Wim Wenders ist einst mit Spielfilmen wie „Der amerikanische Freund“ „Paris, Texas“ und „Der Himmel über Berlin“ international berühmt geworden, aber zuletzt hat er vor allem mit seinen innovativen (3D-)Dokumentationen „Pina“ und „Das Salz der Erde“ beeindruckt, die ihm jeweils eine Oscar-Nominierung einbrachten. Die Arbeiten über die Tanzchoreografin Pina Bausch und den Fotografen Sebastião Salgado waren sehr persönliche Porträts von Künstlern durch die Augen eines Kollegen. Nun widmet sich der Filmemacher erneut einer berühmten Persönlichkeit und ihrem Wirken, aber dieses Mal steht das gesprochene Wort im Mittelpunkt. Wenders bereitet dem amtierenden Papst eine filmische Bühne und lässt das Oberhaupt der katholischen Kirche über die Dinge sprechen, die die Welt bewegen: „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ ist das sehr wohlwollende, aber trotzdem aufschlussreiche Porträt eines charismatischen Predigers, jedoch keine kritische Auseinandersetzung mit Franziskus‘ Positionen und schon gar nicht mit der von ihm geführten Institution.
Ein investigativer Blick hinter die Kulissen der katholischen Kirche ist von einem schon immer mehr an Menschen als an Organisationen interessierten Filmemacher wie Wenders sowieso kaum zu erwarten gewesen, zumal die Idee zu dem Film von der PR-Abteilung des Vatikan an den Regisseur herangetragen wurde. Sie wurde ihm damit schmackhaft gemacht, dass ihm Türen geöffnet wurden, die der Öffentlichkeit sonst verschlossen bleiben. Vor allem bekam der Regisseur viel Zeit mit dem Papst selbst, der ihm für vier ausführliche Interviews zur Verfügung stand. Diese bilden dann auch das Herzstück von „Ein Mann seines Wortes“, wobei Wenders komplett in den Hintergrund tritt. Die Szenen sind kameratechnisch so gestaltet, dass Franziskus sich direkt an jeden einzelnen Zuschauer zu wenden scheint und sich zu drängenden Fragen der Gegenwart äußert - von Armut und Ungleichheit bis zum Klimawandel.
Auch wenn auf die Herkunft und die Vergangenheit des Papstes als Chemietechniker Jorge Mario Bergoglio aus Argentinien kaum eingegangen wird, erscheint der Protagonist in Wenders‘ Film als ein Mann, der zwar eine Funktion ausübt und daher auch eine Rolle spielt, sich aber so gut wie nie zu verstellen scheint. Ob er (fast immer in seiner Muttersprache Spanisch oder Italienisch) von dem Raubbau des Menschen an der Natur oder der unchristlichen Grausamkeit von Kriegen und Gewalt redet oder ob er uns etwas onkelhaft auffordert, mehr Zeit mit unseren Kindern und mit Spielen zu verbringen, immer scheint aus Franziskus eine tiefe innere Überzeugung zu sprechen. Und das kann sehr mitreißend sein: Wer außer ihm würde für kritische Worte zum Waffenbesitz parteiübergreifend Standing Ovations im amerikanischen Kongress bekommen?
Wenn Wenders Franziskus im Titel als „Mann seines Wortes“ bezeichnet, dann bringt er damit auch die Hoffnungen auf den Punkt, die den ersten Papst vom amerikanischen Kontinent seit seiner Wahl 2013 begleiten. Die bescheidene Art des Jesuiten, der sich nicht nur durch den Verzicht auf Prunk und Luxus um eine besondere Nähe zu den zu großen Teilen armen Gläubigen bemüht, geht Hand in Hand mit progressiven Positionen in vielen sozialen Fragen, die er in klaren und einprägsamen Worten vertritt. Auch aus Wenders selbst spricht etwas von diesen Hoffnungen, wenn er sich angesichts von Gewalt und Krisen im Off-Kommentar fragt, wie groß die Macht des Wortes wirklich ist.
Problematische Äußerungen des Papstes, etwa wenn er den Feminismus pauschal im Nebensatz als „extrem“ ablehnt, bleiben dagegen unkommentiert und bei seinen deutlichen, aber auch etwas einstudiert wirkenden Worte zu den Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche wäre ein kurzer ergänzender Blick auf Franziskus' konkrete Maßnahmen zur Aufklärung und Bestrafung hilfreich gewesen. Aber darauf verzichtet Wenders, der hier eindeutig das Positive akzentuiert und die Interviews mit teils älteren Aufnahmen von Franziskus bei Auftritten in Südamerika, Afrika und Asien, vor der UN, an Ground Zero, in Yad Vashem und in Flüchtlingslagern mischt.
In den Archiv- und Reisebildern ist zu sehen, wie sich die große Wirkung des Mannes in den Gesichtern der zuhörenden Menschen spiegelt und auch als Filmzuschauer kann man sich ihr kaum entziehen. Das ungewöhnlichste Zeugnis der Faszination des Regisseurs für seinen Protagonisten sind wiederum die im Stile von Stummfilmen mit Handkurbelkameras in Italien gedrehten Spiel-Szenen aus dem Leben des heiligen Franz von Assisi, des Namenspatrons dieses Papstes. In diesen wunderschön anzuschauenden Reenactment-Segmenten bekommt der Film selbst einen Heiligenschein und schlägt in unwiderstehlichen Religionskitsch um.
Fazit: Franziskus als faszinierender Redner und charismatischer Menschenfreund - Wim Wenders zeigt uns in seiner Dokumentation den Papst pur und verzichtet auf kritische Töne.