Christian Alvart ist mit „Freies Land“ im Kino.
Mecklenburg-Vorpommern 1992: Zwei Schwestern werden vermisst. Erste Hinweise deuten auf ein Gewaltverbrechen. Die Kommissare Stein (Trystan Pütter) und Bach (Felix Kramer) ermitteln. Sehr bald stoßen sie auf Widerstand.
Selten genug trifft der Kinogänger auf einen ansehnlichen Genre-Film made in Germany. Fehlgriffe wie „Stereo“ (2014 von Maximilian Erlenwein) oder „Tschiller: Off Duty“ (2016 von Christian Alvart) lehren den Zuschauer, eher auf US-Produktionen zurückzugreifen oder etwas aus dem hohen Norden zu versuchen. Weil – wie vorgenannt – Alvart bereits am Ziel vorbeigeschossen ist, muss das nicht so bleiben. Der erfahrene Regisseur schickt sein Publikum in ein wenig farbgesättigtes Ostdeutschland. Schnee, Schlamm, Dreck, Wasser, immer wieder viel Land, vernachlässigte Güter, oft aus der Drohnenperspektive, für Großstädter unheimlich, obendrein unheimlich schön. Dazu Musik aus der Dose neben einem brummigen Score, der zunächst unfreiwillig komisch klungt, später aber die Tristess untermauert . Das erzeugt eine Atmosphäre, die vermittelt, dass junge Leute von dort weg wollen, aber die Möglichkeiten verkennen oder schlicht weg nicht haben. Zigaretten, Alkohol, zerfurchte Gesichter (stark gecastet), dazwischen die verbliebenen Menschen voller Hoffnung und krimineller Energie, Leichen, die hiesigen Gesetzeshüter, ein drängelnder wie übervorsichtiger Polizeidirektor. Die Integrität jeder Figur lässt sich mal mehr, mal weniger bezweifeln. Alvarts Konstrukt ist Genre-stimmig. Dazu kommen kinofähige, einfallsreiche Bilder des Regisseurs, der selbst als Kameramann fungiert. „Freies Land“ ist ganz weit weg vom niederen TV-Niveau.
Der Plot, aus einem spanischen Krimi nach Ostdeutschland transferiert, lässt die beiden sehr unterschiedlichen Kommissare Ablehnung spüren. Sogar untereinander wird es kribbelig. Überdeutlich sind die verschiedenen Ermittlungsansätze zu erkennen. Vor allem der Ex-Stasi-Mann Bach mag die harte Tour von damals. Kollege Zufall hilft nur unaufdringlich. Der warum auch immer stets greifbare Wilderer Richy (Ben Hartmann) ist zu dick aufgetragen. Nicht jede Situation wirkt konsequent, doch das schmälert den Kinogenuss nur wenig. Die diffuse Situation klärt sich nur allmählich, heiße Spuren und Sackgassen tauschen unter geschicktem Timing mehrmals die Spur zum Ziel. Es bleibt spannend, bis das für die Aufklärung des Falls erfolgreiche wie ernüchternde Ende der Geschichte erreicht ist.
Mit „Freies Land“ ist Christian Alvart ein packender, stilistisch hochgradiger Thriller gelungen.