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    Wie im echten Leben
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    FILMGENUSS
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    4,0
    Veröffentlicht am 15. März 2023
    WISCH UPON A STAR
    von Michael Grünwald / filmgenuss

    Was zeichnet eigentlich den westlichen Wohlstand aus? Nein, nicht in erster Linie das Geld, denn das haben mittlerweile nur mehr die Privilegierten und Mächtigen. Es ist die Hygiene. So ein Standard will was heißen. Einmal nicht geputzt, versiffen öffentliche Sanitäranlagen im Eiltempo, in Großraumbüros mobilisiert sich der Lurch zwischen den Kabeln und Steckerleisten zur großen Revolte. Im Restaurant kommt man nicht mehr vom Boden weg, denn da klebt das verschüttete Cola von vorgestern. Die großen Schritte Richtung Zukunft können nicht begangen werden, wenn der Dreck die Behaglichkeit außen vorlässt, die das Image des Westens etabliert. Und die, die dafür verantwortlich sind – ein großer Teil der kritischen Infrastruktur nämlich, denn ohne Hygiene geht gar nichts – müssen ein berufliches Leben im Verborgenen fristen, wie Vampire, die man tunlichst nicht dem Sonnenlicht aussetzt. Sie kommen, wenn alle gegangen sind oder kurz, bevor das Tagesgeschäft wo auch immer wieder losgeht. Dabei ist der Begriff Putzfrau oder Putzmann ohnehin obsolet und abwertend. Wie wäre es mit Raumpflegerinnen und Raumpfleger? Schon besser.

    Eine zeitgemäßere Bezeichnung des Berufes bedeutet aber nicht, dass die Arbeitsumstände auf adäquate Weise ebenfalls optimiert wurden – ganz und gar nicht. Um diesen Umständen auf den Grund zu gehen und einen Blick hinter die Kulissen frisch gemachter Betten, duftender Toiletten und glänzender Böden zu wagen, gibt sich Bestseller-Autorin und Investigativ-Journalistin Marianne (sehr authentisch: Juliette Binoche) als Jobsuchende aus, die mit Handkuss jene freie Stelle annimmt, für die sie zwar heillos überqualifiziert scheint, die aber Zähigkeit erfordert. Sie wird Teil einer Gruppe von gerade mal über die Runden kommenden Arbeiterinnen, die für einen Hungerlohn tagtäglich bis an ihre Grenzen gehen. Klar – mit dem Schmutz muss man mal auf du und du sein, sonst wird das nichts. Doch die gemeinsame Anstrengung schweißt zusammen. Aus dem Team werden Freundinnen, aus der entbehrungsreichen Schufterei mitunter die Challenge, in Rekordzeit alles fertigzubekommen. Letztendlich bleibt es aber nur eine Frage der Zeit, bis Mariannes wahre Identität ans Licht kommt – und das für eigene Zwecke erlangte Vertrauen auf dem Prüfstand steht.

    Will man dem Alltag von RaumpflegerInnen folgen, tun’s meistens Journaldokus wie Am Schauplatz. Für einen Spielfilm, der genauso wenig schönt, der keine Lust hat, irgendwem zu schmeicheln und keine Scheu davor hat, sich bereitwillig dem Leben und Leiden einer um ihre Anerkennung gebrachten Branche zu nähern, ist die Dokumentation durchgetakteter Arbeitstage nur das Fundament für ein explizites Drama um unerbrachte Wertschätzung für sogenannte niedere Arbeiten, die allerdings getan werden müssen, um das System am Laufen zu halten. Autor und Filmemacher Emmanuel Carrère ist wohl der Romancier unter den Sozialfilmern – Ken Loach oder die Brüder Dardenne sind zwar auf ihre ernüchternde und nüchterne Art unnachahmlich und präzise, für das große zwischenmenschliche Drama findet Carrère noch das bisschen mehr an Emotionen und Eleganz, ohne dabei die Realität aus den Augen zu verlieren. Diesen unsichtbaren Engeln setzt dieser ein kleines, rechtschaffenes und unpathetisches Denkmal jenseits vom Sozialporno eines Ulrich Seidl. Am Ende aber ist die Diskrepanz zwischen den Gesellschaftsschichten unüberbrückbar, so sehr man sich auch eine alles verbindende Harmonie erhofft, welche die Protagonistinnen auf Augenhöhe wieder zueinander führt.
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    beco
    beco

    64 Follower 367 Kritiken User folgen

    3,5
    Veröffentlicht am 14. Juli 2022
    Ein sehenswerter Film über Arbeit(er/innen) im „Niedriglohnsektor“, über Solidarität und der Gemeinschaft, die sich trotz aller Widrigkeiten einstellt. Die Darstellung spielt im Reinigungskräfte Milieu und wird verwoben mit dem journalistischen Ehrgeiz von Marianne, die ein Buch über diese Menschen schreiben möchte, sich anheuern lässt, dann aber Grenzen überschreitet, die zeigen, auf welch schmalen Grad sie sich begeben hat.
    das Odeon
    das Odeon

    10 Follower 105 Kritiken User folgen

    3,5
    Veröffentlicht am 5. Juli 2022
    ein sehr spezieller film. vor allem ein französischer film, die sind alle speziell. die sind alle nicht für den deutschen mainstream gemacht und auch nicht gedacht.
    ein typischer französischer film mit ruhigen momenten zwischendurch und anderen momenten, die zum nachdenken anregen sollen. und immer dann, wenn man denkt, dass der ruhige moment jetzt vorbei ist, dann kommt gleich noch einer.
    der film ist zum entschleunigen. keine beschleunigung, sondern zum entschleunigen.
    eine ganze menge zeit schaut man den putzfrauen beim putzen zu. (bis auf j. binoche alles laiendarstellerinnen!! meine absolute hochachtung!!)
    viel mehr passiert meistens nicht. ausser, dass die frauen ihr bemitleidenswertes schicksal teilen.
    nur eine putzfrau kann verstehen und nachvollziehen, wie sich eine putzfrau fühlt. andere leute können das nicht.
    drecksarbeit machen, die sonst keiner machen will, schlecht bezahlt werden und von niemandem gewürdigt werden. beziehungsweise überhaupt wahrgenommen werden.
    das ist die schlagzeile.
    sozialkritik, gesellschaftskritik. das steht auf dem etikett dieses films drauf.
    im gepäck hat der film aber noch etwas deutlich spannendereres, was nur unterschwellig zum tragen kommt und erst im nachhinein deutlich wird: freundschaft.
    was ist freundschaft, wie entsteht sie und wie erhält man sie?
    das ist das zweite level, worum es in diesem film geht. spoiler: vor allem, weil die freundschaft am ende nicht mehr hält und kaputt geht.

    die frauen haben viel zusammen erlebt, das macht echt spaß, ihnen dabei zuzusehen, aber am ende bleibt halt so ein fades gefühl zurück. echt schade.
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