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    Zwischen Himmel und Hölle - Luther und die Macht des Wortes
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    Michael S.
    Michael S.

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    3,0
    Veröffentlicht am 13. November 2017
    Ein Film, der hervorragend ins zwanzigste Jahrhundert gepasst hätte. Das liegt nicht unbedingt an der Ausstattung oder sparsamer Bebilderung. Im Gegenteil: Für einen TV-Film, egal welcher Epoche, ist "Zwischen Himmel und Hölle" hervorragend authentisch dekoriert und gefilmt und übertreibt es außerdem nicht mit digital geschönten Bildern. Diese Version der beginnenden frühen Neuzeit lässt noch viel von der gefühlten Finsternis des Mittelalters spüren, während Adel und Bürgertum sich langsam aber sicher ihrer Machtfülle immer mehr bewusst werden.

    Es sind vielmehr die zwischen den pflichtschuldig abgehakten Einzelmomenten versteckten Deutungsmuster, die veraltet wirken. So macht man Luther zum körperlich agilen Sportler, der sich sehr zur Freude seiner Studenten gerne auch mal im Schlamm um einen Ball prügelt und reduziert die komplexen Vorgänge hinter den Kulissen auf eine vermutete Männerfreundschaft zwischen Luther, seinem Kollegen Andreas Bodenstein, alias Karlstadt, und dem eigensinnigen Pfarrer Thomas Müntzer. Kurzerhand bezieht man auch noch Lucas Cranach in die Runde mit ein, der hier zum berechnenden Verleger und Mitautor (!) von Luthers Thesen aufsteigt.

    Im Hintergrund taktiert Georg Spalatin (Fabian Hinrichs), mal mehr und mal weniger im Auftrag des sonst recht passiven Kurfürsten Friedrich (Rüdiger Vogler), womit Luther trotz mancher wortgewaltiger Tirade eher zum Spielball einer auf Selbsterhaltung ausgerichteten Politik wird. Thomas Müntzer wagt schon recht früh gefährliche Guerilla-Aktionen bei denen er leichtfertig das Leben anderer aufs Spiel setzt und schlachtet sich zum Volkshelden durch. Aus seiner anfangs ehrlich wirkenden Verzweiflung hinsichtlich der fiesen Methoden des Ablasspredigers Hartmann (Armin Rhode) wird schon bald selbstgerechtes Sektierertum ,das irgendwie auch nicht besser als das Benehmen der Obrigkeit ist.

    Und selbst dann ist der gute Mann noch hochgradig sympathisch, denn seine Umwelt versteht ihn einfach nicht. Selbst Müntzers anfangs gleichermaßen fanatische Frau Ottilie (Aylin Tezel) bricht zwar noch schnell eine Lanze für Humanismus und den Glauben als Privatsache, kann ihn aber auch nicht daran hindern, mit seiner kleinen Gemeinde in eine große Schlacht zu ziehen. Diese Art der Heldenverehrung kam Müntzer in der Kulturpolitik der DDR schon einmal zu, als er kurzerhand zum "frühbürgerlichen Revolutionär" umgedeutet wurde. Tatsächlich bekommt Müntzer in diesem Film als einziger einen Heldentod zu Chormusik spendiert und darf bis zuletzt der leidende Einzelgänger sein, den man eigentlich in Luther vermutet hätte.

    Damit kommen wir zur Hauptfigur. Und die ist leider kongenial fehlbesetzt. Während man mit Müntzer und teilweise auch mit Bodenstein noch mitfühlen kann, ist Maximilian Brückners Luther ein eher primitiver Charakter mit unpassendem süddeutschen Akzent, der offenbar nur herumschreien oder laut auflachen kann. Natürlich sind diese Seiten des Reformators durchaus überliefert, von einem zeitgenössischen Film darf man sich aber eine etwas komplexere Betrachtung erhoffen. Selbst Joseph Fiennes gelang es im Film "Luther" von 2003 trotz aller Vereinfachung der Figur deutlich mehr abzugewinnen. Gerade die nachdenklichen Zwischentöne kommen hier zu kurz, denn dieser Luther hat höchstens die Sympathie eines Marktschreiers.

    Eine Schande, denn Brückner hat in Rollen wie der des intriganten Bürgermeisters Alfons Zischl in "Hindafing" eindrucksvoll bewiesen, dass er es besser kann. So bleibt von der vielschichtigen Persönlichkeit Luthers nur ein blasses Abziehbild. Gerade wenn sich Luther und der Domherr Eck (Arnd Klawitter) zur Disputation gegenüber stehen, dann brüllt man kurz ein bisschen herum, doch von der brillianten Redekunst beider Männer ist da nur wenig zu spüren. Da deutet sich schon an, dass der Film nicht nur ein personelles Problem hat, sondern auch ein dramaturgisches.

    Zu viele im allgemeinen Bewusstsein verankerte Stationen der Reformation sollen abgehakt werden, seien es die 95 Thesen, die Schlacht bei Frankenhausen, Luthers Auftritt vor dem Reichstag und der Kontrast zwischen käuflicher Vergebung und einem gnädigen Gott. Die Handlung wurde derart verdichtet, dass sich zentrale Figuren wie Müntzer, Bodenstein, Luther, Katharina von Bora und deren Freundin Ottilie zu einem Zeitpunkt im selben fiktiven Kloster aufhalten. Dazu gibt es noch ein paar Mittelalterklischees, wie den übereifrigen und leicht dämonischen Hartmann und den notorisch lüsternen Patriarchen Albrecht von Brandenburg, die im Kontext besserer Werke höchstens Witzfiguren abgeben.

    Christoph Maria Stromberg, pardon, Lucas Cranach!
    (© Universum Film)
    Dazu gesellen sich geradezu peinliche historische Ungereimtheiten: Luther hat den Druck seiner Thesen selbst nicht in Auftrag gegeben, sondern diese zum gelehrten Disput zunächst handschriftlich (!) vervielfältigt. Dass Lucas Cranach der Ältere in diesem Umfang als Drucker tätig war und schon früh an die Verkaufsoptimierung der von ihm verlegten Werke dachte, lässt sich nicht nachweisen. Müntzer singt mit seiner Gemeinde ein Kirchenlied, dessen Text gut 130 Jahre später gedichtet wurde und dessen Melodie aus dem 19. Jahrhundert stammt. Luther tönt zudem lautstark, dass die katholische Kirche nicht mehr die seine ist und setzt sich für die Gründung einer neuen ein. Damit wird der Begriff "Reformation", dessen Inhalt Luther durchaus wichtig war, ad absurdum geführt. Die katholische Kirche sollte nicht abgeschafft, sondern eben reformiert werden. Die Verbrennung der päpstlichen Bannbulle inszenieren er und seine Anhänger zudem wie eine Halloween-Parade mit derben Gebräuchen und Begriffen, die auf unheimliche Weise eher an die Gründung einer Sekte oder Versammlungen des Ku-Klux-Klans erinnert. Überhaupt wird mit Begriffen wie "lutherisch" und "evangelisch" sehr freizügig hantiert, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt längst nicht im Sprachgebruch verankert waren.

    Somit bleibt vor allem ein Eindruck zurück: Die Reformation hat das ohnehin schon finstere Mittelalter nur noch ein bisschen finsterer gemacht. Außer einem weiteren Grund für Krieg und andere Grausamkeiten bleibt hier kaum etwas im Gedächtnis. Was der reformatorische Gedanke für das seelische Befinden des mittelalterlichen Menschen bedeutet bleibt ebenso im Dunkeln wie die inneren Kämpfe, die Martin Luther seinen eigenen und anderen Quellen zufolge auszufechten hatte. Er darf ein bisschen an sich zweifeln und wütend eine Bibel vom Pult fegen, überzeugend geraten diese Momente aber nicht. Dafür begründet Müntzer offenbar einen der Vorläufer des Kommunismus und Bodenstein wird irgendwann so unwichtig, dass er sang- und klanglos aus der Handlung verschwindet.

    Noch dazu möchte man offenbar zentrale Elemente der Geschichte in eine gefühlt zeitgenössische Lesart übertragen, schrammt damit aber deutlich an der nachweisbaren Historizität der tatsächlichen Ereignisse vorbei. Da hat auch das Engagieren von fünf historischen Fachberatern und zwei Kirchenexperten, die vermutlich nur bei diversen Äußerlichkeiten mitreden durften, niemandem geholfen. Historische Wahrscheinlichkeiten auszuloten, anstatt sich verzweifelt an der Wissenschaft festzuklammern, kann im Genre Historienfilm reizvolle Ergebnisse liefern, hier widersprechen sich Interpretation und historisches Geschehen jedoch zu oft.

    Während für das Auge allerhand geboten wird, sind die Figuren trotz der Besetzung mit den schauspielerischen Größen der deutschen TV-Landschaft darüber hinaus meist blass und uninteressant. Damit bleibt "Zwischen Himmel und Hölle" weit hinter der ARD-Konkurrenzproduktion "Katharina Luther" zurück, die immerhin mit prägnanten Charakteren und einer differenzierten Darstellung des Geschehens punkten konnte.
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