schweighöfer. Der ist ja nicht nur oftmals Frauenversteher und RomCom-Experte mit Schmähs unter der Gürtellinie, sondern mittlerweile auch einer, der schon mal das Gewehr in die Hand nimmt und laut schreiend Untote abknallt. In Snyders Zombie-Action hat der blonde Deutsche ganz gut bewiesen, dass er erdige Filme wie diesen mit exaltierten Spleens ganz gut dekorieren kann. Die Späße saßen, war also alles kein Problem. Im eben auf Netflix erschienenen Prequel, das die Zombie-Apokalypse nur in Visionen und TV-Nachrichten vorwegnimmt, fehlt etwas die raue Gegenkomponente einer anarchischen Endzeit wie das zur Hölle auf Erden mutierte Las Vegas. Aber dennoch – auch wenn Army of Thieves vielerorts gnadenlos verrissen wurde: so zum Fremdschämen ist das Heist-Movie letztendlich nicht geworden. Kein Must-See zwar, aber auch nichts, was man nach zehn Minuten aufgrund von Augenkrebs abdrehen muss.
Dieser Ludwig Dieter (nennen wir ihn mal so) wird also im Zuge einer inoffiziellen Safeknacker-Castingshow von der attraktiven Meisterdiebin Gwendoline (Game of Thrones-Star Nathalie Emmanuel) für einen im wahrsten Sinne des Wortes sagenhaften Coup rekrutiert. Objekte der Begierde sind Tresore, die nach den vier Teilen von Richard Wagners Ring-Zyklus benannt sind: Rheingold, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung. Letzterer befindet sich, wie bereits aus Army of the Dead bekannt, in Übersee. Die anderen drei verstecken sich gut erreichbar in Europas Bankenkellern. Doch öffnen kann sie nur Ludwig Dieter, auf den Gwendoline trotz seiner seltsamen Verhaltensweisen ein Auge geworfen hat, zum Leidwesen ihres Lovers, der auch zur Diebesgang gehört und irgendwann plant, den Drehknopfvirtuosen loszuwerden.
Schweighöfer lässt in seiner von Zack Snyder koproduzierten Regiearbeit technisch gesehen nichts anbrennen. Das Setting wirkt nicht billig, die Tresore sind ein sorgfältig ausgestalteter Hingucker und auch der aufschlussreiche Blick in die klickende und klackende Mechanik der sagenumwobenen Schlösser eine schmucke Idee, um den Nervenkitzel beim Zahlenrätsel noch zu unterstreichen. Doch der will nicht so recht hochfahren. Woran das liegt? Längst ist klar, dass Ludwig Dieter trotz seiner schusseligen, aufgedrehten und nervigen Art seinem Ruf gerecht werden wird – das Musterbeispiels eines Lucky Losers. Dass er während seiner kniffligen Aufgaben Wagner spielen lässt und dennoch das leise Einrasten der richtigen Zahlen hören kann, ist dabei nur eine verwundernde Anomalie.
Army of Thieves orientiert sich selbstredend an bekannten Vorbildern, stellt dabei aber den Coup an sich nicht in den Vordergrund, sondern die sozialen Befindlichkeiten der zusammengewürfelten Truppe, in der sich jeder fein säuberlich und je nach Stereotyp vom anderen abhebt. Überraschungen birgt das keine. Und: es ist das Zuviel an exaltierter Laune, die das aalglatte Gaunerstück an vielen Stellen den Dietrich daheim lässt, das Zuviel an Schweighöfers erlerntem Handling anderer Genres, in denen er noch etwas strauchelt. Den Umstand überspielt er mit gefälliger, vermeintlich publikumswirksamer Komik und weichgespülter Dramaturgie. Das tut nicht weh, erzeugt aber auch keinerlei Kribbeln.
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