Ich bereue jeden Tag, an dem ich mich nicht dazu entschieden habe, dieser eindrucksvollen und zutiefst herzlichen Charakterstudie eine Chance zu geben …
Es ist wohl die Underdog-Story schlechthin und noch dazu neben Filmen wie „Million Dollar Baby“ (2004) eine der herzlichsten Sportlerdramen, die ich je ansehen durfte. Das sei wohl der Tatsache geschuldet, dass ich anfangs viel mehr einen Actionfilm erwartet habe, nur um dann von einem warmherzigen und etwas treudoofen Sylvester Stallone überrascht zu werden. Denn es besteht gewiss kein Zweifel daran, dass die Charakterzeichnung und Darstellung von Rocky die gesamte Filmreihe auszeichnen. Grundsätzlich sind die Rocky Filme mit charismatischen und realistischen Charakteren ausgeschmückt, welche allesamt interessante Charakterentwicklungen durchlaufen, was vorzugsweise im Laufe des ersten Films schon bei einigen Figuren erkenntlich gemacht wird.
Allem voran Sylvester Stallone als Rocky – dieser Mann brilliert in seiner Rolle und bringt zudem eine unglaubliche Authentizität in die Figur wie kein Anderer. Seine Art, wie er sich bewegt, die kleinen Witzchen zwischendurch, doch vorwiegend die glänzende Chemie zwischen seiner Liebe Adrian (Talia Shire) und ihm, heben den Film besonders hervor.
Er ist wahrlich kein übermenschlicher Held und muss genauso wie du und ich für seine Träume kämpfen. Ein Mann, der trotz seines rauen Äußeren das Herz am rechten Fleck hat. Diese Charakterzeichnung beweist auch den Erfolg dieser Filmreihe. Es fällt dem Publikum somit nicht schwer, sich mit ihm zu identifizieren und seine Emotionen, Konflikte und Gefühlslagen nachzuvollziehen. Diese Sentimentalität wird uns das erste Mal gezeigt, wenn Rocky seine Wohnung betritt und sich zuallererst um seine zwei Schildkröten kümmert. Seither gibt es immer wieder diese Momente, welche die Bindung zwischen mir als Zuschauer und der Figur Rocky verstärkten und mir diese emotionalen Momente gaben, die mich (ähnlich wie in „Million Dollar Baby“) nur noch mehr in den Bann gezogen haben.
Aber auch Nebenfiguren wie Adrian (Talia Shire), Paulie (Burt Young) und Boxtrainer Mickey (Burgess Meredith) tragen unverkennbar zur emotionalen Tiefe des Sportlerdramas bei.
Adrian, Rocky’s schüchterne Liebe, verleiht dem Film eine zarte und sensible Note. Ihr Bruder Paulie steht für die dunklen Seiten des Lebens und der Familie. Wenn man wohlgemerkt die Reihe weiterverfolgt, macht Burt Young als Paulie eine ebenso nachvollziehbare Charakterentwicklung durch, die an der Stelle einfach mal erwähnt werden sollte. Doch auch Rockys alter Trainer und Manager Mickey konnte mir in jeder Szene beweisen, was Leidenschaft bedeutet. Auch hier hat mich jede Szene mit ihm und Rocky bezüglich der Charakterdynamik und Dialoge weich werden lassen.
Grundlegend handelt sich hierbei um ein sehr bodenständiges Filmerlebnis, was sich ebenso auf die Boxszenen erstreckt. Hier wird eben nicht etwa auf übertriebene Action wert gelegt, sondern die wenigen Kämpfe, die zu sehen sind, als harte und authentische Auseinandersetzungen choreographiert. Die Showdown-Kämpfe in den anderen Teilen waren ein wenig einprägender, was vermutlich der Grund dafür ist, dass in den weiteren Filmen immer noch eine Steigerung der Action für das Publikum erfolgen musste. Es ist unbestreitbar, dass meine ersten Erfahrungen mit diesem Film mir das Gefühl vermittelten, direkt im Ring zu stehen und die körperliche und emotionale Anstrengung von Rocky und Apollo Creed hautnah mitzuerleben.
Doch ist die Entstehungsgeschichte von „Rocky“ ebenso beeindruckend wie die des Films selbst. Es macht dieses Werk für mich noch einmal um einiges interessanter, als ich erfuhr, dass Stallone als damaliger unbekannter Schauspieler, mit begrenzten Ressourcen das Drehbuch zum Film in nur drei Tagen verfasste. Inspiriert von dem Boxkampf zwischen Chuck Wepner und Muhammed Ali und einer Geschichte über Träume, Chancen und den unerschütterlichen Glauben an sich selbst. Diese Punkte machen dieses Werk umso bemerkenswerter, da er beweist, dass eine mit Leidenschaft und Herzblut geschaffene Geschichte jeden Zuschauer ansprechen kann, unabhängig von den finanziellen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen.
Die Geschichte von Rocky ist ein beeindruckendes Werk, das sowohl realistisch als auch charismatisch ist und mich auf einer emotionalen Ebene berührt hat. Sie zeigt, dass es in unserem Herzen liegt, Träume zu verfolgen und Hindernisse zu überwinden. Sylvester Stallones leidenschaftliche Darstellung und das talentierte filmische Handwerk von John G. Avildsen machen „Rocky“ zu einem unvergesslichen Filmerlebnis, das mit Sicherheit auch noch die heutige Generation begeistern wird.