Mal im Ernst: Wer hat dieses Buch in dieser Form abgenommen und/oder erst so richtig verhunzt? Ab ins Kabuff und 48 Stunden 'Brüder'-Dauergucken a la Clockwork Orange. Oder nochmal das Handwerk richtig lernen. Das sollte nicht nur für Autoren gelten, sondern vor allem für Redakteure. Auch von den Schauspielern überzeugen aus meiner Sicht nur jene, die sich aufgrund von Talent und Erfahrung selbst zu helfen wissen (danke Thorsten Merten!). Der Hauptcast: Völlig überfordert. Mit ihren offensichtlich angeklebten Bärten sehen die Jungs zudem aus wie muslimische Weihnachtsmänner, die man allenfalls integrationsvermittelnd im KIKA präsentieren kann.
Allein die Exposition wirkt wie der filmische Modellversuch einer Kunstklasse an der Uni Haferloch-Solms. Ein mürrisch dreinblickender junger Mann liegt im Bett seines slacker-studi-gestylten Zimmers mit (s)einer hübschen, netten Freundin am 'Morgen danach.' Dieses vor allem in Soaps oft und gern bemühte Setting unterstreicht der bosnischstämmige Schauspieler Edin Hasanović mit angestrengtem Blick, der die Unzufriedenheit des deutschen Informatikstudenten Jan Welke in einer Welt empfundener Sinnlosigkeit auch dem kurzsichtigsten Zuschauer vermitteln soll. Weiterer Evergreen deutschen Fernsehschaffens: Der Blick in die Ferne aus dem Fenster. Originell geht anders. Das wäre alles noch verschmerzbar, wenn Regisseur Züli Aladag gerade in den letzten zwei Jahren nicht ausschließlich auf Krimiformate wie den 'Tatort' gesetzt hätte. 'Brüder' sollte aber offensichtlich kein 'Tatort' sein. Folglich irritiert es, wenn die Figuren oftmals wie Tatort-Akteure agieren, also Dialoge eher rapportieren als durch Nuancen im Spiel vor allem nonverbal zu akzentuieren - gerade weil es hier um die Darstellung eines inneren Entwicklungsprozesses gehen soll. Die erzählerischen Fähigkeiten der Akteure geben das in der Summe jedoch nicht her, wenn die Regie den fürs Genre passenden Acting-Support versäumt. Man kann die Form aus meiner Sicht nur brechen, wenn man sie kennt und beherrscht. Erst dann ist postmodernes Inszenieren m.E. möglich. Das passt jedoch davon abgesehen nicht zum Thema 'IS' in diesem quotenroientierten Sende-Format (Angsthäschen-Rotstifte). Fassbinder-meets-Soap funktioniert jedenfalls nicht. (Wieso kennen so wenig deutsche Regisseure die Genre-Regeln nicht? Gucken die keine Klassiker?) Ich sehe aus Zuschauerperspektive auch keine vierte Wand des Schauspielers: Hasanović spielt meistens einzig für die Kameralinse, als wäre sie sein Bühnenpublikum. Dabei verharrt er aus Zuschauerperspektive in einem oft unerträglichen Theatermodus. Regie-Ambitionen, wenigstens über die Dialoge etwas filmische Identifikationsarbeit für den Zuschauer zu leisten, scheitern ebenfalls - erschwert durch einen kruden dramaturgischen Mix aus bedeutungsschwer angelegten Fassbinder-Blicken, die sich hilflos mit kind-, aber nicht erwachsenengerechten Erklärbär-Dialogen um das Problem Radikaler Islamismus herumlavieren. Hölzern aufgesagte Schulfernsehen-Dialoge verleihen zum Fremdschämen, wenn es beispielsweise zum ersten offenen Disput zwischen Jan und seiner Mutter (in gespreizter Betroffenheit: Karoline Eichhorn) um seinen Glaubens- wie Gesinnungswechsel kommt.
Betrachtet man die Erzählstruktur in ihrer Gesamtheit, entsteht der Eindruck eines handwerklich unausgegorenen Skripts, an dem sich mehrere Redakteursstifte an unterschiedlichen Stellen mit unterschiedlichen Vorstellungen verewigten. Einziger Pluspunkt und Stern: Das gelungene Schlussbild mit weißer Abblende.
Und sowas wird für den Fernsehpreis nominiert? Ich verstehe die deutsche Medienwelt nicht.