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    Alibi.com
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Alibi.com
    Von Andreas Staben

    Das Lügen war schon immer ein großes Komödienthema, davon zeugen nicht nur Titel wie „Lügen macht erfinderisch“, „Lügen und andere Wahrheiten“ oder „Roman eines Schwindlers“. In aller Regel wird der Lügner in solchen Lustspielen nach diversen komischen Verwicklungen ertappt und auf den Pfad der Tugend zurückbefördert. Das ist auch in „Alibi.com“ nicht grundsätzlich anders, aber hier wird noch eins oben draufgesetzt und das Vortäuschen falscher Tatsachen zum einträglichen Geschäftsprinzip erhoben: Der Protagonist verdient sein Geld damit, alternative Wahrheiten zu fabrizieren. Sein Angebot ist sehr gefragt, ein schlechtes Gewissen haben die Kunden selten – schließlich sind selbst die höchsten Volksvertreter keinen Deut besser als sie, wie ein amüsanter kleiner Seitenhieb auf den ehemaligen französischen Staatschef François Hollande und seine Fremdgeh-Affäre zeigt („Monsieur le Président, Ihr Motorroller steht bereit“). Regisseur, Co-Drehbuchautor und Hauptdarsteller Philippe Lacheau („Project: Babysitting“, „Ab in den Dschungel“) lässt das satirische Potenzial seines Stoffes ansonsten allerdings ungenutzt und ignoriert auch die naheliegenden moralischen Fragen weitgehend. So erscheint der Lügenplot in der halbgaren Komödie „Alibi.com“ als zunehmend fadenscheiniger Vorwand für allerlei Anspielungen auf die Popkultur der 80er und viele ziemlich grobe Gags (bevorzugt mit Tieren).

    Grégory Van Huffel (Philippe Lacheau) hat mit seinem Kumpel Augustin (Julien Arruti) in Paris die Agentur Alibi.com gegründet: Wer etwas zu verheimlichen hat, dem verschaffen sie eine Ausrede. Vor allem untreue Männer, denen Grég, Augustin und der neue Angestellte Mehdi (Tarek Boudali) helfen, ihre Affären zu vertuschen, machen das Unternehmen zum Erfolg. Einer dieser Kunden ist Gérard Martin (Didier Bourdon): Er möchte mit seiner Geliebten Cynthia (Nawell Madani) ein Wochenende in Cannes verbringen, ohne dass seine Gattin (Nathalie Baye) Verdacht schöpft. Grég setzt die übliche Täuschungsroutine in Gang und organisiert eine aufwändige Indizienkette für Gérards angeblichen Aufenthalt bei einer Arbeitskonferenz. Doch dann verliebt sich der Agenturchef in Flo (Elodie Fontan) und steht vor zwei großen Problemen: Die junge Frau verabscheut nichts mehr als lügende Männer und sie ist ausgerechnet die Tochter von Ehebrecher Gérard…

    Die „Sängerin“ Cynthia (ihr eigenfabrizierter YouTube-Song ist zugleich irgendwie komisch und nur noch peinlich) weiß nicht, wovon ihr älterer Liebhaber spricht, als der ihr von Louis de Funès vorschwärmt. Der quirlige kleine Querkopf aus französischen Komödienklassikern wie „Brust oder Keule“ oder „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“ ist nicht der einzige Star früherer Jahrzehnte, der in Philippe Lacheaus Film seine Spuren hinterlässt. Die zahlreichen Hommagen an die 80er, die von „Zurück in die Zukunft“ und der „Star Wars“-Saga bis zu Bonnie Tylers „Total Eclipse Of The Heart“ reichen, haben oft echtes Nerd-Niveau und werden dadurch umso witziger. Insbesondere Grégorys Besessenheit mit seinem Lieblingsfilm „Bloodsport“ und dem entscheidenden akrobatischen Kick von Jean-Claude Van Damme wird auf ebenso aufdringliche wie schlüssige Weise in die Handlung von „Alibi.com“ eingebaut: Manchmal ist gerade das Offensichtliche die höchste Kunst. Das zeigen auch Didier Bourdon („Ein gutes Jahr“) und Nathalie Baye („Catch Me If You Can“) als von der Routine geplagtes Ehepaar. Wie sie den emotionalen Kern der im Grunde klischeetriefenden Krise treffen und mit Herz und Humor um einen Neuanfang ringen, ist der einsame Höhepunkt des Films, der in Frankreich fast vier Millionen Zuschauer in die Kinos lockte.

    Dagegen ist die zentrale Romanze zwischen Grég und Flo von Anfang bis Ende ein reines Konstrukt und ihre mit ein paar 80er-Schmonzetten forcierte Versöhnung bleibt bis in die fragwürdige Schlusswendung hinein ein schales dramaturgisches Manöver. Das liegt zum Teil daran, dass Flo nicht mehr sein darf als die Vertreterin des rigorosen „Lügen geht gar nicht“-Prinzips, aber vor allem ist es darauf zurückzuführen, dass der entschieden unreife Grég viel besser im Kreise seiner ebenso kindischen Kumpel aufgehoben ist. Wenn Philippe Lacheau mit Julien Arruti (als jungfräulicher Superhelden-Fan) und Tarek Boudali (als immer im unpassendsten Moment einschlafender Narkoleptiker) zusammentrifft (beide sind langjährige Mitstreiter aus seiner Comedy-Truppe „La Bande à Fifi“), dann bekommt man schnell das Gefühl, dass das Trio einfach nur gemeinsam Blödsinn machen will. Allerdings ist der Spaß kaum ansteckend, denn die Albernheiten beschränken sich meist auf plumpe Zoten, wobei sie weder vor der Flüchtlingskrise noch vor den Sinti und Roma und schon gar nicht vor schmerzhaftem Genitalhumor haltmachen. Noch übler mitgespielt wird allerdings Flos Hund: Der Vierbeiner wird nicht nur aus Versehen (!) als Bowlingkugel missbraucht, sondern geht einmal gar in Flammen auf, ehe er per Fußtritt zum Löschen in den Swimmingpool befördert wird. Das ist genauso albern wie es klingt und beißt sich ziemlich mit den sentimentalen Anwandlungen der Haupthandlung, die hier wirklich nur ein Alibi ist.

    Fazit: Aus der reizvollen Prämisse wird nicht viel gemacht und so stehen allerlei zotigen Albernheiten und aufgesetzt wirkenden Verwicklungen nur zwei tolle Nebendarsteller und einige amüsante 80er-Jahre-Anspielungen gegenüber.

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