ICH WILL DEN SCHWULEN HEIMATFILM!!!
Et voilá! Hier ist er! Der Heimatfilm des 21. Jahrhunderts.
Kurze Einführung: Der junge Johnny lebt mit seinem schwerkranken Vater und seiner Großmutter auf einem abgewirtschafteten Hof in Yorkshire. Der nur wenig ältere, angeheuerte rumänische Landarbeiter Gheorghe verändert Johnny und das Leben auf der Farm grundlegend.
Der Film steht ganz auf dem harten Boden der bäuerlichen Realität, so direkt gezeigt, wie man es kaum einmal in Dokus zu sehen bekommt. Geburt, Tod, Armut, Isolation. Ein Idyll ist das ganz und gar nicht. Ähnlichkeiten mit Andrea Arnolds "Wuthering Heights" sind erkennbar, zu "Brokeback Mountain" eher gar nicht! Ich komme aus Norddeutschland, God's Own Country könnte auch in Ostfriesland spielen. Da hängen die regenschweren Wolken tief, die Leute trinken Tee oder Bier und reden ansonsten auch nur das Nötigste. Wohltuend übrigens, wenn man das OmU sehen möchte. Man kann dem Text immer gut folgen ohne dabei die Handlung zu verpassen. Die Geschichte von Johnny und Gheorghe wird durch Bilder, Gesten, Blicke und ohne viele Worte erzählt. Das mag ich sehr, weil hier Schauspieler und Regisseure ihr Können besonders beweisen müssen und für den Zuschauer genügend Raum für eigene Vorstellungen bleibt. Auch spielen Hände hier eine entscheidende Rolle. Ständig sehen wir Hände, die etwas tun.
Neben aller Härte, Rohheit und Authentizität ist dieser Film aber auch so gnadenlos romantisch.
Wir sehen hier, wie sich ein einsamer, saufender, grober und mürrischer Kotzbrocken von Yorkshire-Lad, der sich selbst am wenigsten mag, verliebt und wohl zum ersten Mal in seinem Leben so etwas wie Geborgenheit empfindet und dabei immer weicher wird, zärtlicher und irgendwann fühlt, dass es für ihn vielleicht doch ein schönes Leben dort auf der Farm geben könnte, eine Perspektive und auch das Ende der Einsamkeit. Gheorghe nimmt sich seiner an, als wenn er eines der Lämmer wäre, allerdings eines, das man zähmen muss.
God's Own Country ist trotz der miserablen Situation ganz im hier und jetzt verortet. Hier geht es nicht um eine homophobe Umgebung oder Familie sondern um eigene Grenzen und Beschränkungen und um die Macht der Liebe, und darum, dass man sie ergreifen sollte, wenn sie sich einem bietet. Und ganz nebenbei ist dieser Film auch eine Verbeugung vor den Menschen, die sich in diesem Landstrich behaupten.
Ein sinnlicher, erotischer und poetischer Heimatfilm mit Bodenhaftung ohne Kitsch (kleine Lämmchen und Osterglocken können gar nicht kitschig sein!) den ich immer wieder anschauen möchte. Für mich wirklich einer der schönsten Filme der letzten Jahre und ganz klar ein Allzeitfavorit. Definitiv jetzt schon ein Klassiker des nicht-heterosexuellen Kinos. p.s. wer intensive, rauhe Sexszenen und lang ausgespielte Zärtlichkeiten zwischen Männern nicht sehen will, sollte die Finger von dem Film lassen.