Plötzlich Muslimin
Von Antje WesselsWie in vielen anderen europäischen Ländern hat sich insbesondere auch in Österreich in den vergangenen Jahren ein merklicher politischer Rechtsruck entwickelt. Bei der Nationalratswahl 2017 erreichte die rechtspopulistische FPÖ einen Wählerzuspruch von rund 26 Prozent. Am meisten Unterstützung erhielt die Partei aus der Landeshauptstadt Wien, wo sie mit vier Landräten und mehr als 30 Prozent Wählerzustimmung am stärksten vertreten ist. Ein passender Schauplatz für die Komödie „Womit haben wir das verdient?“ also, wobei sich die Titelfrage allerdings nicht – wie man zunächst vermuten könnte – auf die FPÖ bezieht: Stattdessen geht es um eine Teenagerin, die von heute auf morgen beschließt, zum Islam zu konvertieren. Regisseurin Eva Spreitzhofer („Unter Blinden - Das extreme Leben des Andy Holzer“) nimmt sich damit eines explosiven Themas an, das in der jüngeren Vergangenheit vor allem die rechtsorientierten Parteien für sich beansprucht haben. Und tatsächlich gelingt es der auch für das Drehbuch verantwortlichen Spreitzhofer, neue Perspektiven zur festgefahrenen Integrationsdebatte beizusteuern, während ihr Film als Komödie eher weniger überzeugt.
Die 16-jährige Nina (Chantal Zitzenbacher) konfrontiert ihre getrenntlebenden Eltern Wanda (Caroline Peters) und Harald (Simon Schwarz) mit einer unerwarteten Neuigkeit: Die Teenagerin, die bislang keinerlei Interesse an Religion gezeigt hat, ist zum Islam konvertiert! Sie trägt Schleier, betet mehrmals am Tag und verzichtet auf Schweinefleisch. Ninas Eltern sind von dem plötzlichen Wandel ihrer Tochter ziemlich überrumpelt. Auch auf Fragen reagiert das Mädchen ausweichend, aber es scheint ihr tatsächlich ernst zu sein. Und so setzen Ninas Eltern alles daran, ihre Tochter zu verstehen und sich auf die neue Lebenssituation einzustellen. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn mit ihrem neuen Glauben eckt Nina nicht bloß bei ihren ratlosen Eltern an, sondern auch bei den anderen Muslimen an ihrer Schule, aus deren Sicht die Österreicherin einfach nur ein Klischee nach dem anderen erfüllt...
Der Titel des Films gibt ja schon eine bestimmte Richtung vor: Wenn sich die Eltern die Frage stellen, womit sie es bloß „verdient“ haben, dass ausgerechnet ihre Tochter zum Islam konvertiert ist, dann ist das ja nicht unbedingt positiv zu verstehen. Oder wie es im Film heißt: „Hätte sie nicht wenigstens Christin werden können?“ Doch die Geschichte entwickelt sich nach dem ersten Schock in eine ganz andere Richtung. Die als sehr liberal und aufgeklärt eingeführten Erwachsenen wollen ab dem Moment, in dem sie merken, dass es ihrer Tochter tatsächlich ernst ist, nämlich vor allem wissen, was ihre Beweggründe sind. Und da Nina auf Nachfragen nur desinteressierte Antworten gibt wie die, dass ihre Eltern doch einfach den Islam googeln sollen, wenn sie mehr über ihn erfahren wollen, kristallisiert sich schon bald das eigentliche Problem heraus: In „Womit haben wir das verdient?“ geht es weniger um den Konflikt zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, sondern um mangelnden Austausch im Allgemeinen. Und der hat hier auch nicht immer zwingend etwas mit dem Glauben zu tun, sondern ist einfach ein Teil der Pubertät. „Womit haben wir das verdient?“ ist im Kern einfach eine etwas andere Coming-of-Age-Geschichte.
Ninas Bekenntnis zum Islam hat nämlich einen ganz bestimmten Grund: Sie möchte sich mit einer muslimischen Freundin solidarisieren und greift dafür in diesem Fall auf extreme Mittel zurück. Doch um das Bild einer Muslimin nach außen zu verkaufen, bedient sich Nina vor allem an gängigen Klischees und bringt damit ausgerechnet die „echten“ Muslime gegen sich auf. Das Tragen eines Kopftuchs, das Schwimmen im Burkini, die Unterwürfigkeit gegenüber Männern oder der Verzicht auf Schweinefleisch – all diese Vorurteile übernimmt Nina, ohne sie zu hinterfragen. Dass auf der anderen Seite etwa die Zahl der muslimischen Feministinnen, die sich ganz gezielt gegen die Verhüllung von Frauen einsetzen, immer größer wird, wovon Nina aber natürlich nichts ahnt, bringt plötzlich eine thematische Tiefe in den Film, die neben Nina wohl auch viele Zuschauer mit ihrem Halbwissen über den muslimischen Glauben konfrontiert: Hier werden die gängigen muslimischen Motive – vom Kopftuch bis zum Ramadan – zwar ebenfalls abgefrühstückt, weil sie nun mal auch einfach dazu gehören. Doch „Womit haben wir das verdient?“ geht dann auch tiefer rein und beleuchtet die einzelnen Punkte mitsamt Vor- und Nachteilen sehr viel präziser, als man es von einer Komödie eigentlich erwarten würde.
Der komödiantische Teil von „Womit haben wir das verdient?“ kommt dabei allerdings ein wenig kurz. Zwar ergibt sich gerade zu Beginn aus vielen Streitgesprächen eine gewisse Komik; vor allem Caroline Peters („Der Vorname“) legt eine ungeheure Energie an den Tag, mit der sie ihre Tochter mehr als einmal schachmatt setzt. Allerdings sind solche Momente, die sich direkt aus Prämisse ergeben, sehr viel komischer als solche, in denen Spreitzhofer den Humor gezielt forciert. In einer Szene an Ninas Schule muss sich Wanda etwa zwischen „Rechtsextremismus“ oder „Islamismus“ entscheiden, weil beide Beratungsstellen mit entsprechenden Schildern im Schulflur ausgestattet sind. Selbst wenn Spreitzhofer auch solche plakativeren Szenen immer noch deutlich zurückhaltender inszeniert als vergleichbare Filme (nach dem überragenden Erfolg von „Monsieur Claude und seine Tochter“ konnte man sich vor europäischen Integrationskomödien ja zuletzt kaum retten), lassen sie „Womit haben wir das verdient?“ zeitweise etwas bemüht aussehen. Und auch im letzten Drittel überschlagen sich die Ereignisse mit einer albernen Verfolgung der Eltern in Nikabs so sehr, dass das allumfassende Happy End auf dem Marktplatz, auf dem gerade Demos zu allen möglichen politischen Themen und Positionen stattfinden, viel zu konstruiert wirkt, um den Film zu einem authentisch-zufriedenstellenden Abschluss zu bringen.
Fazit: „Womit haben wir das verdient?“ ist ein interessanter Beitrag zum Thema Integration und bringt dem Zuschauer die Vielfalt des muslimischen Glaubens authentisch näher. Als Komödie funktioniert der Film dagegen weniger, weil er in vielen lustigen Momenten einfach zu bemüht wirkt.