Das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schulz sorgte bei Zuschauern und Presse zwar eher für ein gelangweiltes Gähnen als laute Jubelstürme, lief dafür aber immerhin in professionell-geordneten Bahnen ab. Ganz anders in den USA oder in Frankreich, wo sich die Teilnehmer im Wahlkampf bereits zu allerlei persönlichen Tiraden hinreißen ließen, um den Gegner niederzumachen und Hass zu schüren. Aus dieser Stimmung heraus entstand auch die Idee für die französische Komödie „Hereinspaziert!“: Ein polarisierender Autor gibt während einer aufgeladenen politischen Podiumsdiskussion seine Privatadresse bekannt und muss anschließend seine leichtfertig proklamierte Hilfsbereitschaft direkt im Alltag unter Beweis stellen, als eine obdachlose Großfamilie vor seiner Tür steht und bei ihm einziehen will. Die Prämisse ähnelt der des Sensationserfolgs „Monsieur Claude und seine Töchter“ – was auch kein Wunder ist, schließlich haben beide Filme den Regisseur Philippe de Chauveron und den Hauptdarsteller Christian Clavier gemeinsam. Während Monsieur Claudes bürgerliche Toleranz auf eine immer schwerere Probe gestellt wird, wenn seine Töchter nacheinander Ehemänner verschiedener Ethnien mit nach Hause bringen, geht es nun auch in „Hereinspaziert!“ um den Unterschied von behaupteter und tatsächlich gelebter Offenheit gegenüber dem Fremden. Doch diesmal gehen die satirischen Elemente so gewaltig daneben, dass die Komödie letztendlich Vorurteile und Klischees bestätigt statt sie zu entlarven und in Frage zu stellen.
Jean-Etienne Fougerole (Christian Clavier) hat mit seinem Buch „Hereinspaziert!“ viel Aufsehen erregt. Darin fordert er die französische Oberschicht indirekt dazu auf, ihre luxuriösen Anwesen auch den Bedürftigen zur Verfügung zu stellen. Eine Aussage, die von gewissen Seiten der Politik gar nicht gern gehört wird. In einem Fernsehduell mit einem Fürsprecher der rechtspopulistischen Gegenseite (Marc Arnaud) lässt sich der Autor zu der Aussage hinreißen, dass die Türen seiner Villa fortan offen stehen würden – ein Angebot, das sich Babik (Ary Abbitan), der Patriarch einer obdachlosen Roma-Familie, nicht entgehen lassen will. Gemeinsam mit seiner neunköpfigen Sippe sowie dem zwielichtigen Untermieter Erwan (Cyril Lecomte) steht er wenige Stunden später vor dem eisernen Tor der Familie Fougerole und bittet um Einlass. Jean-Etienne und seine Frau Daphné (Elsa Zylberstein) müssen über ihren Schatten springen und den Fremden Einlass gewähren. Schließlich dürfte sich diese vorgelebte Nächstenliebe positiv auf die Verkaufszahlen des Buches auswirken…
Ein typischer Running Gag aus „Hereinspaziert!“ sieht etwa so aus: Der als zurückgeblieben porträtierte Piti (Marian Samu) hat den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun, als durch den Garten der Familie Fougerole zu schleichen und Maulwürfe zu jagen. Aber damit nicht genug, anschließend werden die Tierchen auch noch zur Delikatesse verarbeitet und sogar Gästen serviert. Eine Anspielung auf Sinti und Roma ist das nicht, dort werden genauso wenig Maulwürfe verspeist wie in jeder anderen Kultur der Erde. Aber der Gag wird auch nie so sehr überhöht, dass die satirische Idee dahinter durchscheinen würde. Stattdessen fungieren die Pointen hier fast schon wie Fake News und sind regelrecht prädestiniert dafür, Applaus von der falschen Seite zu ernten. Ob sie nun Maulwürde essen, sich im Haus wie Vandalen aufführen oder bis zuletzt so tun, als würde das französische Recht für sie eh nicht gelten: Für Rechtspopulisten sind solche Szenen ein gefundenes Fressen – und dann sind sie noch nicht mal lustig.
Es fehlen einfach Momente, in denen Regisseur de Chauveron das klischeehafte Treiben als genau das entlarvt: absurde Klischees. Und je weiter die Spieldauer von „Hereinspaziert!“ voranschreitet, desto schlimmer wird es: Dass sich die Macher im letzten Drittel plötzlich doch noch um ein Thema wie Integration bemühen, lässt einen zwischenzeitlich kurz hoffen, der Film würde wenigstens im Finale noch die Kurve kriegen. Aber auch hier greifen die Filmemacher voll daneben, wenn sie dem Zuschauer weismachen, eine Roma-Familie wäre in Frankreich eben sowieso nicht zu integrieren. In normalen Jobs können sich die Autoren die die Sippschaft nämlich offenbar nicht vorstellen – stattdessen sieht das Happy End dann so aus, dass Piti im Park Maulwürfe jagen darf, während Familienoberhaupt Babik als Sicherheitsmann in einem Museum sein Gewaltpotential an kleinen Kindern abarbeiten kann. Auch dass die Teenager-Tochter fortan vom Sohn der Fougeroles zu Hause unterrichtet wird, ist nur auf den ersten Blick ein erfreulicher Kompromiss – wird hier doch nur noch einmal mehr unterstrichen, dass die Roma eben nicht in französische Schulen passen. Die Aussage von „Hereinspaziert!“ ist ein solches Desaster, dass einem letztendlich auch bei den wenigen gelungenen Gags das Lachen immer wieder im Halse steckenbleibt.
Fazit: „Hereinspaziert!“ ist ein Film, der Vorurteile bekräftigt, anstatt sie zu widerlegen. Ausländer erscheinen hier als wilde, sich den Gesetzen widersetzende und unbelehrbare Menschen, die sich einfach nicht anpassen können oder wollen. Sollten die Macher ihren Film als Satire angelegt haben, ist diese Intention nicht erkennbar.