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    Die Rumba-Therapie
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Rumba-Therapie

    Im Wiegeschritt zum besseren Menschen

    Von Gaby Sikorski

    Tanzen fördert die Gesundheit – das ist sogar wissenschaftlich untermauert. Möglicherweise ist der Tanz – neuesten Forschungen zufolge – gar eine genetisch bedingte Veranlagung des Menschen und direkt verbunden mit seiner Fähigkeit zum Aufrechtgehen. Klar ist: Die rhythmische Bewegung zur Musik aktiviert viele Gehirnfunktionen, hilft gegen Verspannungen, wirkt dadurch stressmindernd und lindert chronische Schmerzen, gleichzeitig wird das Konzentrationsvermögen verbessert. Und dann sind da auch noch die Glückshormone Dopamin und Endorphin, die für den Spaß beim Tanzen zuständig sind.

    So ist es kein Wunder, dass das Tanzen weltweit zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen gehört, ganz gleich, ob als strenger Standarttanz (wie im sehr, sehr schönen Film „Strictly Ballroom“), als Tanzritual oder in der freien Bewegung. Ob sich durch Rumba, ChaChaCha und Tango aber auch der Charakter eines Menschen positiv verändern lässt, wurde bis jetzt noch nicht ausreichend erforscht. Aber der Verdacht liegt zumindest nahe, zufriedene Menschen sind schließlich in der Regel auch liebenswerte Leute. So handelt nun auch Franck Dubosc‘ „Die Rumba-Therapie“ von einem Mann, der über das Tanzen direkt oder indirekt einen neuen Lebenssinn entdeckt.

    Zunächst will Tony (Franck Dubosc) nur Rumba lernen, um so wieder Kontakt zu seiner Tochter aufzubauen …

    Der Schulbusfahrer Tony (gespielt von Regisseur Franck Dubosc selbst) ist alles andere als zufrieden oder liebenswert, sondern ein Einzelgänger, der mit seinen Cowboystiefeln und Blue Jeans aussieht, als sei er einem alten Clint-Eastwood-Film entsprungen. Er lebt als Single in einer französischen Provinzstadt, raucht wie ein Schlot und übertüncht seine Einsamkeit mit coolen Sprüchen. Doch eines Tages ist Schluss mit lustig. Tony bricht nach der Arbeit zusammen und wird gerade noch rechtzeitig von einem Kollegen gefunden. Der Herzinfarkt bringt ihn ein wenig zur Besinnung: Man muss ja nicht gleich bis zum Äußersten gehen und mit dem Rauchen aufhören, aber Tony kommt ins Nachdenken und beschließt, den Kontakt zu seiner Ex-Frau und zu seiner Tochter zu aktivieren, die er beide vor 20 Jahren sitzen ließ.

    Tochter Maria (Louna Espinosa) ist – wen wundert’s außer Tony? – inzwischen erwachsen. Sie arbeitet als Tanzlehrerin in Paris. Statt sich bei ihr vorzustellen, beschließt Tony, bei seiner eigenen Tochter Unterricht zu nehmen, um sie erst einmal inkognito ein bisschen besser kennenzulernen. Das ist natürlich eine Ausrede, denn eigentlich ist Tony nur zu feige. Doch auch die kompliziertere Variante ist nicht ohne Tücken, denn für die Aufnahme in Marias gefragtem Rumbakurs muss Tony Grundkenntnisse vorweisen. Er braucht also Tanzunterricht, um zur Tanzschule zu gehen. Dafür scheint seine Nachbarin Fanny (Marie-Philomène Nga) die perfekte Lösung zu sein. Als Schwarze Frau muss sie doch den Rhythmus im Blut haben! Aber Fanny hat genauso wenig Ahnung vom Tanzen wie Tony...

    Miesepetrig wie der junge Bill Murray

    Der Plot für Franck Duboscs zweite Spielfilmregie nach „Liebe bringt alles ins Rollen“ ist nicht unbedingt neu, aber wirkungsvoll: Unerwartet mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert, will ein Mann sein Leben ändern, bevor es zu spät ist. Bisher hat er seine Sehnsüchte mit alten Hollywood-Filmen und Nikotin betäubt. Seine Wohnung gleicht einem Altar der verschütteten Träume. Doch nun wird das Tanzen für Tony zum Hobby, zum Symbol für die Annäherung an seine verlorene Tochter und damit zum Schlüssel zu einer gemeinsamen, schöneren Zukunft. Aber nichts scheint so recht zu klappen, überall stellen sich ihm neue Hindernisse in den Weg, die es zu überwinden gilt. Dieser Kampf eines prinzipiell an sich selbst gescheiterten Mannes ist sehr komisch – manchmal erinnert Franck Dubosc in seiner miesepetrigen Ausstrahlung an den jüngeren Bill Murray.

    Dubosc spielt Tony zunächst als Negativbeispiel eines introvertierten Proleten, der abends vor der Glotze hängt, wobei er gleichzeitig isst, raucht und Bier trinkt. Tony ist der Feigling, der nie was auf die Reihe bekommen hat, aber das darf natürlich niemand wissen. Da wird dann gern mal was ausgelassen oder notfalls auch geschwindelt. Doch der Schulbusfahrer Tony ist nicht nur ein gealterter Schönling mit schlichtem Gemüt und dazu passenden Ansichten – nein: Tony ist lernfähig, und wenn es um seine Tochter geht, wird er mit der Zeit geradezu mutig. Und das macht ihn sehr sympathisch.

    … aber dann nimmt er die Sache mit dem Tanzen doch irgendwann viel ernster, als zunächst erwartet.

    Franck Dubosc, in Frankreich ein bekannter Comedian und Schauspieler, entwirft für seine liebenswürdige Komödie zusätzlich ein buntes Kaleidoskop witziger Nebenfiguren, die vor allem die erste Hälfte des Films beleben. Sie werden angeführt von Michel Houellebecq, der Tonys Arzt Dr. Mory spielt. Der Autor, vor allem bekannt durch seine provokativen und polemischen Romane, ist in seiner Rolle als zynischer Herzchirurg eine echte Sensation. Das gilt auch für die wunderbar selbstironische Marie-Philomène Nga als Nachbarin Fanny, die alle Hände voll zu tun hat, um Tony von seinen Vorurteilen zu befreien – und es gelingt ihr! Tonys Kollege und Lebensretter Gilles, gespielt von Jean-Pierre Darrousin, ist ebenfalls eine sehr schön gezeichnete Nebenrolle als sensibler, weichherziger Kumpel. Auch hier wird die Absicht von Debosc deutlich, eine witzige, unterhaltsame Geschichte mit unerwarteten Wendungen zu erzählen, die auf billige Klischees weitestmöglich verzichtet, wobei hier und da erfreulicherweise sogar bekannte Komödienmuster gegen den Strich gebürstet werden.

    Da gibt es unerwartete Wendungen, und die Geschichte wechselt mehrmals die Richtung, kaum dass sich das Publikum in Sicherheit wiegt. Das macht viel Spaß, vor allem im ersten Teil – hier dominiert die Leichtigkeit einer Komödie, in der ein Mann, der es gewöhnt war, alles allein zu machen, plötzlich die Hilfe von anderen braucht, weil es um etwas geht, das ihm wichtiger ist als alles andere: um seine Tochter. Diese Thematik mit all ihren humorvollen Überhöhungen unterstützt Debosc nicht nur mit hübschen Gags, mit differenzierten Tempi und einem sehr guten Timing für sich selbst und seine Nebenfiguren, sondern auch mit einer einfallsreichen Kameraarbeit und teils ziemlich hübsch überlappenden Schnittsequenzen. Leider geht im zweiten Teil einiges vom Schwung der ersten 45 Minuten verloren. Dann wird es weniger komisch und dafür ein bisschen pathetisch: Mit dem 80er-Jahre-Bürstenschnurrbart von Tony verschwinden auch vorerst die meisten Nebenfiguren, und die Vater-Tochter-Beziehung rückt in den Vordergrund. Das Ende allerdings versöhnt dann wieder mit dem Film – da treffen sich Pathos und Leichtigkeit wieder, und das ist dann tatsächlich sowohl witzig als auch berührend.

    Fazit: Kein vordergründiger Tanzfilm, sondern eine zumindest in der ersten Hälfte gut gemachte, gagreiche Komödie, die in der zweiten Hälfte an Schwung verliert, zu einer beinahe melancholischen Vater-Tochter-Geschichte mutiert und erst zum Ende hin wieder an Power gewinnt. Also auch für nichttanzende Arthouse-Kinogänger*innen gut geeignet!

     

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