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Filmdoktor
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4,0
Veröffentlicht am 8. November 2020
Kindheit im Kalifat - Zwischen Trümmern auf dem Weg des Todes -
Der syrische Filmemacher, Talal Derki, der seit vielen Jahren schon in Berlin lebt, kehrt für eine Reportage über den so genannten "Islamischen Staat" in seine Heimat Syrien zurück. Er will verstehen, was in diesem Krieg eigentlich vor sich geht und er will seine eigene Angst davor überwinden. Aus diesem Grund hat er unter Vorspiegelung, selbst Anhänger der Ideologie des "Kalifats" zu sein, das Vertrauen einer dort ansässigen Familie gewonnen, genauer gesagt das Vertrauen des Familienoberhauptes Abu Osama. Wir lernen diesen Mann, der für die Al-Nusra Miliz kämpft, einem Ableger von Al Quaida, im Kreise seiner acht Söhne kennen. Er stellt sie mit Namen vor und verweist darauf, dass die beiden Ältesten nach Führern Al Quaidas - Osama und Ayman - benannt sind und ein weiterer Sohn am Jahrestag der Terroranschläge auf New York, also dem 11. September, geboren wurde - weil Gott es so wollte und ihn dadurch segnete. Fortan wird der Zuschauer durch die Kamera zum Begleiter dieses Abu Osama und den "Spielen" seiner Söhne, von denen der Älteste zu Beginn des Films gerade einmal zwölf Jahre ist. Das Gesprochene wird durch ein Voice over übersetzt und nicht extra kommentiert. Es ist also der ungefilterte Alltag mit einer Ausnahme: Frauen und Mädchen erscheinen so gut wie nie vor der Kamera. Selbstverständlich muss es zu diesen Söhnen eine Mutter (oder vielleicht auch mehrere Mütter) geben, aber sie werden weder gezeigt noch erwähnt. Nur in einer Schulszene im letzten Drittel des Films sagen drei Schülerinnen etwas auf, die Klasse besteht gleichermaßen aus Mädchen und Jungen. Man erlebt den (patriarchalen) Alltag der Familie in einer Ruinenlandschaft: die 'Arbeit' des Vaters besteht im Minen suchen und entschärfen (er wird dabei einen Fuß verlieren) und im Kriegseinsatz als Scharfschütze. Die Söhne gehen nicht zur Schule, spielen mit Sprengstoff oder auf alten Panzern und werden mit sportlichen Übungen und Regeln aus dem Koran trainiert. Schließlich absolvieren die beiden Ältesten ein Militärcamp, wo in Tarnanzügen exerziert und mit scharfer Munition geschossen wird. Als Talal Derki nach zwei Jahren Drehzeit 2016 die Familie wieder verlässt, hat sich vieles verändert, der Tod bleibt präsent und der Filmemacher muss sich eingestehen, dass dieses Land nicht mehr viel mit seiner erinnerten Heimat zu tun hat.
Der Regisseur Talal Derki hatte bereits mit dem 2013 fertig gestellten Dokumentarfilm "Homs - ein zerstörter Traum" nach Wegen gesucht, die Zustände und den Krieg in Syrien zu verstehen. Mit "Of Fathers and Sons" ist ihm ein verstörender Einblick in die geschlossen Welt islamistischer Fanatiker gelungen. Dieser Einblick ist umso wertvoller, da der in vielen Szenen gezeigte simple Alltag sich oberflächlich nicht so sehr von anderen Familien unterscheidet: Der Vater scherzt mit seinen Kindern und versucht ihnen Lebenspraktisches zu vermitteln. Die Kinder versuchen wiederum spielend ihre Welt zu verstehen. Allerdings wird beständig ein "Gott will es" beschworen, Gewalt und Tod sind auch in den Gesprächen immer präsent und das bauen einer Tretbombe in einer Plastikflasche ist für Kinder dieses Umfeldes normales Spiel. Trotz allem ist dieser Abu Osama nicht einfach nur ein Monster, sondern auch ein liebender Familienvater und die beiden ältesten Söhne Osama und Ayman schlagen unterschiedliche Wege ein, obwohl sie gleichen Einflüssen ausgesetzt sind.
"Of Fathers and Sons" zeigt den Alltag einer Familie im Gebiet des so genannten "islamischen Staates". Der Vater ist fundamentalistisch-islamistischer Kämpfer und will auch seine Söhne für den Kampf begeistern und belehrt sie schon von klein auf mit islamistischer Ideologie, zeigt aber ebenso seine Liebe und Zuneigung. Wegen schockierender Einzelszenen des nach wie vor andauernden Krieges ist die FSK-16-Einstufung gerechtfertigt. Der Film ist zwar flüssig montiert, da aber kein einordnender oder gar bewertender Kommentar erfolgt, bleibt der Zuschauer mit dem Gezeigten allein und sprachlos zurück, was das Anschauen anstrengend machen kann. Sehenswert!
„Wir haben dem Vogel den Kopf abgehackt, so wie du es bei dem Mann gemacht hast Vater“. Dieser gänsehauterregende Satz des Sohnes eines islamisitischen Radikalisten steckt mir noch Tage später in den Knochen. Der Dokumentarfilm gewährt einen einmaligen Einblick in das Leben einer Familie im islamischen Kalifat. Talal Derki wagt es, für dieses Meisterwerk für zwei Jahre in seine Heimat zurückzukehren, wo er sich als Reporter und Befürworter des Kalifats ausgibt. Er lässt seine Familie in Berlin zurück, unsicher ob er sie je wiedersehen wird. In Syrien begleitet er die Familie von Abu-Osama, einem Al-Nusra-Kämpfer, und wir können den Söhnen zuschauen, wie sie mit dem Krieg als Teil ihres Alltags aufwachsen und sich ihre kindlich-verspielte Art zu der eines ernsten Al-Nusra-Kämpfers entwickelt. Der Film ist nichts für schwache Nerven, da er die brutale Realität des Lebens im Kalifat darstellt. Nichtsdestotrotz ist die Dokumentation sehr empfehlenswert.