William Oldroyd gibt mit „Lady Macbeth“ sein Langfilmdebüt ab. Der Film wurde auf dem internationalen Filmfest in München und am European Art Cinema Day ebendort als Vorpremiere gezeigt.
England, Mitte des 19. Jahrhunderts: Die junge Catherine (Florence Pugh) wird mit dem wesentlich älteren und wohlhabenden Geschäftsmann Alexander (Paul Hilton) verheiratet. Dessen herrischer Vater Boris (Christopher Fairbank) wohnt mit dem Paar im selben Haus. Weil Alexander kein Interesse an seiner attraktiven Ehefrau hat, befriedigt die Gelangweilte ihr Liebesbedürfnis mit dem neu eingestellten Landarbeiter Sebastian (Cosmo Jarvis). ...und sie setzt alles daran, dass das so bleibt.
Der Titel kommt nicht von ungefähr. Bei Shakespeare bringt die Ehefrau des Macbeth ihre Niederträchtigkeit ins Spiel. Ebenso ist es bei William Oldroyd. Die Vorlage für den Film stammt jedoch von dem russischen Schriftsteller Nikolai Leskow (1831 - 1895), der durch Shakespeare und eine tatsächliche Begebenheit inspiriert, seine Erzählung „Die Lady Macbeth von Mzensk“ geschaffen hat. Oldroyd legt die Handlung von Russland nach Shakespeareland und macht sich wie manche Vorgänger seiner Zunft am Finale der Novelle zu schaffen. Das zeugt nicht aufdrängend von Mut, denn der Lauf der Geschichte ist dank fehlender stringenter Zielführung gerade zum Ende hin formbar. Das soll kein Tadel sein, denn Verbrechen und Täter werden - abhängig von Zufällen oder Fehlern - entdeckt oder auch nicht.
Das Ambiente ist durch viele künstlerische Details gesetzt. In der gebildeten Kaufmannsfamilie - inkl. Catherine - wird ein gepflegtes Englisch gesprochen, in der Arbeiterklasse nicht. Szenen und Farben sind düster gehalten und weisen Farbtupferl auf (Landschaft, Catherine’s Kleidung). Die Kamera hätte in diversen Einstellungen effektiver positioniert werden können. Insbesondere fehlt es an ausreichend Nahaufnahmen. Der sehr zurückhaltende Einsatz der Filmmusik ist zu begrüßen und verstärkt die emotionale Wirkung dieser Momente.
Mutig und stilvoll ist die mit viel Geschick angelegte lakonische Erzählform, die der Regisseur bis zum Abspann durchhält. Der Zuschauer erhält die Möglichkeit, aus den Handlungen Rückschlüsse oder Vorausahnungen zu ziehen und kann zudem überrascht werden. Es schadet damit nicht, dass Catherine eine Unbekannte ist und direkt aus der Hochzeitszeremonie in die ersten Auseinandersetzungen geschubst wird.
Die Auslassungen treffen unerfreulicherweise die männlichen Charaktere: Boris und Sohn Alexander sind - ihrem Stande und der Zeit geschuldet - streng, fordernd und abweisend. Mehr nicht. Das ist so flach und wenig, dass die an Härte dazulernende Catherine zum Teil als Sympathieträgerin empfunden wird. Mit ihrem beträchtlichen Grad an krimineller Energie sollte eine derartige Ausstrahlung nicht erzeugt werden.
Florence Pugh absolviert ihre Rolle einwandfrei und setzt ihre Mimik gekonnt ein. Catherine hätte durch mehr Kameraarbeit raffinierter mit Kälte versehen werden können (s.o.). Nichtsdestotrotz gibt es viel einfallsreich Gestaltetes um die Lady. So ist z.B. die Performance als betrunkene Hausherrin, die im Beisein des Schwiegervaters die Haltung zu wahren versucht, auf jeden Fall ein richtig nettes Kabinettstückchen. Aber es gibt auch Naomi Ackie, die als drangsaliertes Haumädchen Anna der Hauptdarstellerin in vielen Szenen die Show stiehlt.
„Lady Macbeth“ ist eine mit eigener Handschrift stark erzählte und brauchbar bebilderte Geschichte von William Oldroyd, der sich einige vernachlässigte Figuren erlaubt.