Das Konzept eines „Helden“, der ein furchtbares Verbrechen miterlebt, aber deshalb nichts unternehmen kann, weil er in diesem Moment gerade selbst eine Straftat begeht, ist nicht gerade neu: In „The Collector“ platzt der Einbrecher Akin mitten in eine blutige Foltersession und in „Absolute Power“ bekommt der von Clint Eastwood verkörperte Meisterdieb Luther Whitney mit, wie ausgerechnet der Secret Service einen Mord begeht, um den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu schützen. An dieses Sujet wagt sich mit „Bad Samaritan“ nun auch Dean Devlin, der langjährige Stammautor von Roland Emmerich, der erst im vergangenen Jahr mit dem Katastrophen-Blockbuster „Geostorm“ sein Kino-Regiedebüt gegeben hat. Diesmal entdeckt ein Kleinkrimineller bei einem Einbruch eine gefesselte junge Frau, die offenbar in die Hände eines sadistischen Killers geraten ist. Dieser wird von David Tennant verkörpert – und der ehemalige Doctor Who sorgt mit seiner Performance lange Zeit quasi im Alleingang dafür, dass „Bad Samaritan“ wirklich sehenswert ist, bis ihm seine zuvor so cool-bösartige Figur auf der Zielgeraden doch noch entgleitet.
Sean (Robert Sheehan) will eigentlich Fotograf werden, hält sich bis dahin aber mit kleineren Einbrüchen über Wasser. Gemeinsam mit seinem Kumpel Derek (Carlito Olivero) arbeitet er bei einem italienischen Luxusrestaurant als Einparker für die Autos der wohlhabenden Gäste. Wenn es die Gelegenheit erlaubt, fährt einer von beiden mit dem Wagen zum Haus des Besitzers (im Navigationssystem ist die Heimadresse ja meist hinterlegt) und lässt dort ein paar Wertgegenstände mitgehen. Als Sean eines Abends an Cale (David Tennant) gerät, beschließt er den unfreundlichen Typen auszurauben. Aber im Haus stößt er auf eine junge Frau, die offenbar gequält und mit dicken Ketten an einen Stuhl gefesselt wurde. Voller Panik flieht Sean zunächst und als er von seinem schlechten Gewissen getrieben später die Polizei an den Tatort schickt, kann Cale die Cops austricksen. Was Sean nicht weiß, als er weiter versucht, der Frau zu helfen: Mit Cale hat er sich einen übermächtigen Gegner geschaffen, der Seans Leben fortan systematisch zu zerstören beginnt…
David Tennant gehört zu den wenigen Schauspielern, die einen grundsympathischen und einen aufrichtig hassenswerten Charakter gleichermaßen gut verkörpern können. So ist er für viele Whovians noch immer einer der besten Darsteller des schrägen Sci-Fi-Helden Doctor Who. Auf der anderen Seite stehen mit dem fiesen Barty Crouch in „Harry Potter und der Feuerkelch“ und dem manipulativen Purple Man in der ersten Staffel „Jessica Jones“ zwei der schleimigsten und abgrundtief verachtenswertesten Bösewichte des angebrochenen Millenniums. Auch in „Bad Samaritan“ gibt Tennant nun wieder den Fiesling – und ist damit der offensichtlichste Grund, sich den Film anzusehen. Solange der Brite den üblen Sadisten Cale eiskalt und berechnend spielt, fröstelt es auch das Publikum. Je weniger man über den Charakter weiß, desto gruseliger ist er. Leider ist dem Drehbuchautor Brandon Boyce („Der Musterschüler“) aber keine originelle Hintergrundstory für seinen Killer eingefallen - und so wird Tennants Charakter immer weniger furchteinflößend, je mehr der Film über ihn verrät.
Dabei schnellt das Spannungsthermometer zwischenzeitig echt gut in die Höhe. Wenn Cale etwa auf wirklich perfide Art Seans Liebesbeziehung zerstört oder dessen Familie attackiert, dann zitiert „Bad Samaritan“ auf gelungene Art Alfred Hitchcock – schließlich gab es in dessen Filmen auch immer wieder einsame Helden, denen einfach niemand glaubt. Darüber hinaus verzichtet Regisseur Devlin weitestgehend auf plumpe Jump-Scares und zieht den Thrill stattdessen aus gut und straff inszenierten Szenen, in denen Sean immer verzweifelter gegen die ebenso abgründigen wie brillanten Pläne Cales ankämpft – und sich und andere dabei immer mehr in Gefahr bringt. In diesen Momenten ist „Bad Samaritan“ intensiv und packen – und das trotz einiger unglaubwürdiger Szenen, etwa wenn Cale ein Nacktfoto gleichzeitig an alle Kommilitonen von Seans Freundin schickt, obwohl sie selbst einige davon gar nicht kennt.
So weit, so spannend. Aber dann kommen die letzten 15 Minuten. Denn auf der Zielgeraden schießt Boyces mit seinem Skript deutlich übers Ziel hinaus und geht statt mit dem Skalpell plötzlich mit dem Holzhammer auf die Nerven des Publikums los. Im Finale sind den Machern deutlich sichtbar die Ideen ausgegangen und so häufen sich zwar die Schockszenen, entfalten aber kaum noch Wirkung. Boyce entzaubert seinen anfangs fast mystisch wirkenden Superschurken, der im Finale zu einem Durchschnitts-Bösewicht zusammenschrumpft. Der vorher noch so supercoole Tennant muss plötzlich wild Grimassen ziehen – und mit seinem genial-manipulativen Antagonisten verliert der zuvor so effektive Thriller auch viel von seinem Reiz.
Fazit: „Bad Samaritan“ wird nach ordentlichem Beginn zwischenzeitlich richtig stark, bevor er im mauen Finale wieder viel von seiner zuvor aufgebauten Spannung verspielt. Trotzdem ist David Tennant als Psychopath fast schon alleine den Kinobesuch wert.