Filme über historische Persönlichkeiten driften oft in die Extreme ab: Das Drehbuch nimmt sie entweder vollständig auseinander, um bloß nichts zu glorifizieren, oder man erschafft ein einseitiges, in der Regel unrealistisches Heldenbild. Luther ist das gleich mehrfach passiert. Im Fall Zwingli scheint die Mischung hier tatsächlich einigermaßen ausgewogen. Wir sehen den jungen idealistischen Prediger, der an das glaubt was er sagt, der eigenhändig Pestkranke versorgt, sich mit der allmächtigen Kirche anlegt und natürlich auch verliebt. Den filmischen Stilmitteln fehlt es auch nicht an der Eindringlichkeit, um die Härte der damaligen Zeit aufzuzeigen, in der sich die kirchliche Obrigkeit lieber selbst in Sicherheit brachte, als Sterbenden beizustehen.
Was Zwingli tut, ist also durchaus nachvollziehbar, sämtliche Erfolge gönnt man ihm zunächst gern und für eine Weile scheint es, als würde er und seine Mitstreiter (u.a. der Schweizer Hollywood-Export Anatole Taubman als Leo Jud) von Zürich aus die ganze Schweiz umkrempeln. Spannende historische Fußnoten ergänzen das Bild, wie etwa das Zürcher Wurstessen als Widerstand gegen die Fastengebote der römischen Kirche (quasi das Schweizer Pendant zum Wittenberger Thesenanschlag), ein Wettstreit zwischen lautstark singenden Priestern und debattierenden Bibelübersetzern oder auch Zwinglis Begründungen für seine Reform der Kirche. Einer der Nebendarsteller fast es nach Zwinglis erster Predigt auf Deutsch passend zusammen: "Endlich versteht man mal was." Und das gilt auch für den Zuschauer, der weder mit Theorie überfrachtet noch mit vordergründigem Fegefeuer-Spektakel oder permanent herumtobenden Gegenspielern für dumm verkauft wird.
Mit der gebotenen Konsequenz zeigt nämlich die zweite Filmhälfte, wie weit Zwingli für seine Ideale zu gehen bereit ist und welche Schattenseiten seine Erfolge mit sich bringen. Obwohl er in Zürich weit gekommen ist und selbst eine adlige Äbtissin für seine Ideen erwärmen konnte, droht Krieg. Zudem entfremdet er sich zunehmend von seinen Bundesgenossen, verliert ehemalige Freunde an sektiererische Strömungen und zieht in letzter Konsequenz selbst in die Schlacht, Frau und Kind in der Ungewissheit zurücklassend. Und das ist das Erstaunlichste: Obwohl auf dem Filmplakat gleich mehrere Landeskirchen als Förderer und Mitproduzenten des Films auftauchen, wird in der Quintessenz nicht nur Zwinglis Rolle als Mitbegründer der reformierten Kirchen deutlich, sondern auch klargestellt, dass er keinesfalls ein Heiliger war.
Ein Punkt, der den Film von zahlreichen anderen Reformatoren-Porträts unterscheidet. Der Zuschauer darf sich am Ende selbst entscheiden, was diesen Zwingli wirklich ausmacht, ob er mit ihm sympathisiert oder nicht. Ohne seinen Einfluss auf die Sozial- und Kirchengeschichte zu verleugnen ermöglicht Regisseur Stefan Haupt einen differenzierten Blick auf eine bisher im Kino zu Unrecht vernachlässigte Gestalt, der sich vor keinem anderen ähnlichen Beitrag verstecken muss.