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    Twisters
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Twisters

    Zerstörung, die begeistert

    Von Oliver Kube

    Aktuell gibt es einen Trend zu „verspäteten“ Fortsetzungen von Filmen aus den Achtzigern und Neunzigern: „Top Gun 2“, „Beverly Hills Cop 4“, „Hocus Pocus 2“, „Der Prinz aus Zamunda 2“ und demnächst sogar „Zauberhafte Schwestern 2“. Aber liegt das wirklich nur am Nostalgie-Hunger des Publikums oder gibt es nicht mitunter auch weitere gute Gründe? Im Fall von „Twisters“, der abgesehen von ein paar flüchtigen Anspielungen für sich stehenden Fortsetzung des Katastrophen-Blockbusters „Twister“ aus dem Jahre 1996, gibt mindestens einen ganz zentralen: Gerade im Bereich der Spezialeffekte gab es in den letzten drei Dekaden noch einmal kolossale Fortschritte und Regisseur Lee Isaac Chung („Minari“) weiß, diese voll für sich und den Verwüstungsfaktor seines Films auszunutzen.

    Die Darstellung der titelgebenden Tornados und ihrer verheerenden Wirkung ist sogar noch um einiges aufregender als in dem damals ebenfalls schon beeindruckenden Vorgänger von Jan de Bont. Dank eines kolportierten Budgets von sagenhaften 200 Millionen Dollar, clever konzipierten Setpieces sowie einem exzellenten Sounddesign gelingt ein wahrlich atemberaubendes, bis zu einem gewissen Grad sogar tatsächlich beängstigendes Kinoerlebnis. Da lässt sich über die klischeehaften Figuren und Handlungswendungen sowie die überflüssige Lovestory deutlich einfacher hinwegsehen. Das sind schließlich nicht die Zutaten, wegen derer die Massen in „Twisters“ strömen. Aber eines ist auch klar: Wenn ihr ins Kino geht, dann sollte die Leinwand auch so groß wie irgendwie möglich sein!

    Warner Bros.
    Noch hat YouTube-Star Tyler (Glen Powell) Spaß an der Jagd auf die spektakulärsten Tornados. Aber das wird sich bald ändern…

    Als Meteorologie-Studentin und leidenschaftliche Sturmjägerin hat Kate (Daisy Edgar-Jones) eine potenziell revolutionäre Theorie entwickelt, um die Gefahr durch Tornados, die ihren Heimatstaat Oklahoma immer heftiger heimsuchen, endlich in den Griff zu bekommen. Allerdings endete ein Versuch, ihre Idee in die Praxis umzusetzen, bereits für drei ihrer Mitstreiter fatal. Fünf Jahre später sitzt Kate deshalb lieber in einem sicheren Büro für den nationalen Wetterdienst in New York, statt weiter den Stürmen nachzujagen. Ihrem alten Studienkollegen Javi (Anthony Ramos) gelingt es mit ein wenig emotionaler Erpressung dennoch, sie zurück ins Feld zu locken. Schließlich hat er kürzlich ein womöglich bahnbrechendes Ortungssystem erfunden, mit dem die Wissenschaft endlich mehr über die Entstehung und vor allem die weiterhin unberechenbaren Bewegungen der tödlichen Phänomene erfahren könnte.

    Zurück in der alten Heimat kreuzen sich die Wege des Duos wiederholt mit denen des ebenso charmanten wie leichtsinnigen Tyler (Glen Powell). Er und seine schräge Crew (u. a. Sasha Lane und Tunde Adebimpe) leben davon, ihre Abenteuer bei der Sturmjagd in sozialen Netzwerken zu posten. Als die diesjährige Tornado-Saison auf ihren Höhepunkt zusteuert, geht es irgendwann nicht länger um den Wettbewerb, wer am dichtesten an die Wirbelwinde herankommt, sondern nur noch ums nackte Überleben…

    Charaktere wie ein laues Lüftchen …

    Die einzige Figur, der so etwas wie ein ernstzunehmender persönlicher Hintergrund zugestanden wird, ist die langzeittraumatisierte, von Daisy Edgar-Jones („Der Gesang der Flusskrebse“) glaubhaft dargestellte Kate. Alle anderen Charaktere – inklusive des von Shooting-Star Glen Powell („Wo die Lüge hinfällt“) verkörperten YouTube-Hillbilly Tyler – werden primär durch ihr Äußeres und ein paar markige, dabei mal mehr, meist weniger geistreiche Oneliner charakterisiert. Ihrer Motivation, der gefährlichen Beschäftigung der Tornadojagd nachzugehen, wird allenfalls oberflächlich nachgegangen.

    Potenzial hätte diesbezüglich vor allem der von Anthony Ramos („Transformers 7“) verkörperte Javi, der einzige andere Überlebende aus Kates Studiengruppe, gehabt. Aber sämtliche Andeutungen, seine Rolle mit einer gewissen Ambivalenz aufzuladen, verwehen einfach im, äh, Wind. Selbiges gilt für das Porträt gewissenloser Spekulanten, die in die von den Tornados zerstörten Gebieten einfallen, um den verzweifelten Anwohner*innen, die gerade alles verloren haben, ihr Land für einen Spottpreis abzuluchsen. Obwohl diese reale Praxis absolut verabscheuenswert ist, entwickeln die entsprechenden Szenen in „Twisters“ kaum Biss. All dies geht nahezu komplett in dem unter, was für das Franchise das Wichtigste ist: die wüst wirbelnden Titelstars!

    … und Action wie im Herz eines Orkans

    Was letztlich ja auch verständlich ist, schließlich sind die Tornados der Grund, warum die meisten sich überhaupt ein Ticket gekauft haben. Von ihrem ersten Auftreten im Hintergrund einer gutgelaunten Studienexkursion bis zum Finale, das den Kinosaal mithilfe seiner basslastigen Bombast-Soundeffekte buchstäblich zum Beben bringt, sind die Wirbelstürme konstant faszinierend ins Bild gesetzt. Man möchte sich unter seinem Sitz verstecken, so echt wirkt das Ganze über weite Strecken. Das ist unter anderem auch deshalb so, weil Regisseur Chung und sein Drehbuchautor Mark L. Smith („The Revenant“) eine der spektakulärsten Szenen des Films clevererweise in einem Kinosaal angesiedelt haben.

    Spätestens dann sind auch alle jene Zuschauer*innen wieder voll dabei, die zwischendurch mal anderweitig abgelenkt waren. Aber aufs Klo gehen oder den Popcorn-Becher nachfüllen solltet ihr eh am besten, wenn die arg plump vorbereitete und herzlich überflüssige Romanze zwischen Kate und Tyler vorangebracht wird. Oder wenn Javis‘ zynischer Geschäftspartner (David Corenswet) mal wieder Dinge von ihm verlangt, die er eigentlich nicht tun will, geschweige denn sollte.

    Warner Bros.
    Was die Zerstörung angeht, liefert „Twisters“ voll ab – wie es ich für einen anständigen Katastrophen-Blockbuster gehört!

    Von den Katastrophen-Szenarien sollte man hingegen besser keine Sekunde verpassen: Das Kollabieren eines riesigen Wasserturms oder das Verschlucken von Menschen, Fahrzeugen und ganzen Gebäuden durch gigantische Windhosen, sind ebenso beeindruckend wie die authentisch wirkenden Schäden, wenn sich die Tornados dann endlich wieder verzogen haben. In diesen Momenten denken wir unweigerlich an die Fernsehbilder nach realen Naturkatastrophen wie etwa beim Hurrikan Katrina (2005) in New Orleans oder den Tsunami in Südostasien (2004).

    „Twisters“ fühlt sich um Längen glaubhafter und echter an als etwa die oft stumpf, weil artifiziell und letztlich ohne Konsequenzen anmutenden Abrissorgien der „Transformers“-Reihe. Während man bei Letzteren oft nur dasitzt und das Spektakel gleichmütig über sich ergehen lässt, kommt hier tatsächlich ein Gefühl von greifbarer Gefahr auf. Diese Qualität besaß – mit Abstrichen – auch schon „Twister“. Und obwohl einige der darin agierenden Figuren weniger als in der Fortsetzung wie wandelnde Klischees rüberkommen, sollten auch Fans des Originals dem Nachfolger allein schon wegen der begeisternden, noch mal eine ganze Ecke spektakuläreren Tornadobilder eine Chance geben.

    Fazit: Bei der Figurenzeichnung und den Handlungstwists hat das Katastrophen-Sequel sicherlich Schwächen. Doch das ist alles halb so schlimm. Denn da, wo es wirklich zählt, liefert „Twisters“ vollumfänglich ab, nämlich bei den Stürmen und der Verwüstung!

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