Tini Tüllmann liefert als Leinwanddebüt einen Psycho-Thriller ab. Das Drehbuch stammt aus ihrer Feder.
Freddy (Felix Schäfer) soll seine Frau verprügelt haben. Er unterschreibt widerwillig ein Geständnis und erhält Psychotherapie statt Gefängnis. Das spricht sich schnell herum. Der Künstler beteuert seine Unschuld, aber niemand glaubt ihm. In dieser schwierigen Phase erscheint und hilft Eddy, der Freddy wie ein Zwilling gleicht, jedoch selbstbewusster und wagemutiger auftritt. Paula (Jessica Schwarz), die neue Nachbarin, freundet sich mit Freddy an.
Das deutsche Genre-Kino hat’s schwer. Dabei bieten doch die dissoziative Identitätsstörung (DIS) und andere Krankheitsbilder wie Schizophrenie eine riesige Spielfläche für Filmemacher. Unzählige Geschichten und Varianten sind denkbar. Das Publikum soll letztendlich gut unterhalten werden. Erst Ende November 2017 zeigte Oliver Kienle mit „Die Vierhändige“ einen mehr als ansehnlichen DIS-Thriller. Neben herausragenden Filmen wie „A Beautiful Mind“ (2001 von Ron Howard) und „The Sixth Sense“ (1999 von M. Night Shyamalan) ist „Identity“ (2003 von James Mangold) ein Klassiker, und im deutschsprachigen Bereich spielt „Ich seh, ich seh“ (2014 von Veronika Franz und Severin Fiala) ganz oben in der Liga.
Tini Tüllmann schickt ihr Publikum in ein Rennen um die Lüftung des Geheimnisses von Freddy und Eddy. Bezüglich der Familienverhältnisse hätte die Geschichte von Beginn an etwas breiter erzählt werden dürfen. Dennoch gelingt es der Regisseurin, nach dem Blitzstart Freddys Verzweiflung atmosphärisch wirksam darzustellen und in den Fokus zu stellen. Sie kann mit Spannungserzeugung umgehen und spielt geschickt mit der Unberechenbarkeit der Situationen, umlullt mit friedlichen Winterbildern der Tegernseer Umgebung. Der genretypische Score ist passend gezielt zur Stimmungsverstärkung eingesetzt, aber recht einfallslos.
Freddy mag nicht glauben, dass er sich Eddy nur einbildet. Freddy hat Angst vor dem Gedanken, dass er als Eddy schreckliche Handlungen verübt. Das ist durchaus verständlich, da die Unterschiede zwischen den beiden so viel deutlicher sind als zwischen der Lenor-Frau und ihrem schlechten Gewissen, das auf sie einredet, weil nicht der richtigen Weichspüler verwendet wird (1970er, wer’s noch kennt). Während sich Freddy als typischer Kunstmaler immer mit verwuschelten Haaren und im Schlabber-Look gibt, erscheint Eddy elegant, geschniegelt und gestriegelt mit bedrohlich arroganter Ausstrahlung. Paula erkennt diesen Unterschied nicht. Vielleicht vertraut Tini Tüllmann nicht in die Empathiefähigkeiten ihrer Geschlechtsgenossinnen. Denis Villeneue zeigt mit „Enemy“ (2013), wie es besser geht. In Begleitung einiger weiterer Inszenierungsholperer wirkt Tüllmanns Dreh mit der Auflösung, die an sich in Ordnung geht, wie eine recht grob geschnitzte Sache.
„Freddy/Eddy“ ist im Ergebnis ein spannender, aber kein sehenswerter Film schreibt Kinobengel/Kinoengel.