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    Finch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Finch

    Ein Hund, ein Roboter und Tom Hanks

    Von Julius Vietzen

    Das Gemetzel von Hartheim, die Schlacht der Bastarde, das Finale von Staffel 6: Regisseur Miguel Sapochnik hat zwar einige der besten und beliebtesten Episoden von „Game Of Thrones“ inszeniert, aber abseits seiner auch sonst sehr erfolgreichen Karriere als Serien-Regisseur bislang nur einen einzigen Spielfilm inszeniert: den eher mauen Science-Fiction-Thriller „Repo Men“ mit Jude Law von 2010. Mit dem in Westeros errungenen Ruhm im Rücken wagt sich Sapochnik elf Jahre später nun an seinen zweiten Spielfilm – und auch der ist wieder im Science-Fiction-Genre angesiedelt, hat darüber hinaus aber nur noch wenig mit seinem ersten Anlauf gemein.

    Das ehemals als „Bios“ bekannte Science-Fiction-Drama „Finch“ sollte ursprünglich mal in die Kinos kommen, wurde dann aber im Zuge der Corona-Pandemie an den Streamingdienst Apple TV+ verkauft (wo zuvor auch schon der ebenfalls von Tom Hanks angeführte U-Boot-Kriegsfilm „Greyhound“ gelandet ist). Im Gegensatz zum vor allem auf Gewaltexzesse setzenden „Repo Men“ ist „Finch“ aber nicht nur der wesentlich rundere Film, er setzt auch viel stärker auf Humor. Das Ergebnis ist eine oft berührende, wenn auch nicht unbedingt innovative Geschichte über die Beziehung zwischen einem Menschen, einem Hund und einem Roboter.

    Erfinder Finch (Tom Hanks), Hund Goodyear und Roboter Jeff brechen in Richtung San Francisco auf.

    In der nahen Zukunft ist die Erde nach einer Sonneneruption nahezu unbewohnbar geworden. Die wenigen überlebenden Menschen verschanzen sich in Innenräumen vor den brütenden Temperaturen jenseits der 60 Grad Celsius. Dazu kommen tödliche UV-Strahlung und gefährliche Sandstürme.

    Zu den Überlebenden gehört auch der todkranke Wissenschaftler Finch (Tom Hanks), der in St. Louis auf dem Forschungsgelände jener Firma lebt, bei der er einst angestellt war. Dort tüftelt er an einem Roboter, der sich nach seinem eigenen Tod um seinen Hund Goodyear kümmern soll. Als ein gewaltiger Sturm naht, machen sich Finch, Goodyear und der „neugeborene“ Roboter Jeff (Stimme im Original: Caleb Landry Jones) auf den weiten Weg in Richtung San Francisco...

    Die vier Gesetze der Robotik

    Sci-Fi-Ikone Isaac Asimov formulierte in seiner Kurzgeschichte „Runaround“ von 1942 erstmals die drei Gesetze der Robotik, nach denen ein Roboter …

    1.) einem Menschen nicht schaden darf

    2.) Menschen gehorchen muss (solange das nicht Regel 1 widerspricht)

    3.) seine eigene Existenz beschützen muss (solange das nicht den Regeln 1 und 2 widerspricht)

    In „Finch“ werden die drei bekannten Gesetze nun noch um eine vierte Regel ergänzt, nach der Roboter Jeff alles tun muss, um den vierbeinigen Freund seinen Erschaffers Finch zu beschützen. In der ersten Hälfte von „Finch“ sind es zumeist solche kleinen, mal cleveren, mal augenzwinkernden Einfälle, die die Geschichte vorantreiben. Denn Sapochnik verlässt sich anfangs etwas zu sehr auf die bewährte Mischung aus Roboter-Slapstick (Jeff lernt laufen und stolpert) und Vierbeiner-Charme (Goodyear schaut mit traurigen Hundeaugen in die Kamera), während das erzählerische und thematische Potenzial der Geschichte nur selten ausgeschöpft wird.

    Kurz nach Beginn des gemeinsamen Roadtrips erspäht sich der provisorisch zusammengeschusterte Jeff etwa selbst in einem Spiegel. Die anschwellende Musik von Gustavo Santaolalla („Brokeback Mountain“) betont die Relevanz dieser Szene – doch dann ist der Moment auch schon wieder vorbei und stattdessen machen Finch und Jeff auf einer glühend heißen Radkappe Popcorn. Das ist zwar auch ein netter, humorvoller Moment, der zudem später nochmal wichtig wird. Spannender wäre es aber gewesen, wenn Sapochnik und seine Drehbuchautoren Craig Luck und Ivor Powell hier tatsächlich etwas zur Selbstwahrnehmung und zum Ichbewusstsein des Roboters zu sagen gehabt hätten.

    Roboter Jeff erblickt das Licht der Welt!

    Sobald der Roadtrip mit Mensch, Hund und Roboter dann aber so richtig in Schwung kommt, finden auch Sapochnik und sein Team zunehmend die passende erzählerische Balance: Zwischen Finch und Jeff entwickelt sich eine Vater-Sohn-Beziehung, bei der der Roboter im Schnelldurchlauf innerhalb nur weniger Tage wie ein Kind Fragen stellt, wie ein Teenager rebelliert und wie ein (fast) Erwachsener Autofahren lernt. Besonders gelungen: Als Finch versucht, dem Roboter die Bedeutung von Vertrauen zu erklären, ringt er erst um die richtigen Worte, bevor er sich dann später in einer haarigen Situation selbst widerspricht: „Vertraue niemandem!“

    Schließlich lernt Jeff durch den Kontakt mit Finch und Goodyear selbst, was Vertrauen heißt – genauso wie auch Menschenkinder viel von ihren Eltern lernen, aber das wirkliche Verstehen häufig erst durch eigene Erfahrungen gelingt. Im Gegenzug kümmert sich der zunehmend besser funktionierende und sprechende (anfangs hört sich Jeff irritierenderweise an wie Sasha Baron Cohen in „Borat“) Roboter um seinen „Vater“, dessen Gesundheitszustand sich rapide verschlechtert. Mehr und mehr offenbart sich in solchen Momenten die zusätzliche Dimension des ursprünglichen Titels, denn „Bios“ ist nicht nur das altgriechische Wort für „Leben“, sondern auch die Firmware, die Computern gewissermaßen ihr Leben spendet.

    Starke zweite Hälfte

    In der zweiten Hälfte beweist Sapochnik besonders für kleine, berührende Momente ein gutes Händchen – etwa wenn Jeff dem fiebernden Finch fürsorglich einen kalten Lappen auf die Stirn legt oder die beiden in einer strahlungsfreien Zone eine gemeinsame Pause unter einem Sonnenschirm einlegen. Zudem werden zahlreiche Szenen aus der ersten Hälfte später noch einmal variierend aufgegriffen, wodurch sie eine stimmige erzählerische Klammer bilden – so auch der bereits erwähnte Popcorn-Moment, dessen tiefere Bedeutung sich Jeff und dem Publikum erst hier erschließt: Auch in der Post-Apokalypse muss Zeit dafür sein, das Leben ein wenig auszukosten.

    Auch die enge Beziehung zwischen Finch und Goodyear, die anfangs trotz einiger ausführlicher Knuddel-Sessions pure Behauptung bleibt, erhält eine zusätzliche Dimension: Erst gegen Ende von „Finch“ wird nämlich in einer der besten und berührendsten Szenen des Films enthüllt, warum Finch unbedingt möchte, dass sein Hund auch nach seinem Tod nicht alleine sein muss. Hier kann dann auch Tom Hanks seine ganze Präsenz und sein ganzes schauspielerisches Können auffahren, während er zuvor eher den typischen kauzig-verlotterten Erfinder gibt, der noch immer brav seine Stempelkarte einsteckt und seinen Mitarbeiterausweis trägt, obwohl er der einzige Mensch weit und breit ist.

    Fazit: Der gefeierte „Game Of Thrones“-Regisseur Miguel Sapochnik erzählt in „Finch“ eine berührende Science-Fiction-Fabel: Es spielt keine Rolle, ob man ein Mensch, ein Hund oder ein Roboter ist. Wichtig ist vor allem, wie und wofür man lebt.

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