Der nach einer Hinrichtungsmethode betitelte Film von Franziska Stünkel wurde vor dem Kinostart im Rahmen der 69. Filmkunstwochen 2021 in München unter Anwesenheit der Regisseurin gezeigt.
„Nahschuss“ erzählt die fiktionale Geschichte des Dr. Franz Walter (Lars Eidinger), der vom Ministerium der DDR für Staatssicherheit mit einer bald anstehenden Professorenstelle gelockt wird. Als Gegenleistung hat der Wissenschaftler Informationen zu beschaffen. Als ihm nach anfänglicher Begeisterung die widerwärtigen Vorgehensweisen des Geheimdienstes näher bekannt werden, möchte er nicht mehr mitwirken.
Der Film nach dem Drehbuch der Regisseurin wird sehr stark an den Fall des Werner Teske, der 1981 Opfer der vorgeblich letztmalig in der DDR verhängten Todesstrafe wurde, angelehnt. Wer „Nahschuss“ demnächst anschaut, kennt das Ende. Doch wie so oft ist der Weg das Ziel.
Franziska Stünkel hat als Fotografin neben ihrem Blick für visuellen Ausdruck die Fähigkeit, Figuren unter psychischer Bedrängnis in ihre Projekte zu integrieren. Lars Eidinger für die Hauptrolle zu engagieren, sei ihr Wunsch gewesen. Mit Devid Striesow als Oberleutnant Dirk Hartmann sowie Luise Heyer als Ehefrau des Dr. Walter wartet das Werk mit einer Auswahl der besten deutschen Schauspieler*innen auf. Mit der Riege absolvierte die Regisseurin, die den ersten oder zweiten Take bevorzuge, das Einsammeln der optischen Bestandteile ihres acht Jahre vorbereiteten Films in nur 24 Drehtagen. Beachtlich!
Stünkel verzichtet auf Begleitmusik und Außenaufnahmen. Sie möchte das Publikum bei Franz konzentriert wissen, keine weiteren Einflüsse zulassen. Nikolai von Graevenitz bleibt mit der Kamera in relativ langen Einstellungen stets bei der Hauptfigur. Das Gefühl der Nähe zu dem bald seelisch stärker in Mitleidenschaft gezogenen Mann, der eigentlich als Forscher tätig werden wollte, wird dadurch unaufhörlich gestärkt. Alkohol kommt ins Spiel, die junge Ehe beginnt zu kriseln.
Begnadet feinsinnig konstruiert Stünkel die Darstellung der Stasi-Zwickmühle, die Franz aller Bewegungsfreiheit beraubt. Eine unzerstörbare Schlinge zieht sich allmählich um den Hals des Unwilligen. Lars Eidinger zieht hier alle Register seines Könnens und versetzt deshalb die Rolle des Franz nicht nur über die eindringlichen Nahaufnahmen in eine entsetzlich anzuschauende, irgendwann irrational handelnde, aber an die Liebe zu seiner Ehefrau festhaltende Gestalt. Der eigentlich ruhig erzählte Film wird somit auf atemberaubende Weise ergreifend, alles Beklemmende erreicht den Saal mit Intensität. Es erscheint notwendig, dass die Erzählstruktur durch einige in Zeitverschachtelung eingestreute Szenen der chronologisch späteren Gerichtsverhandlung aufgebrochen wird, doch auch hier deutet alles mitreißend auf ein Finale mit einem erschreckenden Verlauf, die eine Verkündung des Todesurteils auf der Leinwand nicht mehr erforderlich macht.
„Nahschuss“ ist das Meisterstück einer vielseitigen Künstlerin.