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    Lucky Day
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Lucky Day

    Die späte Quasi-Fortsetzung eines Neunzigerjahre-Kultfilms!

    Von Lutz Granert

    Als Roger Avary in den Achtzigerjahren in der „Video Archives“-Videothek in Manhattan Beach jobbte, arbeitete er dort gemeinsam mit Quentin Tarantino. Die Filmnerds hatten einen ähnlichen Geschmack – und entwickelten sogar gemeinsam Drehbücher. Der absolute Höhepunkt der Kooperation: der Oscar fürs Beste Originaldrehbuch von „Pulp Fiction“! Weil Tarantino seinem Co-Autor im Abspann jedoch keinen gleichrangingen Credit als Drehbuchautor zugestand, sondern ihn nur als Ideengeber für die Story anerkannte, kam es zum Streit – und die beiden Filmemacher gingen erst einmal getrennte Wege. (Inzwischen ist wieder Gras über die Sache gewachsen und die beide betreiben gemeinsam den „The Video-Archives“-Filmpodcast.) Aber während es für Tarantino immer nur noch weiter nach oben ging, geriet die Karriere von Avary speziell nach seiner abgründigen Bret-Easton-Ellis-Adaption „Die Regeln des Spiels“ (2002) zunehmend ins Stottern.

    2009 dann der Tiefpunkt: Avary wurde von einem Gericht wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr Gefängnis und fünf Jahren Bewährung verurteilt. In alkoholisiertem Zustand war Avary gegen einen Telefonmast gerast: Während seine Frau Gretchen meterweit aus dem Auto geschleudert wurde, kam sein italienischer Kumpel Andreas Zini gar ums Leben. Mit „Lucky Day“, einem Quasi-Sequel zu seinem kultigen Regiedebüt „Killing Zoe“ von 1993, feierte Avary sein Comeback als Regisseur und Autor – und zwar bereits 2019, als „Lucky Day“ vor allem in Frankreich heftig floppte. Mit vier Jahren Verspätung (wohl auch aufgrund von Corona) folgt nun doch noch ein deutscher Kinostart – und so wirklich hat sich das Warten leider nicht gelohnt: Dem lahmen Plot der Thriller-Komödie können auch einige mal mehr, mal weniger direkte „Pulp Fiction“-Anspielungen keine Beine machen.

    Redmond (Luke Bracey) will unbedingt ein ehrliches Leben führen – kommt von seiner kriminellen Vergangenheit aber einfach nicht weg.

    Der Einbrecher Redmond (Luke Bracey) kommt nach zwei Jahre hinter Gittern endlich aus dem Knast frei. Nun will er zusammen mit Frau Chloe (Nina Dobrev) und Tochter Beatrice (Ella Ryan Quinn) endlich ein ruhiges Familienleben führen und dafür mit seiner kriminellen Vergangenheit abschließen. Aber Pustekuchen: Der skrupellose französische Profikiller Luc Chaltiel (Crispin Glover) hat noch eine Rechnung mit Red offen – und hinterlässt auf seiner Mission eine immer länger werdende Blutspur...

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    Roger Avary knüpft in „Lucky Day“ an seinen in Paris spielenden Heist-Thriller „Killing Zoe“ mit vagen inhaltlichen Bezügen, aber auch mit deutlichen Ähnlichkeiten bei den Figurennamen an: Aus Tresorknacker Zed wird hier der geläuterte Red, aus der Escortdame und Bankangestellten Zoe wird die Künstlerin Chloe. Dabei hat Avary seine Frankophilie im neuen Skript noch ungleich stärker ausgelebt – ohne dass daraus irgendein Mehrwert entstehen würde. Das zeigt sich vor allem in der Figur des unsinnigerweise aus Frankreich stammenden Profikillers Luc, den der US-Amerikaner Crispin Glover („American Gods“) mit verächtlich-kaltem Blick, schiefem Lächeln sowie rohem Charme spielt – und damit im Gegensatz zum komplett blass bleibenden Luke Bracey („Point Break“) zumindest einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

    Als Luc auf der Damentoilette Sex mit der Freundin eines hitlerbärtigen Unterstützers hat, trennt er ihr anschließend wegen „postkoitalem Gequatsche“ die Kehle durch – trotzdem bleibt der Killer aufgrund seines holprigen französischen Akzents und seines beschränkten Vokabulars in erster Linie eine Witzfigur. Nimmt man dann noch das Aussehen von Beatrice (dunkle Haare, Pagenschnitt) dazu, scheint Avary hier fast eine rätselhafte Hommage an Luc Bessons modernen Klassiker „Léon – Der Profi“ im Sinn gehabt zu haben – nur dass im weiteren Filmverlauf von „Lucky Day“ keinerlei emotionale Annäherung zwischen Killer und Kind stattfindet.

    Der skrupellose französische Profikiller Luc Chaltiel (Crispin Glover) ist die mit Abstand interessanteste (und fieseste) Figur des Films.

    Etwa eine Filmstunde lang plätschert „Lucky Day“ mit der immergleichen Abfolge von ermüdenden Szenen vor sich hin: Red muss seinen Alltag zwischen Familie und Gangsterkumpels meistern – und unterdessen mordet sich Luc durch möglichst absurde Situationen (was nur ganz leichte Erinnerungen an Anton Chigurh aus „No Country For Old Men“ hervorruft). Avary hängt offenbar noch immer dem seligen 90er-Jahre-Kino nach, in dem eine episodische Erzählstruktur, eskalierende Gewalt und zynisch-pointierte Dialoge unterlegt mit einem schmissigen Rock-Soundtrack noch der heiße innovative Scheiß waren. Aber dieser Status ist inzwischen auch wegen der zahllosen Tarantino-Imitationen natürlich längst verlorengegangen.

    Erst im letzten Drittel, wenn sich die Wege von Ex-Knacki und Killer schließlich kreuzen, entwickelt „Lucky Day“ endlich den nötigen Verve: Mit bissigem Spott verpasst Avery im Film einem Konzeptkunstwerk einen neuen Anstrich – und zwar mit dem Blut der herumnörgelnden Kritiker! Hier scheint endlich einmal jener subversive und pointierte Humor durch, der etwa den Buger-Dialog aus „Pulp Fiction“ dermaßen unvergesslich gemacht hat.

    Fazit: Viele halbgare Ideen und Gags, krude Filmanspielungen und eine schleppend vorgetragene Story sorgen beim Kino-Comeback von „Pulp Fiction“-Co-Autor Roger Avary für jede Menge Leerlauf. Immerhin hat Crispin Glover als gnadenloser Killer die angesichts seiner sadistischen Taten oft im Halse steckenbleibenden Lacher auf seiner Seite.

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