Der bisherige Tiefpunkt des DCEU
Von Julius Vietzen15 Jahre ist ein Auftritt von Dwayne Johnson als Black Adam schon geplant: 2007 bestätigte er erstmals, als Widersacher von Held Shazam Teil des DC-Universums zu sein. Seit 2017 ist ein „Black Adam“-Solofilm konkret in Arbeit – es war also eine lange Wartezeit für alle Fans der Figur und von Superstar The Rock. Doch das Warten hat sich definitiv nicht gelohnt: „Black Adam“ fühlt sich nämlich so an, als wären in diesen 15 Jahren auch mindestens 15 verschiedene Konzepte, Genres und Vorbilder angedacht worden, die dann alle im fertigen Film untergebracht werden mussten.
So ist „Black Adam“ ein wildes Sammelsurium an Ideen, von denen aber nur wenige wirklich ausgereift sind und die wenigsten auch nur ansatzweise bis zu Ende gedacht werden. Und vor allem funktionieren sie nur in den seltensten Fällen auch im Zusammenspiel miteinander. Immerhin steht Dwayne „The Rock“ Johnson mit seiner enormen physischen Präsenz wie ein Fels in der Brandung inmitten all dieses Chaos. Ein wirklich nachvollziehbarer Titel-(Anti-)Held wird sein Black Adam aber zu keiner Sekunde – ebenso wenig wie die anderen, meist ziemlich wahllos ins Geschehen geworfenen Figuren des Films.
Dwayne Johnson bringt als Black Adam seine ganze Präsenz mit – und das ist auch bitter nötig!
Vor 5.000 Jahren war Kahndaq die erste Hochkultur der Erde, doch dann stürzte König Ahk-Ton (Marwan Kenzari) das Land mit seinem Machthunger ins Unglück: Er versklavte seine Untertanen und zwang sie nach dem wertvollen Element Eternium zu graben, aus dem er die geheimnisvolle Krone von Sabacc schmiedete. Doch er hatte seine Rechnung ohne den Champion von Kahndaq gemacht, der die unterdrückten Menschen befreite...
In der Gegenwart ist die Wissenschaftlerin Adrianna Tomaz (Sarah Shahi) gemeinsam mit einigen Mitstreitern auf der Suche nach der Krone von Sabacc, doch in einer alten Grabstätte werden sie von Söldnern der skrupellosen Intergang überrascht, die die Kontrolle über Kahndaq an sich gerissen haben. In ihrer Not spricht Adrianna das Zauberwort „Shazam“ aus und erweckt damit Teth-Adam (Dwayne Johnson) aus seiner langen Ruhe. Dessen plötzliches Auftauchen ruft die Justice Society Of America (JSA) auf den Plan: Hawkman (Aldis Hodge), Doctor Fate (Pierce Brosnan), Cyclone (Quintessa Swindell) und Atom Smasher (Noah Centineo) machen sich auf den Weg nach Kahndaq, um den mächtigen Krieger und seine zerstörerische Kraft unter westliche Kontrolle zu bringen...
„Black Adam“ beginnt mit einem ellenlangen, mit übermäßig viel Zeitlupe im schlecht kopierten „300“-Stil inszenierten Prolog, in dem eine Erzählerin die Geschichte von Kahndaq und König Ahk-Ton erklärt. Ein notwendiges Übel am Anfang des Films? Nein, denn das Drehbuch-Trio Adam Sztykiel, Rory Haines und Sohrab Noshirvani findet auch anschließend nur selten einen eleganten Weg, um notwendige Informationen zu transportieren. So erklärt dann etwa Hawkman lang und breit die Superkräfte der von ihm angeführten JSA, obwohl wir diese nur wenig später sowieso in Aktion sehen. Und auch sonst setzen immer wieder Figuren zu langen Erklärungen und Rückblenden an. Die ohnehin schon holprig erzählte und nicht besonders packende Geschichte wird dadurch immer wieder zusätzlich ausgebremst.
Das könnte man bei einem eindeutig als großes, lautes Popcornkino gedachten Blockbuster wie „Black Adam“ aber noch schulterzuckend abtun, wenn wenigstens das Drumherum stimmen würde und wir vielleicht imposante Schauwerte geboten bekommen. Aber selbst die solide gemachten Actionszenen gehen in einem gigantischen CGI-Gewitter von teilweise höchst mäßiger Qualität unter – und werden vor allem durch das eingangs erwähnte Sammelsurium von verschiedenen Ideen, Genres und Vorbildern sabotiert.
Die Action in "Black Adam" kracht ordentlich, leidet aber unter den ständigen Stilwechseln.
Dieses Problem zeigt direkt die erste große Actionszene, in der Teth-Adam nach seiner Erweckung mit den Intergang-Söldnern aufräumt. Das inszeniert Regisseur Jaume Collet-Serra („Jungle Cruise“) zuerst als ungleichen Kampf zwischen chancenlosen Menschen und einem gottgleichen Superhelden, an dem die Kugeln seiner Widersacher harmlos abprallen. Teth-Adam brutzelt seine Gegner mit Stromschlägen bis nur ein Skelett übrig ist, wirft sie durch die Gegend oder haut sie zu Klump, während sich dazu die Filmmusik von Lorne Balfe zu immer epischeren Chor-und-Orchester-Klängen aufschwingt. Doch dann folgt ein krasser Stilbruch.
Wenn der Kampf gegen die Intergang außerhalb des Grabmals weitergeht, wähnt man sich auf einmal in einem komplett anderen Film. Denn nun fertigt Teth-Adam seine Gegner wie Quicksilver in den „X-Men“-Filmen in einer Superzeitlupen-Szene ab (übrigens längst nicht die einzige Szene, die deutlich von anderen Comicverfilmungen inspiriert ist): Er lenkt hier eine Rakete um und stopft dort einem Söldner seine eigene Granate in den Mund, während dazu als ironisch gemeinter Kontrapunkt „Paint It Black“ von den Rolling Stones erklingt. Immer wieder hat man so wie in dieser Szene den Eindruck, dass jemand eine Idee hatte, was cool oder lustig sein könnte – und dann wurde es in den Film gepackt und zwar völlig unabhängig davon, ob es Sinn ergibt oder irgendwie zum Rest passt.
Dieses Beispiel bleibt längst nicht der einzige urplötzliche Richtungswechsel in „Black Adam“. Und der wilde Genremix, der den Verantwortlichen vorgeschwebt haben mag, geht in der Umsetzung auch sonst fast nie auf. In der Hauptstadt von Kahndaq angekommen, entwickelt sich „Black Adam“ so zum Beispiel kurzzeitig zu einer Action-Komödie irgendwo zwischen „Terminator 2“ und „Last Action Hero“, bei der Adriannas Sohn Amon (Bodhi Sabongui) den nach 5.000 Jahren Schlaf aus der Zeit gefallenen Anti-Helden in die moderne Popkultur einführt und ihm unbedingt einen coolen Spruch beibringen will, den er aufsagen soll, wenn er Gegner tötet.
Das ist aber weder besonders witzig noch besonders stimmig, denn es sorgt dafür, dass der als gnadenlos-grimmiger Krieger eingeführte Teth-Adam anschließend wie Arnold Schwarzenegger in seinen besten Tagen mit Onelinern um sich wirft. Und wenn Collet-Serra dann einen Kampf zwischen dem mächtigen Superwesen und einigen Söldnern wie das Finale von „Zwei glorreiche Halunken“ inszeniert, weil Teth-Adam kurz zuvor wenige Sekunden des Western-Meisterwerks im Fernsehen gesehen hat, ist das leider weder clever noch lustig, sondern betont (neben dem vollkommen willkürlich wirkenden Zitat) nur die gewaltigen Qualitätsunterschiede zwischen beiden Filmen.
Hawkman (Aldis Hodge) ist der Anführer der JSA.
Teth-Adam wird durch die ständigen Umschwünge so nie wirklich als Figur greifbar. Am Ende lebt er alleine von der Präsenz und dem Charisma eines Dwayne Johnson, der seinen massiven Körper bis hin zu den gigantischen, in einer Szene sogar die ganze Leinwand füllenden Nackenmuskeln präsentiert. Noch schlimmer ergeht es aber dem Rest der ziemlich eindimensional bleibenden Figuren – allen voran der JSA, die so unvermittelt in den Film geworfen wird, als wäre sie schon in zahlreichen vorherigen DC-Adaptionen etabliert worden. Am meisten Eindruck hinterlassen da noch Quintessa Swindell als lebender Tornado und Noah Centineo als Ant-Man-Klon Atom Smasher, die in ihren wenigen Szenen zumindest ein charmantes Leinwand-Paar andeuten.
Hawkman bleibt derweil – gerade im Zusammenspiel mit Black Adam – nur ein aggressives Alphamännchen. Und auch wenn Ex-„007“-Star Pierce Brosnan seinem Doctor Fate immerhin einen Hauch von Würde verleiht, erscheint seine Figur aufgrund der ähnlichen Kräfte wie ein blasses Abziehbild von Doctor Strange aus dem MCU. Die undankbarste Rolle bekleidet jedoch Stand-Up-Komiker Mohammed Amer, der als Adriannas Bruder Karim für die humorvolle Auflockerung zwischendurch zuständig ist, vom Drehbuch-Trio jedoch nur eine Reihe von lahmen Gags in den Mund gelegt bekommt und so zumeist selbst als Witzfigur herhalten muss.
Inmitten der wilden Stilwechsel gehen dann auch die wenigen guten Ideen und ernst gemeinten Zwischentöne fast vollständig unter. Wenn es zum ersten Zusammentreffen von Teth-Adam und der JSA in Kahndaq kommt, nutzen dies die Autoren für ein interessantes Argument: Warum sollte sich die Bevölkerung des fiktiven unterdrückten Staates über das Eintreffen der selbst erklärten Gerechtigkeitsgesellschaft freuen, wenn die „Held*innen“ sich doch bislang nie für ihr Schicksal und Land interessant haben? Und nun noch dazu ihren Champion angreifen, wobei sie die halbe Stadt in Schutt und Asche legen?
Hier wird ganz klar eine Parallele zur echten Welt, zu amerikanischer Außenpolitik und dem Agieren westlicher Mächte im Nahen Osten gezogen, wo nur eingegriffen wird, wenn es einen Vorteil bringt (Rohstoffe) und dann oft Chaos (Afghanistan) hinterlassen wird. Doch so plötzlich, wie diese politische Diskussion in „Black Adam“ auftaucht, so schnell wird sie auch wieder vergessen. Und am Schluss wird die Auseinandersetzung mit dem Thema fast schon grotesk verdreht: Denn da wird die rassistische Idee in den Raum gestellt, dass die nun als Pöbel inszenierten Menschen von Kandaq gar nicht so sehr Friede und Freiheit wollen. Ein allmächtiger König und Alleinherrscher, der dem Westen regelmäßig auf die Schnauze haut, erscheint ihnen nämlich plötzlich viel besser...
Fazit: Holprige Handlung, chaotische Inszenierung, eindimensionale Figuren, lahme Witze: „Black Adam“ ist der bisherige Tiefpunkt im DCEU.