Netflix' umstrittenste Filmreihe ist endlich vorbei! Oder etwa doch nicht?
Von Benjamin HechtAls „365 Days“ 2020 zum erfolgreichsten Netflix-Film des Jahres avancierte, erntete der Erotik-Thriller zugleich auch harsche Kritik, da er die Entführung und Vergewaltigung der Protagonistin kurzerhand zum sexuellen Abenteuer verklärte. Ein wenig scheint es nun so, als schäme sich der Streaming-Anbieter mittlerweile selbst dafür, weshalb der Fokus nun darauf liegt, die Verfilmung der Buch-Trilogie von Blanka Lipinska (die auch an den Drehbüchern mitschrieb) möglichst schnell und ohne weitere Kontroversen abzuschließen. Warum sonst sollte Netflix Teil 2 und 3 innerhalb von nur vier Monaten veröffentlichen? Und noch dazu in einer im Vergleich zur Romanvorlage deutlich entschärften Variante?
„365 Days 3: Noch ein Tag“ vom Regie-Duo Barbara Bialowas und Tomasz Mandes ist nun ähnlich zahm geraten wie zuvor auch schon „365 Days 2: Dieser Tag“, so fehlen etwa eine weitere Entführung sowie die Tötung eines Hundes aus der Buchvorlage. Zumindest ist Teil 3 aber weniger wirr und deutlich fokussierter als der Vorgänger. Das Ergebnis: Eine marginal bessere Erotik-Fortsetzung – mit einem allerdings ziemlich schrecklichen Finale, das die Befürchtung nahelegt, Netflix könnte womöglich doch noch einen vierten Teil hinterherschießen...
Laura (Anna Maria Sieklucka) steht erneut vor der Wahl: Entscheidet sie sich für Massimo oder Nacho?
Auch bei „365 Days 3“ passt die Handlung mal wieder auf einen Bierdeckel: Nachdem sich Laura (Anna Maria Sieklucka) von ihrer Schusswunde aus Teil 2 erholt hat, kriselt es in der Beziehung mit ihrem Ehemann und einstigem Entführer Massimo (Michele Morrone). Denn Laura kann ihr kürzlich erlebtes romantisches Techtelmechtel mit Nacho (Simone Susinna) nicht vergessen. Als dieser ihr erneut Avancen macht, ist sie zwischen den beiden Männern hin- und hergerissen…
„365 Days 3“ fokussiert sich ganz auf sein Liebesdreieck und versucht, die innere Zerrissenheit Lauras zum emotionalen Kern der Handlung zu machen. Dumm nur, dass Darstellerin Anna Maria Sieklucka nicht in der Lage ist, diese Gefühle gegenüber dem Publikum auch zu vermitteln.
Denn die zentrale Frage – ob sie sich für den aggressiven, sie zum Sex-Objekt degradierenden Massimo oder für den einfühlsamen, sie wertschätzenden Konkurrenten Nacho entscheiden soll – stellt sich für die Zuschauer*innen erst gar nicht. Nacho ist eindeutig die bessere Wahl. So wirkt Lauras Unentschlossenheit arg konstruiert und die Hauptdarstellerin dabei ebenso lustlos und verloren.
Nacho (Simone Susinna) stellt sich ganz klar als bessere Wahl heraus!
Im Vergleich dazu fast schon ein schauspielerisches Glanzlicht ist Magdalena Lamparska, die als Lauras beste Freundin Olga immerhin eine gewisse Spielfreude an den Tag legt und so als Comic Relief für ein wenig dringend nötige Auflockerung in dem faden Beziehungsdrama sorgt. Wie gewohnt wird dabei vor allem auf oberflächliche Reize gesetzt, Tiefgang gibt es hier höchstens zwischen den Bettlaken.
„365 Days 3“ protzt mit teuren Autos, schicken Kleidern, Supermodel-Körpern und prunkvollen Villen. Die Hauptfiguren sind allesamt Gangster oder deren Geliebte. Dass sie nichts zur Gesellschaft beitragen und sich ihren hochluxuriösen Lifestyle mit kriminellen Machenschaften finanzieren, wird nicht thematisiert.
Massimos Mafia-Arbeit besteht ohnehin nur daraus, mit Anzugträgern um einen Tisch zu sitzen und gelegentlich einen „dringenden“ Anruf zu bekommen. Dass er im organisierten Verbrechen tätig ist, spielt für die Handlung keine Rolle. Auch in Teil 3 wird also wieder alles verdrängt, was die Zuschauer*innenschaft dazu anregen könnte, die toxische Romanze zwischen Laura und Massimo zu hinterfragen.
Olga (Magdalena Lamparska) und Laura verdanken ihren Wohlstand der Mafia – thematisiert wird das nicht.
Dabei hätte man aus der Laufzeit auch durchaus mehr rausholen können, würde die Handlung nicht alle paar Minuten von einer viel zu ausufernden Sexszene oder musikalischen Montage unterbrochen, die nur gelegentlich etwas zu den Figuren und deren Beziehungen beiträgt. Gerade die ständige akustische Untermalung durch generische Pop- und Partymusik, die teilweise sogar über stumme Dialoge drübergelegt wird, wird dabei zum konstanten Störfaktor …
… zumal sie auch keinerlei Mehrwert liefert, sondern meist nur explizit das aussagt, was die Szene ohnehin bereits zeigt. Wenn etwa Massimo nach einem Streit mit Laura im Sexclub eine großbusige Dame auf dem Schoß hat, ist die Zeile „I'm a sinner“ zu hören. Viel subtiler wird’s auch an anderen Stellen nicht! Würde man „365 Days 2“ und „365 Days 3“ nur auf die inhaltlich relevanten Szenen reduzieren, käme maximal ein zweistündiger Film dabei heraus, aber ganz sicher keine zwei.
Insgesamt wirkt „365 Days 3“ aber immerhin wie aus einem Guss – und das darf man durchaus als Überraschung werten, bestand der Vorgänger doch aus zwei komplett unterschiedlichen Hälften: erst Erotik mit Comedy-Einschüben, dann Gangster-Thriller. In Teil 3 gibt es eine bessere Balance zwischen den einzelnen Elementen. Auch haben sich weniger handwerkliche Fehler eingeschlichen: „Noch ein Tag“ ist sauberer geschnitten, es gibt hin und wieder ganz nette Bildkompositionen und sogar den ein- oder anderen verspielt inszenierten Moment, sodass „365 Days 3“ durchaus eine leichte qualitative Steigerung zum Vorgänger darstellt.
Dafür ist der Film jedoch extrem spannungsarm geraten und für ein großes Finale ist es besonders fatal, dass ausgerechnet die letzte Szene nochmal so richtig ins Klo greift. Wir wollen nicht zu viel verraten, doch der Abschluss des Netflix-Films unterscheidet sich deutlich von der Buchvorlage und will uns eine Charakterentwicklung verkaufen, die sich in der kompletten Trilogie nicht mal ansatzweise angekündigt hat.
Und was noch schlimmer ist: Wie schon in den ersten zwei Teilen gibt es ein offenes Ende, das darauf hindeutet, dass es vielleicht doch noch weitergehen könnte…
Fazit: „365 Days 3“ ist der nicht mal lauwarme Abschluss einer ohnehin nicht mehr zu rettenden Erotik-Trilogie. Weniger skandalös als Teil 1, weniger konfus als Teil 2, aber dafür ohne auch nur einen Hauch von Spannung.