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    The Report
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Report

    Der Unbestechliche

    Von Markus Tschiedert

    Kathryn Bigelow musste sich wegen der Folterdarstellungen in „Zero Dark Thirty“ noch verteidigen. Ihr wurde vorgeworfen, die Methoden als notwendiges Übel darzustellen, an dem es nun mal kein vorbei gab, um an Informationen über den Verbleib von Osama Bin Laden zu gelangen. Nun folgt mit „The Report“ ein weiterer Film über die „erweiterten Verhörtechniken“ des CIA nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 - diesmal allerdings aus einer sehr viel kritischeren Perspektive. Regisseur Scott Z. Burns lässt nämlich keinerlei Zweifel daran, dass die damals gängigen, von der Bush-Administration zumindest billigend in Kauf genommenen Foltermethoden wie Schlafentzug, sexuelle Erniedrigungen, Waterboarding oder Walling (der Gefangene wird gegen Wände geschleudert) nicht nur gegen das Völkerrecht und die Amerikanische Verfassung verstoßen …

    … sondern eben auch ein Skandal sind, über den man sich unbedingt erregen sollte. „The Report“ ist demensprechend dann auch eine Enthüllungsgeschichte ganz in der Tradition von Alan J. Pakulas „Die Unbestechlichen“, Tom McCarthys „Spotlight“, Oliver Stones „Snowden“ oder Steven Spielbergs „Die Verlegerin“. Der Zuschauer wird dabei nicht mit Actionszenen vollgepumpt, sondern muss höllisch gut aufpassen, wenn sich ein Puzzle-Stück ins nächste fügt, bis schließlich ein möglichst authentisches, das US-amerikanische System bis ins Mark erschütterndes Bild entsteht.

    Tief unten im Keller graben Daniel Jones und sein Team nach einer Wahrheit, die eigentlich gar keiner hören will ...

    Natürlich brauchen solche Geschichten immer auch einen Helden, der gegen alle Widerstände für die gerechte Sache eintritt. In diesem Fall ist das der von Adam Driver gespielte Senatsmitarbeiter Daniel Jones. Senatorin Dianne Feinstein (Annette Benning) beauftragt ihn in ihrer Funktion als Vorsitzende des Geheimdienstausschusses intern mit der Untersuchung der Inhaftierungs- und Vernehmungspraktiken der CIA nach dem 11. September. In einem Keller nehmen Jones und seine Leute jeden Fall akribisch unter die Lupe und fördern dabei Schreckliches zutage. Ins Visier gerät so nicht nur CIA-Chef John Brennan (Ted Levine), sondern auch ein Psychologe namens Dr. Jim Mitchell (Douglas Hodge), der bei den Verhören besonders sadistisch vorgegangen ist. Nach sechs Jahren präsentiert Jones einen Report von 6.200 Seiten Länge, der beweist, dass die Folterungen nicht nur äußert brutal und menschenverachtend (was die Akteure nur lesen, wird dem Zuschauer zumindest in Ansätzen auch gezeigt), sondern darüber hinaus auch völlig ineffizient waren. Der CIA und das Weiße Haus wollen die Veröffentlichung des Reports unbedingt verhindern – und das bringt auch Jones in große Gefahr …

    Adam Driver, der seit seiner Schurkenrolle als Kylo Ren in der „Star Wars“-Saga zur A-Liga Hollywoods gehört und mittlerweile gleich reihenweise von solch renommierten Regisseuren wie Martin Scorsese („Silence“) oder Spike Lee („BlacKkKlansman“) verpflichtet wird, agiert gewohnt souverän und zugleich sehr kraftvoll. Als Protagonist bewältigt er die schwierige Aufgabe, einen Film mit wenigen Action-Elementen und gleichzeitig aber vielen Dialogen zu schultern. Als Zuschauer ist man auch emotional ganz bei ihm, als er überlegt, ob er wie Whistleblower Edward Snowden seinen Bericht an die Presse durchstecken sollte. Der moralische Konflikt wird für Jones unerträglich – und auch als Zuschauer hat man ganz schön dran zu knabbern.

    „The Report“ ist ein wirklich packender Politthriller, gerade weil er auf spektakuläre Showeffekte verzichtet und stattdessen eine konsequent beklemmend-bedrohliche Stimmung heraufbeschwört. Schon allein dem gigantischen, nicht näher benannten Gebäudekomplex, in dem Jones tagtäglich im Keller verschwindet, kommt dabei eine ganz zentrale Bedeutung zu: Eine finstere Festung mit wenigen Öffnungen nach innen, aus der nichts nach außen drängen darf – und damit zugleich eine Versinnbildlichung des übermächtigen Staatsapparates, in dem trotz Vietnam und Watergate Geheimniskrämereien und Alleingänge weiterhin zum Alltag gehören. Ausgerechnet in diesem kargen Keller ohne Fenster versucht nun eine Gruppe investigativer Beamte, die in dieses unterirdische Verlies versickerte Wahrheit im wahrsten Sinne des Wortes zurück ans Tageslicht zu zerren. Ein starkes Bild, das man kaum besser konstruieren könnte, wenn es nicht ohnehin der Wahrheit entsprechen würde.

    1970er-Verschwörungen Vs. 2010er Verschwörungen

    Eine interessante Beobachtung nebenbei: Im Dezember 2014 wurde der Bericht „Study Of The Central Intelligence Agency’s Detention And Interrogation Program“ zumindest in einer auf 500 Seiten gekürzten Fassung doch noch herausgegeben. Im Gegensatz zu den meisten Genrebeiträgen zur Hochzeit des politischen Paranoia-Kinos in den Siebzigerjahren, in denen die hoffnungslos unterlegenen Protagonisten sehr oft an der Übermacht des Staates oder sonstiger dunkler Mächte zerschellten, funktioniert „The Report“ wie die meisten neueren Enthüllungsfilme so dann doch in erster Linie wie ein Plädoyer für mehr Rechtschaffenheit und die Widerstandskraft des Einzelnen in der Demokratie. Klar hat der Klassikerstatus vieler Bad-End-Thriller aus den Siebzigern auch mit ihrer pessimistischen Zukunftssicht zu tun, aber das macht „The Report“ in seinem differenzierten Optimismus trotzdem nicht weniger kraftvoll.

    Regisseur Scott Z. Burns, der bisher vor allem als Drehbuchautor für Steven Soderbergh („Side Effects“, „Contagion“) in Erscheinung trat, hat seinen „The Report“ auf dem diesjährigen Sundance Filmfestival erstmals vorgestellt. Dort gab es nicht nur für den anwesenden realen Daniel Jones Standing Ovations, es dauerte anschließend auch nur schlappe zwei Stunden, bis Amazon den Film für alles andere als günstige 14 Millionen Dollar kaufte, um ihn letztendlich auf seinem Streaming-Portal Amazon Prime Video auszuwerten. Dass „The Report“ trotzdem einen Monat vor seinem Prime-Start am 11. Oktober 2019 noch ins Kino kommt, ist unbedingt begrüßenswert. Denn da gehört ein Film dieser Klasse nun mal hin, gerade wenn er sich wie „The Report“ aufgrund seiner Detailtiefe nun wirklich nicht zum Nebenbei-Schauen auf der heimischen Couch eignet (was viel zu viele Streamingkunden heutzutage leider bei Netflix und Co. zu machen scheinen).

    Fazit: Ein auf Tatsachen beruhendes, eindringlich gefilmtes Politdrama, das noch einmal bewusst macht, dass Folter selbst als Reaktion auf die schlimmsten Verbrechen stets die Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde untergräbt. Folter ist nicht nur nicht zu entschuldigen, sie bringt in den allermeisten Fällen auch nichts – und auf dem Weg zu dieser Erkenntnis ist jedes Detail, jeder Dialog wichtig, weshalb „The Report“ trotz Amazon-Deal auch unbedingt ins Kino gehört!

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